13.06.2025 10:57
Köln (epd). Nach der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch durch den Verfassungsschutz bietet Deutschlandradio seinen Mitarbeitern Workshops und weitere Veranstaltungen zum Umgang mit der Partei in der Berichterstattung an. Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue sagte bei der Sitzung des Hörfunkrats am 12. Juni in Köln, die Redaktionen müssten jetzt schauen: "Welche Rolle weisen wir der AfD in der Berichterstattung zu? Sind wir ausreichend geschult damit umzugehen und was leitet uns dabei?"
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD Anfang Mai auf Grundlage eines Gutachtens als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft. Dagegen geht die AfD juristisch vor. Die Einstufung ist daher ausgesetzt, bis das Verwaltungsgericht Köln über einen entsprechenden Eilantrag entschieden hat. Die Entscheidung der Behörde hat auch die Debatte über den medialen Umgang mit der Partei neu entfacht.
Es ist immer ein Kompromiss.
"Die Veröffentlichung des Verfassungsschutzgutachtens ist nicht überraschend gekommen", sagte Raue. "Aber als es dann gekommen ist, hat es doch alles durcheinandergebracht. Es hat die Politik, die Parteien und uns Medien sehr beschäftigt. Die Welt ist eine andere nach dem Gutachten."
Die Schulungs-Angebote des Senders würden von den Mitarbeitern sehr gut wahrgenommen, sagte Raue. Er verwies auf eine Veranstaltung mit der österreichischen Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl, bei der diese erläutert habe, dass es "eigentlich keinen Idealweg" gebe, mit rechtsextremen Parteien und Politikern umzugehen: "Es ist immer ein Kompromiss in die eine oder andere Richtung. Aber man muss sich schon dessen gewahr sein, dass die mit Medien umgehen können, dass sie genau kalkulieren, wie ihre Medienwirkung ist. Und dass wir uns dieser Herausforderung auch dringend stellen müssen."
Die Vorsitzende des Hörfunkrats von Deutschlandradio Katrin Hatzinger sagte, auch wenn dies keine offizielle Einstufung sei, stehe natürlich "der Elefant im Raum. Das sieht man, wenn man die medienpolitische Debatte verfolgt oder hier ins Haus hineinhört."
Es gilt die Programmfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Deutschlandradio-Justiziar Markus Höppener berichtete, dass Redaktionen mit Fragen an ihn herangetreten seien. Natürlich dürften die Redaktionen weiter über die AfD berichten und es gebe auch keine Vorgaben für die Berichterstattung, sagte er: "Es gilt die Programmfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, das kann ich gar nicht laut genug sagen. Wir sind frei darin, über die Geschehnisse in der Gesellschaft so zu berichten, wie wir das für angemessen halten, und zwar aufgrund unserer journalistischen Erfahrungen und Kenntnisse, unserer Sachkenntnis über die Materie."
Aufgabe der Medien sei zum Beispiel zu erläutern, "worin genau die Bestrebungen der AfD liegen, die Garantien und die Grundsätze unseres Verfassungsstaats zu erschüttern", sagte Höppener: "Wir müssen über die AfD berichten, wir dürfen es auch mit ihr, wenn uns geeignete journalistische Mittel zur Verfügung stehen. Und das ist bei uns ganz sicher der Fall."
Deutschlandradio-Programmdirektorin Jona Teichmann sagte, der Sender habe sich "in verschiedenen Runden sehr intensiv mit der Materie beschäftigt". Es sei ein schwieriges Thema, "weil wir die Verantwortung spüren, die da auf unseren Schultern lastet". Unmittelbar nach der Veröffentlichung der neuen Einstufung seien verschiedene Kampagnen gestartet worden, berichtete Teichmann. Unter anderem sei gefordert worden, Verfassungsfeinden keine Bühne zu geben. Damit sei die Forderung an den Sender verbunden gewesen, "etwas an der Berichterstattung zu verändern".
Teichmann berichtete auch von einem "neuen Verschwörungsmythos". Dieser laute: "Die öffentlich-rechtlichen Journalisten laden AfD-Vertreter in ihre Sendungen ein, als wäre nichts passiert." Die Programmdirektorin sagte: "Wir führen diese Debatte im Haus schon sehr lange."
Eine Auszählung der Beiträge zur AfD in den Programmen von Deutschlandradio (Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova) hat nach Angaben von Teichmann ergeben, dass "hintergründige Beiträge" wie Reportagen, Features oder Kommentare überwiegen. Es gebe nur wenige Interviews und Live-Interviews. Die Frage der Live-Interviews würden sich die Redaktionen "sehr gründlich" überlegen: "Das bereiten wir vor und besprechen es nach."
Annette Leßmöllmann, zweite stellvertretende Vorsitzende des Hörfunkrats, sagte, die Situation fordere auch die Gremien heraus: Sie müssten genau überlegen, was Vielfalt bedeute und ob es angesichts der Resonanzräume in den sozialen Netzwerken auch eine "falsch verstandene Vielfalt" gebe.
dra
Zuerst veröffentlicht 13.06.2025 12:57 Letzte Änderung: 13.06.2025 15:17
Schlagworte: Medien, Hörfunk, Aufsicht, Deutschlandradio, Hörfunkrat, AfD, dra, BER, NEU
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