28.05.2025 08:07
Journalismus in den Sahel-Ländern
Dakar (epd). Geldstrafen, Festnahmen und im schlimmsten Fall die Front: Seit den Militärputschen in Mali, Burkina Faso und Niger arbeiten Journalistinnen und Journalisten dort unter ständiger Gefahr. "Sie wissen, dass sie überwacht werden und fühlen sich nicht mehr frei, offen über die politische Lage und das Leben in der Region zu berichten", sagt Ousmane Diallo von Amnesty International. "Ständige Angriffe haben ein Klima der Angst geschaffen, weswegen wir eine starke Selbstzensur beobachten."
Besonders drastisch trifft es Medienschaffende in Burkina Faso: Wer zu kritisch berichtet, riskiert dort die Zwangsrekrutierung. Erst Anfang April tauchte ein Video der Journalisten Guézouma Sanogo, Boukari Ouoba sowie Luc Pagbelguem in Militäruniform auf. Die Vorsitzenden des burkinischen Journalistenverbandes und der Reporter des Privatsenders BF1 waren wenige Tage zuvor wegen ihrer Kritik an der mangelnden Pressefreiheit vom Geheimdienst verschleppt worden. Das Video ist das erste Lebenszeichen. "Wir sind unter besonderen Umständen hierhergekommen, aber wir wissen es zu schätzen, weil man besser berichten kann", hört man Ouoba in der Aufnahme sagen.
Aufgrund eines Dekrets von 2023 können in Burkina Faso Menschen willkürlich zum Militärdienst eingezogen werden. "Seither ist zu beobachten, dass vor allem kritische Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Gewerkschafter an die Front geschickt werden", sagt der Amnesty-Experte Diallo.
Das westafrikanische Land kämpft seit gut zehn Jahren gegen islamistische Gruppen, die immer größere Teile des Staatsgebietes unter ihre Kontrolle bringen. Eine Tendenz, die auch in Mali und Niger zu beobachten ist - und den Militärs in allen drei Ländern als Rechtfertigung diente, sich an die Macht zu putschen. Der Kampf gegen die dschihadistische Bedrohung gilt als patriotisch. Regierungskritische Berichterstattung dagegen nicht.
Stattdessen bauen die drei Länder ihre eigene mediale Infrastruktur auf: Die Allianz der Sahel-Staaten (AES) kündigte jüngst an, einen gemeinsamen Radiosender zu gründen. Offiziell soll dieser der "Stärkung der regionalen Informationssouveränität" dienen und gegen Desinformation vorgehen. Doch Kritiker sehen darin den nächsten Schritt zur Gleichschaltung der Berichterstattung.
Neben dem Druck, unter dem lokale Medien stehen, erhalten zudem auch ausländische Berichterstatter immer weniger Zugang. Medien der früheren Kolonialmacht Frankreich sind in den drei Ländern zeitweise oder komplett verboten worden, aber auch andere wie die britische BBC wurden wegen ihrer Berichterstattung vorübergehend gesperrt. Für die Nachrichten, die aus der Region kommen, bedeutet das immer weniger Vielfalt, bei immer mehr Kontrolle.
Auch Ibra beobachtet die Entwicklungen in der Sahelzone mit Sorge. Der Fotograf hat bereits vor fünf Jahren sein Heimatland Niger verlassen und lebt jetzt im Senegal. Seinen vollen Namen will er lieber nicht gedruckt sehen. "Irgendwann möchte ich ja auch wieder zurück", sagt er. Ursprünglich sei er der Liebe wegen aus Niamey weggezogen. Aber mit Blick auf die wirtschaftliche und politische Lage im Niger sei es die richtige Entscheidung gewesen.
Grundsätzlich sympathisiert Ibra mit den Ideen der Putschregierungen: mehr Sicherheit und Stabilität, der Kampf gegen den Islamismus und die Loslösung von Frankreich. "Der Westen hat bei uns viel zu lange gemacht, was er wollte", sagt er. Dass Malis Staatschef Assimi Goita sich als "Retter der Nation" bezeichnet oder sein burkinischer Kollege Ibrahim Traoré sich als Volkspräsident in kugelsicherer Weste inszeniert, ist ihm allerdings zu viel. Trotz der Staatspropaganda sei bekannt, dass nicht alles astrein laufe, erzählt er frei heraus.
Laut dem Africa Center for Strategic Studies, das dem US-Verteidigungsministerium unterstellt ist, ist der Sahel das vierte Jahr in Folge die afrikanische Region mit den meisten Opfern dschihadistischer Gewalt. Schätzungsweise 67 Prozent aller von Islamisten getöteten Zivilisten entfallen auf die Region, vor allem auf Mali, Burkina Faso und Niger. Seit den Putschen hat sich die Sicherheitslage dort laut dem Rechercheinstitut weiter verschlechtert. Das tatsächliche Ausmaß sei jedoch sehr schwer zu ermitteln - auch wegen der systematischen Einschüchterung von Journalisten.
Zuerst veröffentlicht 28.05.2025 10:07
Schlagworte: Afrika, Sahel, Medien, Menschenrechte, KORR, hkr, Kreiensiek
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