Im Wartesaal des Zwischenreichs - epd medien

13.05.2025 07:20

So ein Friedhof kann ein gefährlicher Arbeitsplatz sein: Als der Leiter des Friedhofs Donnersbach in der Amazon-Serie "Drunter & Drüber" von einer Engelstatue erschlagen wird, macht sich sein Vize Hoffnungen auf einen Aufstieg. Aber er bekommt vom Stadtamt eine Chefin vor die Nase gesetzt.

Serie "Drunter & Drüber" mit Nicholas Ofczarek und Julia Jentsch

Ursula Fink (Julia Jentsch) wird Heli Wondratschek (Nicholas Ofczarek) als Chefin vor die Nase gesetzt

epd Den Wienern wird bekanntlich eine besondere Beziehung zum Morbiden nachgesagt. Man könnte auch von einer besonders ausgeprägten Jenseitskultur sprechen. Der sprichwörtliche schwarze Humor verhindert Rührseligkeit. In der achtteiligen Serie "Drunter und Drüber - Chaos auf dem Friedhof" treffen sich die ortstypischen Stereotype mit Comedy und Situationskomik.

"Drunter & Drüber" spielt großenteils auf einem Wiener Friedhof mit Panoramablick über die Stadt, gedreht wurde auf dem Friedhof Hernals. Hier stehen die Grabsteine dicht an dicht, hier könnten die Bewohner von erhöhter Warte auf das Treiben der Lebenden herunterschauen, wenn sie nicht tot wären. Tatsächlich kommentieren sie das Treiben von unten, denn die Grabsteine funktionieren wie Kamera-Gucklöcher für diejenigen, die hier angekommen sind.

Zeit spielt keine Rolle

Ein Neuzugang fragt, wie lange man sich hier aufhalte. Stoßseufzer einer alten Dame: "Das dauert ewig." Das Drehbuch von Judith Westermann basiert auf der Idee, dass die Toten im Wartesaal dieses Zwischenreichs weiter nichts zu tun haben. Zeit spielt keine Rolle, zur Zerstreuung sehen die Gelangweilten im Fernsehen unablässig die Fernseh-Soap "Die Drüber", zu Beginn läuft Folge 739.431.

In der Soap wird das Leben der Menschen "drüber" gezeigt, es geht zum Beispiel um eine jung verstorbene "Furry"-Frau. Furrys sind Menschen die sich in flauschige lebensgroße Tierkostüme kleiden - in Österreich taucht dieses Motiv häufiger in Serien auf. Leider brennt solches Polyesterfell im Krematoriumsofen nicht wie gewöhnlich, und überhaupt geht alles schief, was sich eine morbide Phantasie ausdenken kann.

Renitente Mannschaft

Katastrophen diverser Art machen den Friedhof zum Arbeitsplatz höchster Gefahrenstufe. Erst erwischt es den Chef, er wird erschlagen von einer betenden Engelsstatue.

Die Mannschaft ist renitent, von der Grabschmuck-Floristin und Trauerrednerin Kornelia (Ulrike C. Tscharre) und ihrer Hilfskraft, Tochter Selbi (Ella Lee), über Steinmetz und Ehemann Werner (Harald Windisch) bis zur Kremierungsfachfrau Adriana (Sarah Viktoria Frick), der die Bestatterin Illy (Susanne Wuest) Avancen macht. Einige wirken auch unterbelichtet wie die Totengräber Fred und Daniel (Gerhard Greiner und Nikolai Baar-Baarenfels). Die Geigerin Olga (Johanna Orsini) wiederum verschwendet ihre künstlerischen Talente an diesem Ort.

Die Situation eskaliert, als der stellvertretende Friedhofschef und Kontrollfreak Heli Wondratschek (Nicholas Ofczarek) sich Hoffnungen auf den Chefposten macht. Bald kommt die echte neue Chefin, Ursula Fink (Julia Jentsch), mit dem E-Roller auf dem Friedhof angebraust. Wegen brandgefährlicher Unfähigkeit aus dem Stadtamt strafversetzt, vergrößert sie die Unordnung. Vor allem aber verschweigt sie, dass der Friedhof geschlossen werden soll.

Schlagabtausch zwischen Jentsch und Ofczarek

Der Friedhof Donnersbach ist das Leben aller Beteiligten. Nach und nach enthüllt die Serie, die anfangs schwer nach Totalklamauk aussieht, tiefere Schichten und wird bei allem Willen zum Gag anrührender. Jede Person hier hat ihre besonderen Gründe, sich mehr unter den Toten als den Lebenden aufzuhalten. Insbesondere betrifft das Wondratschek, der sich erst wie ein Kollegenschwein benimmt, bis die anderen streiken. Sein komisch-slapstickartiger Alleingang schafft dann mehr Probleme, als er löst.

Am Ende gelingt es der Friedhofstruppe als Team, mit ausgemachter Pfiffigkeit die Schließung abzuwenden. Nicht alles ist hier komisch, aber vor allem der Schlagabtausch zwischen Jentsch und Ofczarek, die zusammen auch im Ausnahmekrimi "Der Pass" zu sehen waren, ist vergnüglich.

Das Drehbuch hat hier und da Längen, die die Regie von Christopher Schier (auch er Teil des "Der Pass"-Teams) meist erfolgreich strafft. Wer die Wandelbarkeit von Schauspielern und ihre Kunst, vom ernsten ins eher alberne Fach zu springen, beobachten will, hat hier dazu Gelegenheit. Doch weniger Dialogchaos wäre mehr gewesen - und vier Folgen hätten auch gereicht.

infobox: "Drunter & Drüber - Chaos auf dem Friedhof", achtteilige Serie, Regie: Christopher Schier, Buch: Judith Westermann, Christopher Schier, Kamera: Andreas Berger, Produktion: Rundfilm (Amazon Prime Video, seit 9.5.25)



Zuerst veröffentlicht 13.05.2025 09:20

Heike Hupertz

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Streaming, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KPrime Video, Schier, Westermann, Hupertz, Serie

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