06.06.2025 09:06
ZDF-Serie "Club der Dinosaurier"
epd Hinter dem Titel könnte sich auch eine Geschichte über alte weiße Männer verbergen, doch die Antihelden von "Club der Dinosaurier" sind zwei pickelige Teenager, die an ihrer Schule gemobbt werden: Um das Interesse der neuen Mitschülerin Suki zu wecken, beschließen Ben und Janni, ihrer körperlichen Entwicklung mithilfe von Testosteron-Tabletten auf die Sprünge zu helfen. Weil die Pillen das Ergebnis eines fragwürdigen Experiments sind, bei dem Eidechsen-Gene eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben, offenbaren sich zusätzlich zum gewünschten Effekt nach und nach einige unerwünschte Nebenwirkungen.
Die sechsteilige Serie bietet einen mutigen Genremix, dem das ZDF-Etikett "Highschool-Dramedy" nicht gerecht wird. Die ersten Folgen handeln in der Tat von den genretypischen Irrungen und Wirrungen der Pubertät und das Drehbuch von Nils Gustenhofen sorgt für allerlei familiäre Unordnung: Die Eltern von Ben (Shadi Eck) streiten dauernd, der Vater von Janni (Diyar Ilhan) hat erst spät erkannt, dass er eigentlich schwul ist, aber der Sohn fremdelt noch heftig mit dem Stiefvater.
Durch den Testo-Schub kommt mehr Dynamik ins Leben der Freunde, als dem eher zögerlichen Ben lieb ist: Janni strotzt alsbald vor Selbstbewusstsein und legt sich sogar mit Schulrüpel Rick (Alessandro Schuster) an. Toll ist, dass die Akne-Pickel quasi über Nacht verschwinden, doch dann wächst auf Jannis Kopf ein Horn, und an Bens Rückseite bildet sich ein Bürzel.
Das ist aber nur der Anfang einer Metamorphose, die gerade bei Janni zudem charakterliche Abgründe offenbart, und nun verändert sich auch die Serie: Aus der amüsanten Schul-Dramedy aus Neandertal bei Düsseldorf wird eine Moritat über toxische Männlichkeit. Diesen Wandel bekommen Buch und Regie erstaunlich gut hin, weil Lutz Heineking jr. den Tonfall schleichend verändert. Vordergründig dominiert zunächst weiterhin der Humor, die stellenweise sehr witzigen Dialoge werden ausgesprochen trocken vorgetragen.
Diyar Ilhan hat sein herausragendes Talent in dieser Hinsicht schon als Sohn an der Seite von Ben Münchow in den beiden Staffeln der gleichfalls bei ZDFneo ausgestrahlten ZDF-Serie "Like a Loser" (2023, 2025) bewiesen. Shadi Eck ist ihm ein gleichwertiger Partner; als stotternder Zauderer, der sich dazu überreden lässt, für das Amt des Oberstufensprechers zu kandidieren, hat er die komplexere Rolle.
Weit mehr als bloß eine Ergänzung ist Hannah Schiller als Bens beste Freundin Trine, und Tomomi Themann als Suki ist die Entdeckung der Serie. Ziemlich cool ist auch Carl Josef Statnik: Heineking hat sich den Spaß erlaubt, dass ausgerechnet ein Junge, der aufgrund seiner Muskeldystrophie im Rollstuhl sitzt, die gesamte Schule mit Drogen versorgt. Mit Tom Beck, Henning Baum und Heinekings Stammspieler Serkan Kaya ist "Club der Dinosaurier" auch in den kleinen Väter-Rollen prominent besetzt.
Dass die Heiterkeit nicht von Dauer sein wird, deutet schon der Prolog der ersten Folge an. Die wenigen Momente nehmen das furios gefilmte Finale vorweg, als es im Asia-Supermarkt von Sukis Oma zum Showdown kommt. In der mehrere Minuten langen ungeschnittenen Szene rast die Kamera (Philipp Pfeiffer) wie entfesselt durch die Gänge, wechselt mehrfach den Schauplatz und sorgt auf diese Weise für eine Dynamik im Stil von bestem Action-Kino.
Bis es so weit ist, erlaubt sich die Serie jedoch einige Umwege: unter anderem macht die Klasse einen Ausflug in ein belgisches Demokratie-Camp, wo sich der Seminarleiter (Holger Stockhaus) als Spanner entpuppt, der Klassenlehrerin Carina (Sonja Gerhardt) unter der Dusche beobachtet. Letztlich dient dieser Exkurs der düsteren Erkenntnis, dass die Kapseln in den beiden braven Jungs einen gefährlichen Killerinstinkt geweckt haben.
Einerseits ist es nur konsequent, dass "Club der Dinosaurier" irgendwann den Andeutungsstatus verlässt, zumal die Masken (Jörn Seifert, Twilight Creations) äußerst eindrucksvoll sind. Andererseits ist die Serie eindeutig stärker, so lange Heineking die Dinge in der Schwebe hält. Abgesehen von den anfangs noch kaschierbaren körperlichen Veränderungen führen die Pillen zu verschärften Sinneswahrnehmungen, die durch rasante Kameraflüge und das Sounddesign verdeutlicht werden.
Das "Halbfinale", bei dem die Monster einen Abi-Ball sprengen, ist bildgestalterisch längst nicht so packend wie der letzte Akt. Natürlich kommt es auch zum Duell der beiden längst entzweiten Freunde, und selbstredend ist es die kluge Trine, die die Botschaft der Serie formuliert: "Du bist gut, so wie du bist."
Weil sich das Vorzeichen mehr und mehr Richtung Thriller verschiebt, gibt es schließlich auch keine unbeschwert heiteren Momente mehr. Eine der lustigsten Szenen ist eine kleine Loriot-Hommage, als Carina mit ihrem verliebten Kollegen Johannes (Max Mauff) Essen geht und nicht dazu kommt, ihn auf ein Stück Sushi in seinem Gesicht hinzuweisen. Es ist beachtlich, dass das ZDF den Mut zu einer derartigen Produktion hatte. Bevor Netflix und Amazon deutsche Serien herstellen ließen, wäre eine Body-Horror-Serie dieser Art im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wohl undenkbar gewesen.
infobox: "Club der Dinosaurier", sechsteilige Serie, Regie: Lutz Heineking jr., Buch: Nils Gustenhofen, Mascha Schlubach, Oliver Rieche, Regine Bielefeldt, Christoph Mathieu, Kamera: Philipp Pfeiffer, Produktion: Syrreal Entertainment, Eitelsonnenschein, Frakas Productions, CBS-Studios (ZDF-Mediathek, seit 6.6.25, ZDFneo, ab 15.6.25 sonntags, 20.15-21.45 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 06.06.2025 11:06
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Streaming, Kritik, Kritik.(Fernsehen), K
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