19.06.2025 08:52
ZDF-Film "Ein ganz großes Ding"
epd Die Computer im Rathaus des kleinen Städtchens Waldsee wurden gehackt. Erpresser verlangen eine Million. Sind es die Russen? Wenn das kein "ganz großes Ding" ist, mit dem sich die ehrgeizige Kleinstadt-Bürgermeisterin Kristina Lurz (Silke Bodenbender) da konfrontiert sieht ... Größer jedenfalls als die Einweihung der neuen Bushaltestelle und sogar größer als der sich abzeichnende Besuch des "Miniprä" (Ministerpräsidenten), der ein paar Inder mit IT-Kenntnissen mitbringen wird, um die Wirtschaft des hinterwäldlerischen Waldsee voranzubringen.
Der Ort wirkt, als sei er von der Welt vergessen, es fehlen eigentlich nur noch ein paar Dornbüsche, die passend zur unterlegten Westernmusik durch die Straßen kullern.
Tatsächlich wird Waldsee aber von einem skurrilen kleinen Figurenensemble bevölkert. Da ist der sympathische Ehemann der energiegeladenen Bürgermeisterin, Lennart (Christian Erdmann), der - nicht ganz zu Unrecht - meint, dass seine umtriebige Frau ihn für einen "Lappen" hält. Dabei kriegt er den Wintergarten doch nur deshalb nicht fertig, weil er das Ersparte in Kryptowährung gesteckt und verloren hat. Er traut sich aber nicht, seiner Frau das zu sagen.
Da ist der örtliche Unternehmer Joachim Kraft (Jörg Schüttauf), der sich gezwungen sieht, den großen Zampano zu mimen und dabei doch pleite ist - wie er seiner Tochter in einer ungewöhnlich anrührenden Szene gesteht. Und da ist Ansgar (Nico Holonics), die wandelnde Karikatur eines Journalisten, der in Kristina verschossen ist.
Bis zur überraschenden Auflösung des Erpressungsfalls verdächtigen sich die Bewohner des Ortes wechselseitig. Warum hat beispielsweise der Besitzer der örtlichen Deppenapostroph-Kneipe "Dankert’s Billardbar" (Alexander Hörbe) einen derart großen Computerbildschirm? Sehr suspekt. Zwei kriminelle Darknepp-Dussel die vom örtlichen Unternehmer zu Hilfe geholt werden, um den Fall zu lösen, komplettieren das Ensemble (Hinnerk Schönemann und Sebastian Schwarz). Einer von ihnen sagt Dinge wie "Du hast mich noch nie ausrasten tun gesehen", während der andere den Genitiv pflegt und eine Formulierung wie "Wegen ihrem Mann" korrigiert.
Die lustigste dieser komischen Figuren ist aber Rathaus-Sekretärin Mechthild. Das liegt einerseits an der Rolle - so jemanden kennen wir alle -, aber vor allem an den funny bones von Inga Dietrich. Die von ihr gespielte Angestellte mittleren Alters mit jugendlich-blonder Wallemähne und einer Vorliebe für rosa Pullover hält nichts von neumodischem Digitalkram und ist schwer damit beschäftigt, ihre Chefin subtil zu boykottieren. So fehlt etwa bei der Einweihung der Bushaltestelle die Schere zum Durchschneiden des Bandes. Frau Lurz ist verärgert, sie hatte Mechthild deshalb doch extra noch eine Mail geschrieben! Ja, aber E-Mails lese sie doch nicht jeden Tag, kontert die Sekretärin.
Keine Komödie mit Schenkelklatscher-Humor, eher eine mit spielfreudigem, sympathischem Cast, bei der man 90 Minuten durchschmunzeln kann. Bei den von Ralf Husmann mit viel Sprachwitz polierten Dialogen lohnt das Hinhören. Besonders schön aber ist, dass hier alle Figuren bei noch so großer Unzulänglichkeit etwas Liebenswertes an sich haben und man alle in ihrer Menschlichkeit und subjektiven Not erkennt.
infobox: "Ein ganz großes Ding", Fernsehfilm, Regie: Francis Meletzky, Buch: Ralf Husmann, Kamera: Moritz Schultheiß, Produktion: Madefor Film GmbH (ZDF-Mediathek, seit 19.6.25, ZDF, 31.7.25, 20.15-21.45 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 19.06.2025 10:52
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Fernsehfilm, Meletzky, Husmann, Kaiser
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