Kann Kunst die Welt verändern? - epd medien

05.06.2025 11:10

Welche Rolle kann Kunst spielen, wenn es darum geht, auf die Klimakrise aufmerksam zu machen? Kann sie dazu beitragen, dass das Thema weniger verdrängt wird? Diese Fragen geht die Arte-Dokumentation "Klima Krise Kunst" mit Leonie Sontheimer nach.

Dokumentation "Klima Krise Kunst" mit Leonie Sontheimer

Mit seinem "Ice Watch Project" wies der Künstler Olafur Elíasson auf die Auswirkungen des Klimawandels hin

epd Stell dir vor, es ist Klimakrise und keiner schaut hin. Die Dokumentation "Klima Krise Kunst" beginnt mit einer Situationsbeschreibung: Besonders mit der Lebensweise des globalen Nordens zerstören wir unsere Lebensgrundlage, und es ist den meisten von uns anscheinend egal. Die wissenschaftlichen Fakten des Klimawandels liegen auf dem Tisch. Dass die Erderwärmung verlangsamt werden muss, darüber herrscht weitgehend Konsens. Notwendige Maßnahmen sind beschrieben - und trotzdem geschieht viel zu wenig. In der Politik scheinen Umwelt und Klima wieder Themen unter vielen zu sein. Wer kann etwas Wirksames tun, um unser Selbsterhaltungsgefühl zu aktivieren?

So beschreibt die Klima-Journalistin Leonie Sontheimer, die als Host durch diesen Film führt, die Lage. In diesem höchst interessanten Film von Mathias Frick ist die durchgehende Anwesenheit der Presenterin endlich einmal sinnvoll. Sontheimer ist hier als Kritikerin der Vermittlungspraxis der Klimakrise selbst Vermittlerin, beschreibt sich und ihre journalistische Arbeit als Teil des Problems und wird dadurch zugleich zu einem Teil der Lösung. Denn sie setzt den Fokus neu, geht zu Künstlern, justiert die Beleuchtungsbedingungen, hört zu und schaut hin. Diese Art der erhellenden Selbstreflexion, die gleichzeitig Aspekten der zeitgenössischen Kunst ihre angemessene Bühne gibt, sieht man im Dokumentarischen sonst selten.

Ein Film, der zum Schauen und Denken anregt.

"Klima Krise Kunst" ist nicht bloß ein sinnvoll arrangierter Bilderbogen künstlerischer Artefakte, Strömungen und Aktionen, sondern ein intelligenter Film, der zum Schauen und Denken anregt und dafür Raum gibt. Über den Umweg der Kunstanschauung funktioniert er unmittelbar sinnlich, greift vielleicht sogar emotional an. So, wie man sich beim Betrachten oder Erleben von Kunst persönlich verhalten muss, und sei es in Irritation, so wirkt auch dieser unbedingt zu empfehlende Film, der überdies die Gelegenheit bietet, mehr über Kunst, ihre Vermarktung und die Strukturen des Betriebs zu erfahren. Wird der Film etwas verändern? Wer weiß.

Sontheimer beschreibt die Lage, sie trifft sich mit Wissenschaftlern, Autoren und vielen verschiedenen Künstlern. Sie spricht mit ihnen über ihre Werke, sie führt Interviews, sie arbeitet Kunstgeschichte auf (zum Beispiel geht es um Land Art) und beleuchtet die Probleme der Vermittlung von Wissenschaft.

Die Kunst als Magd der Wissenschaft?

Die Psychologie der Verweigerung und Verdrängung der Klimakrise insbesondere der Menschen in Ländern, die (noch) nicht von Naturkatastrophen betroffen sind oder um ihre Heimat fürchten müssen, ist das Thema von Eva Horn, die als "Anthropozän"-Expertin vorgestellt wird und für die Diagnostik der globalkulturellen Situation zuständig ist. Horn ordnet diese Zusammenhänge gut ein.

Für die Wissenschaft spricht Johan Rockström vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung über neue Wege der Kommunikation: Man warne und warne, aber wir müssten lernen, uns als Teil des Planeten zu fühlen. Nun habe man die Kunst entdeckt. Wie allerdings verträgt sich solch eine Instrumentalisierung mit dem Freiheitsansinnen der Kunst? Als aktivistische Magd der Wissenschaft würde sich Kunst ad absurdum führen.

In den ersten Minuten des Films sieht man Aktionen der "Letzten Generation". Fassaden werden besprüht, Farbe auf ein Gemälde von Klimt geschüttet, Polizisten gehen mit Härte vor. Dann geht es darum, unter welchen Bedingungen Menschen Lebenseinschränkungen akzeptieren. Es geht um die Rolle der zeitgenössischen Kunst in der Klimakrise, um Künstler und Künstlerinnen, um den ökologischen Fußabdruck bei der Produktion von Kunst und um Kunst, die sich mit Klimathemen vielleicht bloß nur befasst, weil es gerade en vogue ist.

Kunst ist Kommunikation

Der Film hat seine Stars: Olafur Elíasson, der Gletscherbrocken mitten in der Großstadt zum Schmelzen aussetzte, damit Passanten beim Verschwinden zusehen und zuhören konnten. Eine umstrittene, aber öffentlichkeitswirksame Kunstaktion. Beeindruckend die Begegnung mit dem kürzlich verstorbenen Fotografen Sebastião Salgado, der vom Kriegsfotografen zum Umweltfotografen wurde, und hier noch einmal über seine Bilder spricht.

Beeindruckend auch das Interview mit der 92-jährigen Künstlerin Agnes Denes, die 1982 im New Yorker Battery Park auf teuerstem Immobiliengrund, nur einen Block von der Wall Street entfernt, ein 8.000 Quadratmeter großes Weizenfeld ansäte und pflegte. Wogender Weizen in der Betonwüste, in Sichtweite der Statue of Liberty. Ihre Umweltkunst, für die sie, wie sie sagt, damals "verlacht" wurde, war auch antikapitalistisch. Im selben Jahr 1982 machte bei der Documenta Joseph Beuys' Projekt "7000 Eichen" Furore.

Das letzte Wort hat Agnes Denes. Kann Kunst die Welt verändern? Kunst, so sagt sie, ist Kommunikation. Kein Auftrag, keine Werbung, außer vielleicht zur Wahrheit. "Kunst ist ...". Der Film endet mit ihrer Aufforderung, den Satz selbst zu beenden. Schwarzblende. Kunst, so kann man vielleicht sagen, eröffnet Kommunikation und kann vermitteln. "Klima Krise Kunst" tut das auch.

infobox: "Klima Krise Kunst", Dokumentation mit Leonie Sontheimer, Regie und Buch: Mathias Frick, Karin Berghammer, Kamera: Christopher Dürkop, Simone Hart, Sophie Krabbe, Maximilian Smoliner, Produktion: Vive La Dok Film, Navigator Film (Arte/ZDF, 31.5.25, 23.20-00.15 Uhr, Arte-Mediathek bis 29.6.25)



Zuerst veröffentlicht 05.06.2025 13:10

Heike Hupertz

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KArte, KZDF, Sontheimer, Frick, Hupertz

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