Studie zur Ich-Perspektive bei neuen Jugend-Reportagen von ARD und ZDF - epd medien

26.06.2025 12:26

"Vollbild"-Autorin Carina Parke reiste zur Fashion Week nach Paris, um sich ein Bild von der Modebranche und ihren Missständen zu machen.

Frankfurt a.M. (epd). Neue Reportage-Formate bei ARD und ZDF für ein junges Publikum setzen noch radikaler als bislang auf die Ich-Perspektive der Reporterinnen und Reporter. Das zeigt eine Studie im Auftrag gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung, die 427 Reportagen aus den Formaten "Vollbild" (SWR), "Exactly" (MDR), "Ultraviolet Stories" (ZDF), "Crisis - Hinter der Front" (SWR) und "Puls-Reportagen" (BR) untersuchte. Neben gesellschaftlichen Themen aus Politik oder Wirtschaft widmeten sich die Presenter-Stücke vor allem Themen wie Partnerschaft und Gesundheit, teilte die Stiftung am Donnerstag in Frankfurt am Main mit.

Die meist jungen Autorinnen und Autoren setzten auf eigene Erlebnisse sowie daraus resultierende Erfahrungen, Meinungen und Gefühle. "Nahezu jedes Thema wird über ihre persönlichen Erwartungen, Erfahrungen, Eindrücke oder Emotionen präsentiert. Durch diese Personalisierung stehen die Reporter*\innen regelmäßig im Fokus der Erzählung", sagte Studienautor Janis Brinkmann.

Nähe und Identifikation

Dieser Journalismus unterscheide sich von klassischen Reportagen, er sei subjektiver und unmittelbarer, schaffe Nähe und Identifikation, zudem vermittele er Erlebnisse und Erfahrungen insbesondere an ein Publikum, das sich von traditionellen Nachrichtenformaten nicht angesprochen fühlt, so Brinkmann. Er hatte 2022 bereits eine Studie zu den Reportage-Formaten im Jugendangebot Funk von ARD und ZDF verfasst und dabei Reportagen von "STRG F", "Y-Kollektiv" und "Reporter" analysiert.

In den neuen Reihen "Exactly" und "Crisis - Hinter der Front" hätten die ostdeutsche Lebenswirklichkeit und internationale Konflikte einen deutlich höheren Stellenwert, als das bei den älteren Funk-Reportagen der Fall gewesen sei, konstatiert Brinkmann. Diese thematische und perspektivische Erweiterung der Berichterstattung sei zu begrüßen.

Selfie-Journalismus

In vielen Beiträgen seien die Reporterinnen und Reporter aber nicht nur Erzähler, sondern auch Hauptquelle, Akteur und Bewertender. Investigative Recherchen und andere Quellen seien kaum erkennbar, wissensorientierte oder erklärende Aufbereitungsstrategien kämen nur am Rande vor. "Was authentisch gedacht ist, kann auch ins Selbstreferenzielle kippen, wenn echte Erfahrungen und Erlebnisse der Reporter*\innen fehlen, aber persönliche Bezüge trotzdem integriert werden sollen", so Brinkmann. Das führe in manchen Fällen zu einem wenig authentischen Selfie-Journalismus.

Zudem reichten die meisten Formate nicht an die digitale Reichweite von "STRG_F" oder "Y-Kollektiv" heran. Dies weise auf eine gewisse Übersättigung der jungen Zielgruppe mit subjektiv präsentierten Inhalten hin. Ein Grund könnte sein, dass einzelne Themen und Perspektiven in den Reportagen redundant vorkommen, wie Brinkmann ausführte. Nicht alle schafften es, ein erkennbar eigenes journalistisches Profil zu entwickeln.

cd



Zuerst veröffentlicht 26.06.2025 14:26

Schlagworte: Medien, Studien, Rundfunk, cd

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