Die Rabentante - epd medien

26.06.2025 08:02

In der ZDF-Komödie "Die Kinderschwindlerin" muss Partygirl Nina Kinder vorweisen, um beim Vermieter ihrer Traumwohnung zu punkten: Der will am liebsten an eine alleinerziehende Mutter vermieten. Kurzerhand leiht Nina sich die Kinder ihrer Schwester aus. Doch Nichte Frieda und Neffe Theo nutzen den Deal, um die Tante zu erpressen.

ZDF-Komödie "Die Kinderschwindlerin"

Nina (Laura Sorz) hat wenig Lust auf den Kindergeburtstag bei ihrer Schwester, ihr Freund Sammy (Eko Fresh) freut sich darauf

epd Frauen können Astronautinnen sein, Bundeskanzlerin oder DAX-Unternehmensvorstand, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Eines aber scheint immer noch erklärungsbedürftig zu sein: Die kinderlose Frau. Sie wird ab einem gewissen Alter beäugt. Erklären soll sie sich. Das ist übergriffig, denn die Gründe, keine Kinder zu haben oder zu wollen, können ganz unterschiedlich sein: Bewusste Entscheidung, Beruf, kein Partner oder der falsche, Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten, die Gesundheit überhaupt.

Man kann aber auch den Verdacht haben, dass die kinderlose Frau als "Problem" inzwischen überwiegend vom Fernsehen gemacht wird, wahlweise als Tragödie oder Komödie. Da muss doch was dahinterstecken: Ein Trauma, unbewältigte Familienkonflikte. Es steckt ein hohes Beleidigungspotential in solchen Annahmen. Ein Drehbuch sagt Frauen, was mit ihnen los ist, denn die Kinderlosigkeit ist ein Symptom. Will nicht doch jede Frau im tiefsten Winkel ihres Herzens Mutter werden?

Eine "ZDF-Sommerkomödie"

Wer die Inhaltsangabe des ZDF-Fernsehfilms "Die Kinderschwindlerin" liest, befürchtet das Schlimmste (sprich: Rückständigste). Flapsig übersetzt: Ein Partygirl, Mitte 30, oberflächlich und verantwortungslos, outet sich als "Kinderhasserin". Sie will nicht nur selbst keinen Nachwuchs, sie ist sogar bekennende "Rabentante". Die Namen von Nichte und Neffe kennt sie nicht, auf dem Kindergeburtstag steht ihr der Sinn bloß nach Betrinken, ihrem herzigen Freund gibt sie den Laufpass, weil sie trotz seiner gegenteiligen Beteuerungen einen Kinderwunsch wittert.

Eine Single-Wohnung muss her und eine einmalige Chance bietet sich. Die supergünstige, toll gelegene Kölner Traumwohnung hat freilich einen Haken. Der Vermieter ist ein treuherziger Gutmensch, der nur an Familien oder noch besser an eine überbelastete alleinerziehende Mutter vermieten will. Flugs leiht sich Partygirl die Brut ihrer Schwester aus, bekommt die Wohnung, wird aber nun von der 14-jährigen Nichte erpresst.

"Die Kinderschwindlerin" (Arbeitstitel: "Rabentante") ist eine Komödie. Eine "ZDF-Sommerkomödie". Das Label verspricht leichte Unterhaltungskost, nicht allzu ernst zu nehmen. Die Ideologiekritik allerdings hat schon vor Jahrzehnten darauf hingewiesen, dass so etwas wie "harmlose Unterhaltung" ein Oxymoron ist, ein Widerspruch in sich. Komödien haben einen ideologischen Kern. Hier gibt es die Läuterung der Kinderhasserin zum Familienmensch. Immerhin entdeckt sie, die aus freiem Entschluss nie eigene Kinder wollte, keinen eigenen Kinderwunsch. Aber sie entdeckt ihren Tantenwunsch. Und es stellt sich heraus, dass sie die ganze Zeit bloß eifersüchtig war auf die "Blagen", die ihr die Aufmerksamkeit der früher supercoolen Schwester geraubt haben.

Die kleinen Monster in der Kita

Ein bisschen subversiv-unterhaltsam ist die Geschichte trotzdem, insbesondere in den Szenen, in denen man aus Ninas (Laura Storz) "Kinderhasserinnen"-Perspektive auf die Welt blickt. Im Garten der Schwester Ariane (Jasmin Schwiers) und ihres Mannes Jörg (Tristan Seith) haben Hüpfburg, herumliegende Roller und anderer Kram jedes Erwachsenen-Chillgefühl verdrängt. Die "Kleinen Monster" in einer Kita schießen regelmäßig die Bälle über den Zaun auf Ninas helle Kleidung, für sie ein besonders schlimmes Unding, denn sie ist Maßschneiderin.

Der Film von Daniel Scotti-Rosin (Drehbuch) und Tini Tüllmann (Regie) beginnt mit witzigen, punktgenau inszenierten Dialogen. Die Kamera von Claire Jahn rückt den "kleinen Delinquenten" nah auf die unangenehm wirkende Pelle. Das eigentlich Unangenehme sind aber die Erwachsenen. Einst glamouröse und trinkfeste Freundinnen haben nie mehr Zeit oder Sinn für Spaß. Frauen und Männer scheinen nur noch in ihren Kindern stellvertretend zu leben. Man beobachte nur die Väter beim Jugendfußball.

Kinder als Trophäen

"Die Kinderschwindlerin" bemüht sich um erzählerische Gegengewichte. Ninas beste Freundin Vicky (Collien Ulmen-Fernandes) schaukelt zwar ihr Neugeborenes, hat aber immer ein offenes Ohr und singt weiter in der Frauenband. Nichte Frieda (Holle Kirck) zwingt Nina dazu, sich in der Schule als Mutter auszugeben. Im Gespräch mit der Lehrerin Frau Ibrahim (Lorna Ishema) und dem Schulpsychologen (Denis Moschitto) schlägt sich die Tante auf Friedas Seite.

Die Nebenhandlung, die vom Kölner Wohnungsmarkt handelt, hat mehr für sich. Gut beobachtet ist die Wohnungsbesichtigung, bei der Paare dem familienfreundlichen Vermieter (Mohammed-Ali Behboudi) ihre Kinder präsentieren wie Trophäen und Alleinerziehende Mitleidspunkte sammeln. Doris Kunstmanns kurze Auftritte als verbitterte Witwe und Nachbarin, die sich auf neues Kindergewusel im Haus gefreut hat, geben der Komödie ein wenig Tiefe. Und gegen die Botschaft "Gemeinsam ist man weniger allein" lässt sich wenig sagen.

Natürlich lebt Komödie von der Übertreibung des Klischees. "Die Kinderschwindlerin" hat auch charmante Momente. Aber könnte man sich im deutschen Fernsehen mal etwas anderes einfallen lassen, als kinderlose Frauen als furchtbare Zicken mit emotionalen Störungen zu zeigen? Das ist nicht lustig!

infobox: "Die Kinderschwindlerin", Komödie, Regie: Tini Tüllmann, Buch: Daniel Scotti-Rosin, Kamera: Claire Jahn, Produktion: ITV Studios Germany (ZDF-Mediathek seit 19.6.25, ZDF, 7.8.25, 20.15-21.45 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 26.06.2025 10:02

Heike Hupertz

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Komödie, Tüllmann, Scotti-Rosin, Hupertz

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