Der ethische Kompass - epd medien

10.06.2025 08:14

Der Dokumentarfilm "Moneyland" von Marc Wiese tauche tief ein in eine "schillernde Welt", in der sich "schmutziges Geld in sauberes" verwandele, verspricht der SWR. Kritiker Christian Bartels vermisst in dem Film wichtige Fragen und Antworten.

ARD-Dokumentation "Moneyland" über die Finanzindustrie

Eine Dokumentation über die "verrückte Welt des Moneylands"

epd "Ich bin Ihre Geschichtenerzählerin und werde Sie ein wenig durch die verrückte Welt des Moneylands führen", hebt die Stimme von Anna Thalbach im Off-Kommentar zu Bildern der Frankfurter Skyline im Dunkeln an. Sechsmal fällt das Wort "Moneyland" in den ersten anderthalb Minuten, als handele es sich um einen besonders aufschlussreichen Begriff. Der Kommentar dieser für ARD und Arte produzierten 90 Minuten langen Dokumentation von Marc Wiese strotzt vor Selbstbewusstsein.

Nachdem sich kurz der Sonnenaufgang in den Hochhaustürmen der Deutschen Bank spiegelte, springt "Moneyland" ins vorige Jahrzehnt und in die USA. Es geht um den 2011 aufgedeckten Libor-Skandal um Zinsmanipulationen, für den die Deutsche Bank hohe Strafzahlungen leistete. Es sei zugegangen "wie im Wilden Westen", fasst der Off-Kommentar zusammen. Ein US-amerikanischer Gesprächspartner, der bis 2008 für die Deutsche Bank arbeitete, beschwert sich über seine damaligen Chefs und über die US-Behörden.

Strafzahlungen in Millionenhöhe

Im US-amerikanischen Gerichtsprozess sei die "Sündenbock-Methode" angewandt worden, sagt der BBC-Journalist Andy Verity: Nicht die Chefs, sondern mittlere Manager wurden bestraft. Mit der Frage "Wie steht es eigentlich um den ethischen Kompass der Deutschen Bank?" geht es dann zum Epstein-Skandal um sexuelle Ausbeutung von Kindern. Opfer-Anwalt Bradley Edwards und zwei inzwischen erwachsene Opfer berichten. Hier richtet sich gegen die Deutsche Bank der Vorwurf, dass sie 2013, nachdem der Wettbewerber JP Morgan seinen "Goldesel" Epstein hatte fallen lassen, diesen noch jahrelang als Kunden akzeptiert hatte. Auch dafür leistete sie viele Millionen Strafzahlungen.

Nach gut einer Dreiviertelstunde folgen rasche Rückblicke in die Nachkriegszeit und auf die Finanzkrise von 2007/2008, dazu werden 2024 getätigte Aussagen des damaligen Finanzministers Peer Steinbrück eingespielt. Der pakistanische Geldwäscher Altaf Khanani "nutzte wohl auch Konten bei der Deutschen Bank", heißt es. Über weitere Geldwäsche-Skandale und die Schweizer Bankenkrise rund um die Pleite der Credit Suisse 2023 nähert sich der Film der Gegenwart.

Regresspflicht für die Chefs der Finanzindustrie

Nun klingen endlich brisante Fragen an, etwa die, ob die als Lehren aus der Finanzkrise beschlossenen strengeren europäischen Banken-Regeln tatsächlich helfen. Nicht unbedingt, lautet eine ungefähre Antwort, weil die Anonymität des Geldes und seiner Besitzer seither wohl eher noch gestiegen ist. Zu den komplexen Bankgeschäften, die "Moneyland" anreißt, ohne sie wirklich zu erklären, gehören auch "CDS-Swaps", die als "gigantische Wettgeschäfte" erklärt werden, die binnen "Makrosekunden" abgeschlossen werden. Dahinter steckt wohl nicht die Deutsche Bank, schließlich hapert es in ihrem Heimatmarkt mit der Digitalisierung.

Warum "Moneyland" sich dermaßen auf die Deutsche Bank einschießt, lässt sich an manchen Stellen ahnen. Die konkrete Frage, ob die Bank grundsätzlich anders agierte und weiterhin agiert als andere deutlich größere Banken aus den USA und aus dem Arte-Partnerland Frankreich, wird allerdings nicht gestellt. Einige der meinungsstarken Gesprächspartner hätten sicher gerne geantwortet.

Das Prinzip, Strafzahlungen in dreistelliger Millionen-Höhe als Geschäftskosten mit Gewinnen zu verrechnen, das sich insbesondere in den 2010er Jahren zeigte, verdient selbstverständlich Kritik. Die Frage, inwieweit es weiterhin gepflegt wird, verpeilt der Film. Bei BBC-Journalist Veritys Forderung nach "Regresspflicht für die Chefs der Finanzindustrie" fehlte die Nachfrage, ob die Europäische Union so etwas beschließen könnte und ob das im globalen Finanzmarkt Wirkung zeigen würde.

Es wird keine Geschichte erzählt

Kurz: Je näher "Moneyland" der Gegenwart der im Titel genannten Finanzindustrie kommt, in der auch Faktoren wie immer schnellere globale Kommunikation, für Smartphones entwickelte Fintechs und Kryptowährungen wichtig sind, desto mehr muss die Fixierung auf vor allem US-amerikanische Skandale der 2010er Jahre befremden. Gewiss ist der Fokus auf die USA berechtigt. Deren Gesetze wirken gerade auch im Banksektor weit über ihre nationalen Grenzen hinaus. Seit 2011 gebe es dort "ein Gesetz, das Whistleblower in hohem Maße schützt", sagt der Off-Kommentar. Schön, aber man fragt sich, ob das noch stimmt. Schließlich pflügt der amtierende US-amerikanische Regierungschef gerade viele US-amerikanische Gesetze um.

Doch Donald Trump und sein an in Machtpositionen gelangtes schwerreiches Umfeld - das teilweise mit der modernen Finanzindustrie eng verbunden ist - kommen in "Moneyland" überhaupt nicht vor. Solche Entwicklungen müsste ein Dokumentarfilm, der sich nicht allein historisch versteht, zumindest reflektieren.

Eine große Schwäche des Films ist auch der Off-Kommentar, der trotz des unüberhörbaren Selbstbewusstseins weder sein Thema in den Griff bekommt, noch eine schlüssige oder wenigstens kurzweilige "Geschichte" zu erzählen vermag. Von "Moneyland" spricht in der weiten Welt des großen Geldes offenbar kaum jemand.

infobox: "Moneyland - Die dunklen Geschäfte der Finanzindustrie", Dokumentarfilm, Regie und Buch: Marc Wiese, Kamera: Stefan Wiesen u.a., Produktion: Dreamer Joint Venture (ARD-Mediathek/SWR/HR/RBB/Arte, seit 27.5.25, ARD, 2.6.25, 23.35-1.05 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 10.06.2025 10:14

Christian Bartels

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KSWR, Dokumentarfilm, Wiese, Bartels

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