06.06.2025 07:10
Dramedy "Softies" bei RTL+ mit Damian Hardung
epd Was heißt es, heutzutage ein Mann zu sein? Ist ein Mann, wie ihn sich die post-patriarchale Gesellschaft als Ideal wünscht, erst ein Mann, wenn er im Café Matcha-Latte mit Hafermilch und veganem Kuchen bestellt, sanft über die Welt spricht und aus Respekt vor dem anderen Geschlecht nicht mal den Gedanken zulässt, wie er die noch nicht eroberte Frau am Nebentisch endlich rumkriegen könnte? Oder zeigt sich wahre Männlichkeit nach wie vor an der Dicke des Bizepses und am Charisma eines Tigers, der das Objekt der Begierde mit "Hey-Baby-ich-erklär-dir-mal-die Welt"-Attitüde umgarnt, um dann kräftig zuzubeißen: "Zu dir oder zu mir?"
Ach, wenn die Antwort doch so simpel wäre. Die Sache ist komplex und nicht eindeutig Schwarz oder Weiß. Mit der vielfarbigen Palette männlicher Typologien spielt die neue Serie "Softies" bei RTL+, die sowohl in ihrem Humor als auch in ihrer genauen Beobachtung von Geschlechterrollen wunderbar gelungen ist. Sie fällt schon dadurch auf, dass sie sich traut, Männer in den Mittelpunkt ihrer Erzählung zu stellen. Unter den vielen um weibliche Hauptfiguren gestrickten Serien der jüngeren Zeit ist das fast schon ein Alleinstellungsmerkmal. Wobei: Frauen kommen in "Softies" auch vor.
Schon der Titel dieser Serie, die Drama mit Comedy vermischt, spielt mit einem Klischee. Er impliziert, dass die drei Jungs in ihren Zwanzigern, die sich in Berlin eine WG teilen, nicht den stereotypen, traditionellen Erwartungen an das Verhalten eines Machos entsprechen.Marvin, Hassan und Joschi sind sensibel, mitfühlend, friedliebend, emotional verfügbar. Weiche Schale, weicher Kern? Na ja, nicht ganz. Die Serie begleitet das Trio auf Sinnsuche als Mann, auf Verortung "zwischen Liebe, Leistungsdruck, Freundschaft, ein bisschen Selfcare und ehrenlosen Tinder-Dates", wie verheißungsvoll im Pressetext angekündigt wird.
Marvin ist zumindest optisch das Gegenteil eines Klischee-Softies: Er ist ein muskelbepackter Macho, wie er im Bilderbuch steht. Für diese Rolle kam Damian Hardung die Zeit im Gym, die er für Amazons Welthit "Maxton Hall" investiert hat, sehr zupass. Unter dem Sixpack oder besser gesagt: unterhalb des Sixpacks plagt seinen Marvin allerdings erektile Dysfunktion. Er ist aber zu sehr gefühlsverschlossener Macho, um mit seiner Freundin Linda (Aysha Joy Samuel) offen darüber zu sprechen. In der übertrieben dargestellten Verzweiflung greift er lieber zu den berühmten blauen Pillen. Doch Viagra ist nicht die Lösung für all seine physischen wie beruflichen Probleme, es verursacht sogar neue gesundheitlich besorgniserregende.
Mitbewohner Hassan wiederum, von Samir Salim als Typ gutmütiger Wuschel mit gemütlichem Waschbärbauch gespielt, könnte seinen Mann stehen, allein es fehlt ihm die passende Frau. Er sucht deshalb im Youtube-Tutorial eines sogenannten "Charisma-Kings" Rat der Sorte: "Wenn du Erfolg bei Frauen haben willst, musst du eine Alpha-Biene werden." Blöderweise steht die von ihm angehimmelte und ihm eigentlich sehr zugetane Sängerin Lotte (Carmen Redeker) genau nicht auf solches Alpha-Gehabe. Sie will, um den Titel eines ihrer Punk-Songs zu zitieren, auf keinen Fall einen "Fuck Boy".
Diesen Typus verkörpert am ehesten der von Oskar Redfern mit wehendem Haar und auch sonst wirklich hinreißend gespielte Joschi. Auf den ersten und auch den zweiten Blick ist er ein sorglos in den Tag lebender Bruder Leichtfuß, der das Freigeist-Gen seiner Mutter Ophelia (Regine Zimmermann) in sich trägt und auslebt, zum Leidwesen all seiner Ex-Freundinnen. Die Mutter sagt: Du brauchst keine Frau, du hast ja mich. Der Sohn sagt: Eigentlich bin ich voll der Beziehungstyp, aber irgendwas ist da immer. Der Lavendel-Birke-Aufguss im Stammsalon für die eigene Wellness kann nicht darüber hinwegtäuschen: Auch der Dritte im Männerbund ist eine zerrissene Seele und kommt zu der Gewissheit, dass sich was ändern muss.
Auf dem Weg zur Erlösung schafft "Softies" die Balance zwischen manchmal absurd komischen Momenten, skurrilen TV-Reminiszenzen und Szenen, die ans Herz gehen, manchmal an der Grenze zum Kitsch. Am Ende liegen sich die drei Freunde heulend in den Armen und geloben Besserung im Umgang mit sich und mit Frauen. Die Katharsis nach einer durchzechten Nacht kommt vielleicht zu sehr hoppladihopp, aber das Happy End in der Selbsthilfegruppe passt und versöhnt.
"Softies" reiht sich ein in eine - das ist nicht übertrieben gesagt - Erfolgsserie von Projekten, die aus dem im Jahr 2020 von RTL gestarteten Storytellers-Wettbewerb zur Nachwuchsförderung im fiktionalen Bereich hervorgegangen sind. Und die Förderung wirkt: Für den Erstling "Hübsches Gesicht" über eine mehrgewichtige junge Frau in Konfrontation mit Fat Shaming gab es eine Grimme-Preis-Nominierung, für "Angemessen Angry" über ein Zimmermädchen, das nach einer Vergewaltigung Superkräfte entwickelt in diesem Jahr sogar den Grimme-Preis.
Entwickelt wurde "Softies" von Jonathan Westphal und Yves Guillaume. Beide sind Absolventen der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf und führten hier auch gemeinsam Regie. Und beide sind nur minimal älter als ihre Protagonisten. Was sie hier erzählen, sind Beobachtungen ihrer eigenen Generation, wenn es nicht sogar aus dem eigenen Erleben gegriffen ist. Das wahre Leben schreibt bekanntlich die besten Geschichten.
infobox: "Softies", fünfteilige Dramedy-Serie, Regie und Buch: Yves Guillaume, Jonathan Westphal, Kamera: Rebecca Meining, Produktion: Ufa Fiction (RTL+, seit 6.6.25)
Zuerst veröffentlicht 06.06.2025 09:10 Letzte Änderung: 06.06.2025 16:31
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), Streaming, Serie, Guillaume, Krasser, Westphal, KRTL, BER, NEU
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