Er redet wieder drauflos - epd medien

04.05.2025 09:09

Er ist wieder da - und redet auch wieder viel. Die ARD hat den früheren Star-Youtuber Fynn Kliemann getroffen, der 2022 über eine Corona-Masken-Affäre stolperte. Das Ergebnis ist für öffentlich-rechtlichen Anspruch zu dünn, urteilt Christian Bartels.

ARD-Dokumentation über Fynn Kliemann

Fynn Kliemann

epd Es soll "nicht so 'ne emotionale Tränendrüsen-Familiengeschichte à la RTLzwei" werden, sagt der Youtuber, Influencer und Popsänger Fynn Kliemann am Anfang der einstündigen ARD-Doku zu den Menschen hinter der Kamera. Da schwimmt er mit seiner Mutter Antje in einem einsamen norddeutschen See. Das Filmteam kommt ihm also sehr nahe. Es folgt ihm später auch, wenn er auf Friedhöfe fährt und dort Katzen streichelt, begleitet ihn auf Promotour für sein neues Musikalbum und fährt zur Eröffnung seiner neuen Kunstausstellung.

Der für die Mediathek produzierte Film setzt als halbwegs bekannt voraus, was Kliemann 2022 widerfuhr und was er zuvor getan hat: Bekannt wurde er als heimwerkender Youtuber, bald heuerte ihn das öffentlich-rechtliche Jugendangebot Funk an. Im Mai 2022 präsentierte dann ZDF-Entertainer Jan Böhmermann in seiner Show die Enthüllung, dass Corona-Masken, die Kliemann 2020 als fair und europäisch vermarktet hatte, tatsächlich in Bangladesch produziert worden waren. Das stürzte Kliemann und auch sein "Kliemannsland"-Projekt um einen umgebauten Reiterhof in eine Krise.

Ich sehne mich danach, irgendwie wieder gehört zu werden.

Vom "Alles bricht gerade zusammen"-Gefühl, von Herzrasen im Bett, "Panikattacken" und der "schwierigsten Zeit meines Lebens" spricht Kliemann nun unter anderem. "Was hat das mit Dir gemacht, Fynn?" wäre auch ein passender Titel für die ARD-Produktion gewesen. Kliemann redet darin stets viel und frei. Ein bezeichnender Satz ist: "Ich sehne mich danach, irgendwie wieder gehört zu werden, das ist bei Musik und Kunst ja voll wichtig."

Zu den Gesprächspartnern zählen prominente Gesichter wie Fernsehkoch Tim Mälzer, der ins "Kliemannsland" investiert hatte, die Podcasterin Jule Lobo und ihr Mann Sascha, Youtuber wie LeFloid und Zeo sowie der Rechtsanwalt Christian Solmecke. Ihre Sätze umschreiben in blumigen Worten Aufstieg und Fall Kliemanns. Er war "der Mann, der uns alle gerettet hat", übertreibt Zeo. Er war als Influencer "ein Gegenbeispiel zu dieser maximalen Vermarktung, dem eigenen Ausverkauf", den Influencer sonst betreiben, sagt der relativ geerdete Youtuber Alexander Prinz alias "Der Dunkle Parabelritter". Das Lob dient dazu, im Rückblick die Fallhöhe vom "Podest, das ich mir selber gebaut hab" (Kliemann) zu erhöhen.

Das Verhältnis zu all den Medien

Streng juristisch sei wenig passiert, sagt Anwalt Solmecke. Die Staatsanwaltschaft konnte nichts nachweisen und stellte ihr Verfahren gegen 20.000 Euro Spende an gemeinnützige Organisationen ein. Böhmermann und seine ZDF-Redaktion wollten sich nicht äußern. Kliemann hat sich 2025 aufgerappelt, singt wieder und startet sein Comeback. Selbstkritik, die er 2022 noch vermissen ließ, äußert er nun auch wortreich: Der "Fehler liegt komplett bei mir", nämlich dass er "superviel gelabert" habe. Wobei Sätze wie "total unsympathisch, was ich gesagt habe" Zweifel aufkommen lassen können, ob die Selbstkritik nicht bloß der damaligen Selbstdarstellung gilt.

Da kämpft offenbar jemand, der vor allem durch und mit sozialen Medien groß (und dadurch auch für klassischere Medien interessant) geworden ist und dann mit noch mehr Medienecho abstürzte, um sein Verhältnis zu all den Medien. War er von den Echtzeit-Plattformen zu sehr getriggert - und ist es noch? Der Eindruck mag in den wenigen Szenen mit Kliemanns Mutter und seiner Freundin Franzi, die Fynns Internet-Aktivitäten für ein "Ego-Ding" hält, aufkommen. Nach dem Absturz habe Kliemann "aus 'nem Reflex sein Handy gezückt und drauflos geredet", formuliert es Zeo, womit er dem Kern des Problems vielleicht am nächsten kommt. Nun redet Kliemann wieder drauflos, freilich recht entspannt und besonnen.

Lobos Binse

Der Film arbeitet nicht heraus, ob der Fall Kliemann allgemeine Mechanismen offenlegt, die über seine Persönlichkeit hinausgehen. Dass er auf eine Off-Kommentar-Ebene verzichtet, muss keineswegs schaden, doch zumindest ein distanzierter Blickwinkel hätte gut getan. Sascha Lobo steuert bloß eine Binse bei. Und selbst die zum fünften Jahrestag gerade in vielen Medien gelaufene Aufarbeitung von Besonderheiten der Corona-Jahre, die inhaltlich naheläge, geht über Jule Lobos Bemerkung, dass "Corona-Maske" vor wenigen Jahren ja "ein superemotionaler Begriff" gewesen sei, nicht hinaus.

Für alle, die Fans von Fynn Kliemann sind, nicht mehr sind oder auch werden wollen, ist das hübsch. Für alle übrigen und für öffentlich-rechtlichen Anspruch ist es dünn. RTLzwei, das nicht immer so schlecht ist, wie es in flapsigen Zuspitzungen gemacht wird, hätte solch einen Film mit einem sympathischen, jungen und bereits wieder leidlich erfolgreichen Protagonisten - das neue Album stieg schnell auf Platz 1 der Charts - vielleicht etwas flotter gestaltet.

infobox: "Fynn Kliemann - Ich hoffe, ihr vermisst mich", Dokumentation, Regie und Buch: Mariska Lief, Kamera: Benjamin Kahlmeyer (ARD-Mediathek/HR/BR/MDR/RBB/ARD Kultur, seit 17.4.25)



Zuerst veröffentlicht 04.05.2025 11:09

Christian Bartels

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), Fynn Kliemann, KARD, Mariska Lief, Bartels

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