Gegen das weibliche Rollenbild - epd medien

10.05.2025 08:29

Auch bei den sogenannten Bauernkriegen waren Frauen unter den Aufständischen. Die ARD-Dokumentation "Die Frauen des Bauernkriegs" erzählt die Geschichten von vier Frauen, die gegen Unterdrückung und das weibliche Rollenbild aufbegehrten.

ARD-Dokumentation "Die Frauen des Bauernkriegs"

Nachgespielte Szene, in der Katharina Kreutter (Gabriela Bruckner) mit anderen Frauen eine Kirche in Mühlhausen stürmt

epd 500 Jahre ist es her, dass die Bauern den Aufstand wagten: in Thüringen und dem Elsass, in Tirol und in Franken, im Allgäu, im Breisgau und vielen anderen Regionen des Kaiserreichs unter Karl V. Überall rumorte es, nicht nur Bauern, auch Bergleute und Stadtbürger begehrten auf gegen Ausbeutung durch die adlige und kirchliche Obrigkeit, gegen die Ständegesellschaft. Die hier und da aufflammenden Aufstände breiteten sich wie ein Flächenbrand aus, binnen weniger Wochen war das ganze Land im Aufruhr.

Es waren aber nicht nur die Männer, die sich auflehnten. Die aufwendig produzierte Dokumentation "Die Frauen des Bauernkriegs" geht der Rolle der Frauen in jener Zeit nach. Auch wenn nur wenige von ihnen namentlich bekannt sind, gilt als sicher: Ohne die Beteiligung der Frauen wäre der "Aufstand des kleinen Mannes" kaum möglich gewesen.

Grafische Animationen

Vier Frauen werden in der Dokumentation genauer vorgestellt: Magdalena Gaismair aus Südtirol, Margarete Renner aus Böckingen, Else Schmid aus Oberschwaben, Katharina Kreutter aus dem thüringischen Mühlhausen. Gleichwohl ist das historisch überlieferte Material zu diesen vier Frauen übersichtlich, nur wenige Dokumente zeugen von ihrem Wirken. Das entspricht dem damaligen Geschlechterrollenverständnis, denn Frauen galten vor allem als den Männern Dienende, nicht als selbständig Denkende und Handelnde. Männer waren die hauptsächlichen Akteure in der damaligen Geschichtsschreibung.

Im Film werden die wenigen überlieferten Erkenntnisse über die vier Frauen von sieben Historikerinnen und Historikern vorgestellt, eingeordnet und interpretiert. Schauspielerinnen geben den vier Frauen in Spielszenen ein Gesicht. Bei der filmischen Bearbeitung von Stoffen, die so lange zurückliegen, sind die Visualisierungsmöglichkeiten zwangsläufig übersichtlich. Hier entschied man sich für eine Mischung aus fiktionalen Reenactment-Szenen, grafischen Animationen, Aufnahmen der historischen Orte und Landschaften sowie den Aussagen der Expertinnen und Experten.

Als weiteres stilistisches Mittel wird ein Schachbrett eingesetzt, auf dem die Zinnfiguren agieren: Bauern gegen Könige. Das Konzept überzeugt in der Umsetzung durchaus, vor allem, weil das Reenactment mit den Schauspielerinnen nicht darauf zielt, Authentizität zu simulieren - immer bleibt die theatrale Ebene erkennbar. Sie hilft aber, den Frauen ein Gesicht, eine Persönlichkeit zu geben und sie damit aus der eher abstrakt-historischen Betrachtung herauszuheben. Die sehr gelungenen Animationen, die trotz ihres Comic-Stils auch entfernt an zeitgenössische Holzschnitte erinnern, schaffen auf ihre Weise eine Brücke von Damals zum Heute.

Anfänge der Bundschuh-Bewegung

Die Verkörperung der Frauen durch Schauspielerinnen hat für die Zuschauer freilich noch einen weiteren praktischen Effekt: Denn sie hilft bei der Orientierung in einer manchmal mäandernden Dramaturgie. Die Chronologie der Ereignisse ist der roten Faden, das hat zur Folge, dass die zahlreichen Schauplätze und mit ihnen die Protagonisten permanent wechseln.

