Rollenwechsel mit Folgen - epd medien

03.05.2025 07:40

Der SZ-Journalist Stefan Kornelius soll neuer Sprecher der Bundesregierung unter Friedrich Merz (CDU) werden. Obwohl dieser Job in der Vergangenheit oft an ehemalige Journalisten ging, haben solche Wechsel häufig einen faden Beigeschmack.

Wenn Journalisten zu Regierungssprechern werden

Saal der Bundespressekonferenz in Berlin: Hier müssen Regierungssprecher Rede und Antwort stehen

epd Auf Steffen folgt Stefan: Der Politik-Chef der "Süddeutschen Zeitung", Stefan Kornelius, soll neuer Sprecher der Bundesregierung von CDU/CSU und SPD werden. Am 6. Mai wird CDU-Chef Friedrich Merz voraussichtlich zum Bundeskanzler gewählt. Danach wird Kornelius den amtierenden Regierungssprecher Steffen Hebestreit ablösen, der das Amt seit Ende 2021 innehat.

Kornelius' Seitenwechsel könnte bereits am 12. Mai ganz symbolisch sichtbar werden: Dann wird der neue Regierungssprecher voraussichtlich zum ersten Mal vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz Platz nehmen - anstatt auf den Plätzen der Journalistinnen und Journalisten gegenüber. In seiner ersten Regierungspressekonferenz wird er ihnen Rede und Antwort stehen müssen.

Ausweichende Informationspolitik

Die Hauptstadtpresse wird genau hinschauen: Wird Kornelius die oft ausweichende Informationspolitik der vergangenen Regierungen fortführen - oder für mehr Transparenz sorgen? Vielleicht werden ihn die ehemaligen Kolleginnen und Kollegen auch nicht wiedererkennen, weil er plötzlich Phrasen wie "kommentiere ich nicht", "wir haben keine Kenntnis davon" oder "wir prüfen das sorgfältig" zum Besten gibt. Diese Formulierungen gehören zum Standardrepertoire der Sprecherinnen und Sprecher - und dürften auch Kornelius bis vor ein paar Tagen noch regelmäßig auf die Palme gebracht haben.

Der 59-Jährige zählt zu den bekanntesten Politikjournalisten in Deutschland. Damit ist er in seinem neuen Job in bester Gesellschaft, denn viele ehemalige Regierungssprecherinnen und -sprecher waren vorher Journalistinnen und Journalisten. Hebestreit war zuvor Hauptstadtkorrespondent bei der DuMont Redaktionsgesellschaft, Steffen Seibert moderierte die "heute"-Nachrichten im ZDF, bevor er unter Angela Merkel (CDU) zum Regierungssprecher wurde.

Phänomen auch auf Länderebene

Schon unter der Regierung von Willy Brandt (SPD) wurde Conrad Ahlers, damals stellvertretender Chefredakteur des "Spiegels", zum Regierungssprecher berufen. Helmut Schmidt (SPD) machte Klaus Bölling, den Intendanten von Radio Bremen, zu seinem Sprecher, und Helmut Kohl (CDU) setzte auf den Journalisten Peter Boenisch in dieser Rolle.

Das Phänomen gibt es auch auf Länderebene. In Rheinland-Pfalz verloren 2021 drei der vier großen Regionalzeitungen nahezu zeitgleich ihre Landeskorrespondenten - denn diese wechselten als Pressesprecher in Ministerien der Landesregierung. Pressekonferenzen in der Mainzer Staatskanzlei hatten unmittelbar danach kaum Publikum.

"Bindeglied zwischen Journalismus und Politik"

Als Regierungssprecher sei man das "Bindeglied zwischen Journalismus und Politik", erklärte Hebestreit das Phänomen jüngst in der Bundespressekonferenz. Deshalb sei es von Vorteil, dass man einerseits die Politik, aber auch den Journalismus und seine Gesetzesmäßigkeiten kenne. Trotzdem haftet solchen Seitenwechseln häufig ein Beigeschmack an. Mag der Jobwechsel auf individueller Ebene nachvollziehbar sein, befeuert er in der Öffentlichkeit einen allzu bekannten Verdacht: "Politik und Medien stecken doch unter einer Decke."

Regierungssprecher haben einen wichtigen Job. Denn für eine Bundesregierung geht es natürlich nicht nur darum, gute Politik zu machen, sondern auch, sie gut zu verkaufen. Die Regierungssprecherinnen und -sprecher sind für die Kommunikation der Bundesregierung als Ganzes verantwortlich, sie begleiten den Kanzler zu Terminen, leiten seine Pressekonferenzen und stellen sich den Fragen der Hauptstadtpresse.

Merz wählte Kornelius für das Amt. Kein Wunder: Der Journalist ist bestens mit der Bundespolitik vertraut. Er arbeitet seit Jahrzehnten für die "Süddeutsche Zeitung" und leitete dort seit 2021 das Politikressort. Zuvor war er seit dem Jahr 2000 für die Außenpolitik verantwortlich. Außerdem ist er Mitglied der Atlantik-Brücke, wo Merz bis 2019 zehn Jahre lang Vorsitzender war. Kornelius war auch Mitbegründer der Fachzeitschrift "Medium Magazin".

Zwei unterschiedliche Aufgaben

Doch mit dem Rollenwechsel verändert sich auch die Verantwortung. Künftig ist es nicht mehr Kornelius' Aufgabe, die Bundesregierung kritisch zu begleiten - sondern ihre Politik zu verteidigen. Es ist wichtig, diesen Wechsel zu thematisieren, denn Journalistinnen und Journalisten haben einen Ruf zu verlieren. Als vierte Gewalt im Staat sind sie dazu da, Macht zu kontrollieren, Missstände aufzudecken und Regierungshandeln zu hinterfragen - nicht zu vertreten.

Das betonte auch Steffen Hebestreit, der scheidende Regierungssprecher: "Das sind zwei unterschiedliche Berufe. Wenn man Regierungssprecher ist, dann ist man nicht mehr Journalist, dann ist man Regierungssprecher." Zwar könne ein journalistischer Hintergrund helfen, die Dynamiken und Anforderungen des Jobs besser zu verstehen - doch es blieben sehr unterschiedliche Aufgaben.

Lena Köpsell Copyright: epd-bild/Christian Ditsch Darstellung: Autorenbox Text: Lena Köpsell ist Korrespondentin im epd-Bundesbüro in Berlin.



Zuerst veröffentlicht 03.05.2025 09:40 Letzte Änderung: 03.05.2025 10:06

Lena Köpsell

Schlagworte: Medien, Bundesregierung, Kornelius, Hebestreit, Regierungssprecher, kps, NEU

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