In Hitlers Bunker - epd medien

08.05.2025 07:05

Die ZDF-Dokumentation "Hitlers letzte Tage. Das Ende im Bunker" zeigt eine digitale Rekonstruktion des Führerbunkers, in dem Adolf Hitler seine letzten Wochen verbrachte. Der Informationswert dieser Nachinszenierungen ist allerdings begrenzt.

ZDF-Dokumentation rekonstruiert den Führerbunker

Nach Kriegsende im Mai 1945 besichtigten amerikanische Soldaten den Bunker der ehemaligen Reichskanzlei in Berlin

epd Kaum ein Aspekt der Nazi-Historie wurde medial so oft aufgegriffen wie die letzten Tage des Diktators im "Führerbunker". Allein die filmischen Annäherungen an dieses unrühmliche Ende der Nazi-Herrschaft wären ein Thema für eine eigene Dokumentation. Nun greift Jörg Müllner, bekannt durch zahlreiche Filme über Hitler und den Nationalsozialismus, die Geschichte um den Bunker noch einmal auf. Sein 45-minütiger Beitrag aus der Reihe "Terra X History" wurde im Hinblick auf 80 Jahre Kriegsende am achten Mai realisiert.

Wie nicht anders zu erwarten, kommen in der Dokumentation neben Historikern auch Zeitzeugen zu Wort. Da Hitlers Sekretärin Traudl Junge bereits 2002 verstarb, greift Müllner unter anderem auf gefilmte Interviews zurück, die Michael Musmanno, ein amerikanischer Richter, der bei einem der Nürnberger Nachfolgeprozesse tätig war, 1948 auf eigene Kosten und als Privatperson geführt hatte. Dass diese dokumentierten Gespräche lange Zeit als verschollen galten und erst ab den 2000er Jahren wieder zugänglich gemacht wurden, hätte die Dokumentation erwähnen können. Zitiert wurden sie bereits 2013 in der Reportage "Zeugen des Untergangs - Die verschollenen Interviews" von Spiegel TV.

Morbide Faszination

Belegen sollten diese gefilmten Unterredungen mit Augenzeugen, dass Hitler tatsächlich im Bunker starb - und nicht etwa, wie viele Unbelehrbare fabulierten, sich über einen Tunnel zum Flughafen Tempelhof und von dort nach Argentinien abgesetzt habe. Die Hartnäckigkeit solcher Verschwörungsmythen führt jedoch vor Augen, welche Gemengelage aus Neugier, Faszination und Verblendung mit dem Thema des Führerbunkers und den letzten Tagen im Leben Hitlers verbunden sind.

Obwohl die Dokumentation diese Zeitspanne seriös rekonstruiert, bedient ihr zuweilen reißerischer Tonfall diese morbide Faszination. Konkreter noch als frühere Filme überführt Müllner das Grauen in eine illustrative Abbildlogik. "Eine digitale Rekonstruktion", so der Off-Kommentar, "zeigt den unterirdischen Schauplatz des Dramas realistisch und detailgenau". In der Tat. Im Gegensatz zu den noch recht grob anmutenden Animationen im ZDF-Mehrteiler "Das Ende im Bunker" von 2020 schwebt die virtuelle Kamera nun elegant durch eine Simulation des Führerbunkers, der wie die Kulisse eines fotorealistischen Videospiels anmutet.

Der Führer als bleiches Gespenst

Hitler und Eva Braun wurden aber nicht als bewegliche oder gar sprechende Figuren animiert. Möglich wäre so etwas längst - wie die ZDF-Dokumentation "Deepfake Diaries" vor Augen führt, in der unter anderem Rudi Dutschke als Avatar zum Leben erweckt wird. Bewegte Bilder gibt es in dieser digitalen Rekonstruktion des Bunkers allerdings schon. Das Pendel von Adolf Hitlers Standuhr schwingt hin und her. Nur Hitler selbst, der einmal auf einem Stuhl sitzt und versonnen das an der Wand hängende Porträt von Friedrich dem Großen betrachtet, erscheint statuarisch wie ein einkopiertes Negativ. Durch die Gestaltung des Diktators als bleiches Gespenst bewahrt der Film einen Verfremdungseffekt. Andernfalls wäre das digitale Reenactment wohl zu einem Hitler-Porno geworden.

Der Informationswert dieser computergestützten Nachinszenierungen hält sich in Grenzen. Sie implizieren eine Widersprüchlichkeit: Während Musmannos Interviews herangezogen werden, um noch einmal zu beweisen, dass Hitler tatsächlich im Führerbunker starb, was Stalin zunächst nicht glauben wollte, wird er durch die digitale Rekonstruktion gefühlt doch wieder zum Leben erweckt.

Dass das Thema inzwischen zur "Folklore" geworden ist, zeigt der Seitenblick auf den satirischen Cartoon "Ich hock in meinem Bonker" von 2006, in dem Walter Moers den Massenmörder im Führerbunker als "kleine Nazisau" veralberte. Für den Kabarettisten Thomas Pigor, der dazu die Musik beisteuerte, ist dies legitim. Die Generation der 1968er habe die Reflexion über den Holocaust so sehr verinnerlicht, dass sie sich erlauben könne, "humoristisch über Hitler zu sprechen".

Die einzigen bekannten Aufnahmen

Die niedlichen Bilder des Hitler-Comics bilden einen harten Kontrast zu den gespenstischen Filmaufnahmen aus dem Inneren des Führerbunkers. Zu sehen waren diese Szenen bereits 2020 in einem ZDF-Mehrteiler von Michael Kloft, in dem es hieß: "Wahrscheinlich durfte nur ein einziges Mal ein Kameramann die Bunkeranlagen Adolf Hitlers auf dem Gelände der Berliner Reichskanzlei filmen." Müllner kommentiert dieselben Bilder so: Der Ostberliner Kameramann Manfred Köhler soll 1988 diese "einzigen bekannten Filmaufnahmen aus dem sogenannten Führerbunker" gedreht haben.

Darauf zu sehen sind, so kommentiert der Führerbunker-Experte Sven Felix Kellerhoff, "die Doppelstockbetten der sechs Goebbels-Kinder". Das sei natürlich "ein ziemlich grausiges Bild, wenn man sich vorstellt, dass die sechs Kinder in diesen Betten von ihrer Mutter und einem Arzt vergiftet worden sind".

Über die Geschichte dieser Aufnahmen hätte man gerne mehr gewusst. Leider werden diese filmischen Dokumente nur recht vage eingeordnet. Neben dem Cartoon von Walter Moers und der digitalen Simulation fügen sich die mutmaßlich authentischen Blicke in den Bunker zu einem illustrativen Histotainment-Bilderteppich. So lässt einen der streckenweise interessante, allerdings auch heterogen anmutende Film mit einer gewissen Ratlosigkeit zurück.

infobox: "Terra X History: Hitlers letzte Tage. Das Ende im Bunker", Dokumentation, Regie und Buch: Jörg Müllner, Kamera: Axel Schneppat, Produktion: History Media, (ZDF-Mediathek, seit 30.4.25, ZDF, 4.5.25, 23.40-0.25 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 08.05.2025 09:05

Manfred Riepe

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Geschichte, Terra X, History, Dokumentation, Müllner, Riepe

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