Die Erzählung führt also von den frühen Anfängen der Bundschuh-Bewegung Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts um deren Anführer Joß Fritz und seine Frau Else Schmid über Luthers Reformationsschrift "Die Freiheit eines Christenmenschen" von 1520 über Mühlhausen, wo sich auch die 55-jährige Gerbersfrau Katharina Kreutter für die Idee der Reformation begeistern lässt, bis in schwäbische Böckingen, das sich zu einer der Keimzellen der Revolution entwickelt: Hier wird Margarethe Renner bekannt, auch "Schwarze Hofmännin" genannt, die von der Obrigkeit schnell als gewalttätige, blutrünstige Frau diffamiert wird und die eine wichtige Rolle im "Neckartaler Haufen" um Jäcklein Rohrbach spielt.

Leben von Freien und Gerechten in Gottgefälligkeit.

Auf Renner verweisen mehrere Quellen, sie ist wohl die bekannteste der vier Frauen. Jahrhunderte später stellt Käthe Kollwitz sie in der Druckgrafik "Losbruch" als Anführerin des Sturms auf Weinsberg dar. In Südtirol stellt sich wiederum Magdalena Gaismair mit ihrem Mann Michael auf die Seite der aufständischen Bauern.

So vollzieht die Dokumentation die "Bauernkriege" von den Anfängen bis zu ihrer überaus blutigen Niederschlagung nach und arbeitet dabei sehr genau auch die Forderungen und Ziele der Aufständischen hinaus. Denn bei den Bauernkriegen ging es um weit mehr als nur ökonomische Faktoren wie die hohen Abgabelasten, Zehnt und Zins. Es ging auch um die freie Nutzung des "von Gott Gegebenen", also Wasser, Wald und Boden, um Fisch- und Jagdrechte und um die freie Ausübung der Religion, unabhängig vom reichen Klerus. Es ging um nicht weniger als christliche Grundrechte, um ein "Leben von Freien und Gerechten in Gottgefälligkeit".

Fesselndes Geschichtsfernsehen

In diesem Zusammenhang wird auch die herausragende Bedeutung der "12 Artikel von Memmingen" als Manifest und zentrales Dokument des Bauernkriegs herausgearbeitet. Für den Anspruch, über ihren Glauben selbst bestimmen zu wollen, stand vor allem Katharina Kreutter leidenschaftlich ein, die sich neu taufen ließ, um sich zum "wahren Glauben" zu bekennen. Wie Margarethe Renner durchbrach auch sie radikal das damalige weibliche Rollenbild durch ihr Aufbegehren, läutete sogar die Sturmglocke.

Dieser starke religiöse Aspekt fiel freilich in der simplifizierten Geschichtsschreibung der DDR weitgehend unter den Tisch, ebenso wie der feministische Aspekt. Sie erhob die Bauernkriege quasi zum Gründungsmythos des neuen sozialistischen Staates, unter anderem mit einem Monumentalfilm (1954) und dem monumentalen Panorama-Gemälde von Werner Tübke auf dem Schlachtberg bei Bad Frankenhausen. Im Mittelpunkt dieses Gründungsmythos stand Thomas Müntzer als eine Art früher Revolutionär. Auch dieses Kapitel wird in der Dokumentation nicht ausgespart und auf sehr differenzierte Weise behandelt.

Auch wenn die Quellenlage zu den Biografien der vier Frauen dünn ist, bietet die Dokumentation einen umfänglichen Abriss der Ereignisse, würdigt sie als die größte Erhebung vor der Französischen Revolution und verdeutlicht, welche nicht zu unterschätzende Rolle die Frauen dabei spielten. Ein ebenso tiefgründiges wie fesselndes Stück Geschichtsfernsehen.

infobox: "Die Frauen des Bauernkriegs", Dokumentation, Regie: Martin Betz, Buch: Saskia Geisler, Kamera: Dominik Spritzendorfer, Marcus Zahn, Produktion: Pre TV / Yellow Table Media (ARD-Mediathek/MDR/SWR/Arte/ORF, seit 10.5.25, Arte 10.5.25, 20.15-21.45 Uhr, MDR, 18.5.25, 22.00-23.30 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 10.05.2025 10:29

Ulrike Steglich

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KMDR, KSWR, KArte, KORF, Dokumentation, Betz, Geisler, Steglich

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