Rätselhafte Kommunikation - epd medien

27.05.2025 15:14

Das neue Reportage-Magazin "Klar" von NDR und BR will unliebsamen Themen und Meinungen Raum geben. Die erste Ausgabe mit dem Titel "Migration: Was falsch läuft" löste starke Kritik aus. Nun wurde der Termin für die zweite Folge verschoben, ohne dass dazu eine Pressemitteilung verschickt wurde. Eine Entscheidung, die René Martens nicht nachvollziehen kann.

Die ARD verschiebt heimlich die zweite "Klar"-Folge

Der NDR verantwortet "Klar" gemeinsam mit dem BR

epd Wenn die erste Folge eines neuen Formats außergewöhnlich viel mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht, kann man davon ausgehen, dass sich ein Teil davon auf die zweite Sendung überträgt. Entschließt sich ein Sender, aus welchen Gründen auch immer, diese zweite Folge nicht zum angekündigten Termin auszustrahlen, läge es für die zuständige Pressestelle also nahe, die Öffentlichkeit rechtzeitig darüber zu informieren.

Im Fall des neuen Reportage-Magazinformats "Klar" hat sich der NDR, der die Sendung gemeinsam mit dem BR produziert, anders entschieden. Die zweite Folge des Formats zu Streitfragen, die "in der Mitte der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden" (NDR), war für den 21. Mai angekündigt. Erst nachdem Journalisten nachgefragt hatten, warum "Klar" an jenem Tag weder in die ARD-Mediathek gestellt noch linear im NDR-Fernsehen ausgestrahlt worden war, teilte der Sender mit, dass das Format "als Pilot nach wie vor auf drei Folgen angelegt" sei und die zweite Ausgabe am 11. Juni laufen werde. Für diesen Tag war ursprünglich die dritte Folge vorgesehen.

Massive Kritik

Die Entscheidung, sich nicht proaktiv zu äußern, gibt auch deshalb Rätsel auf, weil der NDR hätte ahnen können, dass eine Nichtausstrahlung zum geplanten Termin Spekulationen zur Zukunft des Formats befeuert. Die am 9. April unter dem Titel "Migration: Was falsch läuft" ausgestrahlte erste Folge mit Moderatorin Julia Ruhs löste wegen ihrer tendenziösen Machart nicht nur unter Medienjournalistinnen und Migrationsfachleuten massive Kritik aus. Jessica Leutert zum Beispiel, Mitglied des NDR-Rundfunkrats, wies auf mehreren Plattformen darauf hin, dass der Programmausschuss des Gremiums in seiner Sitzung am 6. Mai "scharfe Kritik" an "Klar" formuliert habe.

Ungewöhnlich waren auch harsche Reaktionen im NDR. Der Moderator einer NDR-Nachrichtensendung schrieb auf der Social-Media-Plattform Threads: "Ich distanziere mich als freier Mitarbeiter des NDR von dieser Produktion." Sogar ein unmittelbar Beteiligter meldete sich, ebenfalls bei Threads, zu Wort: "Es ist mir wirklich unangenehm, das sagen zu müssen, aber ich war als frei mitarbeitender Videoeditor an diesem Film beteiligt. Es war mit Abstand die schlimmste Produktion, an der ich jemals mitgearbeitet habe."

Auf der Seite der Verteidiger der ersten Folge exponierte sich die "Berliner Zeitung", die allerdings schon lange nicht mehr im Verdacht steht, seriösen Journalismus zu betreiben. Seit der Ausstrahlung der ersten Folge warfen sich gleich drei Autorinnen für "Klar" in die Bresche.

Zweifel an der Kommunikationsstrategie

Der Umgang mit der Verschiebung der zweiten Folge weckt wieder einmal Zweifel an der kommunikationsstrategischen Grundausrichtung der ARD. Zum Jahreswechsel hatte sich der Senderverbund auf offizieller Ebene praktisch gar nicht an der breiten Debatte über die Berufung Thilo Mischkes zum Moderator des Kulturmagazins "ttt" beteiligt. Zuletzt rechtfertigte man floskelhaft die Ausstrahlung eines rassistischen Sketches mit Dieter Hallervorden in der "großen Jubiläumsshow" der ARD.

Die Verschiebung der zweiten "Klar"-Folge begründete der NDR auf epd-Anfrage unter anderem damit, dass sich die Redaktion für das Pilotprojekt aus "Mitarbeitenden zusammensetzt, die zusätzlich andere Aufgaben im NDR und BR wahrnehmen". Dass die für die Sendung verantwortlichen ARD-Schwergewichte Thomas Berbner (NDR) und Andreas Bachmann (BR) nicht unterbeschäftigt sind, wusste man aber vor dem Start des Projekts. Bachmann etwa leitet die Redaktion der täglichen Nachrichtensendung "BR24" (früher: "Rundschau") im BR-Fernsehen.

Indirekter Vorwurf

Was der NDR außerdem als Begründung anführt: "Der Aufwand z.B. für die Presseanfragen nach Veröffentlichung der ersten Folge, in die die Redaktion eingebunden war, hat mehr Zeit in Anspruch genommen als geplant." Da klingt mindestens zwischen den Zeilen der Vorwurf an, die Medien trügen eine Mitschuld daran, dass vielbeschäftigte Menschen in ihrem kreativen Drang ausgebremst wurden und sich stattdessen mit so lästigem Kram wie Presseanfragen beschäftigen mussten.

Einen Ausstrahlungstermin für die dritte Folge von "Klar" nannte der NDR bisher nicht. Zwei für die Zukunft des Formats möglicherweise maßgebliche Termine stehen aber fest: Am 17. Juni tagt der Programmausschuss des Rundfunkrats, der bei seiner jüngsten Sitzung noch zu keiner abschließenden Bewertung der ersten Sendung gelangt war. Zehn Tage später befasst sich dann vermutlich der Rundfunkrat mit "Klar".

René Martens Copyright: Foto: privat Darstellung: Autorenbox Text: René Martens ist freier Journalist und Autor von epd medien.



Zuerst veröffentlicht 27.05.2025 10:43 Letzte Änderung: 27.05.2025 17:14

René Martens

Schlagworte: Medien, ARD, Klar, Martens, rem, BR, NDR, NEU

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