Kammerspiel mit Tretminen - epd medien

28.06.2025 09:00

Überraschungspartys sind selten eine gute Idee. Das zeigt sich auch in der Komödie "Feste Feiern" von Regisseurin Julia Becker: Ein sehenswerter Film mit Humor, feinen Beobachtungen und überzeugenden Darstellern.

ZDF-Familienkomödie "Feste feiern"

Knut (Helgi Schmid) und Karo (Lucie Heinze) feiern eine Überraschungsparty.

epd Zwei Dinge sollte man in einer Beziehung tunlichst unterlassen: Briefe öffnen und lesen, die an den Partner adressiert sind, und obskure Überraschungspartys mit beiden Familien organisieren. Da in diesem Film Knut das eine tut und Karo das andere, knallt es bald gewaltig. Das ist in diesem Fall aber nicht schade, denn hier zeigt sich: wenn ein erstklassiges Team im Spiel ist, kann daraus ein überaus sehenswerter TV-Film werden.

Aber von vorn: Karo (Lucie Heinze) und Knut (Helgi Schmid) sind Ende 30, genauer: Knuts 40. Geburtstag steht bevor. Ein Paar, das schon länger in Leipzig zusammenlebt, gemeinsame Kinder haben will - "gefestigte Beziehung" nennt man das gern. Zu Knuts 40. Geburtstag hat Karo eine Überraschungsparty mit beiden Familien organisiert, die sich noch nicht begegnet sind. Dummerweise findet Knut zuvor während einer Kurzreise von Karo einen an sie adressierten Brief: Es ist ein Pränataltest. Knut ist außer sich, als Karo zurückkehrt, weil er weder von der Schwangerschaft noch von dem Test wusste.

Unterschiedliche Ansichten und alte Konflikte

Doch bevor beide zu einer Aussprache kommen, fällt die gesamte Mischpoke ein: Knuts Ost-Familie besteht aus seinen geschiedenen Eltern Uschi und Helmut (Steffi Kühnert, Jörg Schüttauf) und seinem Bruder Karsten (Richard Kreutz), einem erfolgreichen Arzt. Karos im Westen sozialisierte Familie sind Mutter Gilla (Victoria Trauttmannsdorff), Vater Bernhard (Matthias Brenner), Schwester Franziska (gespielt von Autorin und Regisseurin Julia Becker selbst) samt Gatte Hannes (Mohamed Achour), Baby und dem vierjährigen Sohn Malte.

Vorhang auf für das Kammerspiel, in dem viele Tretminen lauern: Ost-West-Differenzen und Generationenkonflikte, Eifersüchteleien und Ressentiments, Konkurrenzgebaren, unterschiedliche Lebensweisen und Ansichten, alte Familien- und Ehekonflikte, die wieder aufbrechen - und dazwischen versuchen Karo und Knut, ihre ernsthafte Krise in einem Gespräch zu klären. Dafür sind die Umstände denkbar ungünstig, denn ihre Sippen sind zunächst wild entschlossen zu feiern. Ständig platzt jemand in die Küche, wohin sich das Paar zum Gespräch zurückgezogen hatte, und außerdem ist da noch Malte, ein nach allen Regeln der Kunst verzogenes und verwöhntes Kind, das überall Chaos stiftet.

Wohldosierte Slapstick-Elemente

Regisseurin Julia Becker hat die Fäden souverän in der Hand. Ganz allmählich kocht die Situation hoch, bis alle möglichen schwelenden Konflikte aufplatzen und unangenehme Wahrheiten ans Licht kommen - ein inzwischen klassischer Topos vieler Familienfilme, mal als Drama, mal als Satire inszeniert. Doch wie das hier inszeniert wird, inklusive wohldosierter Slapstick-Elemente und kleiner, gut platzierter Gags, ist wirklich sehenswert. Denn viele Details sind fein und sehr genau beobachtet, und die Schauspielerinnen und Schauspieler spielen nicht nur differenziert und facettenreich, sie arbeiten auch höchst präzise die Beziehungen untereinander mit all ihren Ambivalenzen aus: Hier wird niemand denunziert, nichts ist eindimensional.

Da ist die übergriffige Gilla, die gern alles harmonisch hätte, aber irgendwann erschöpft zusammenbricht. Bernhard, mit dem sie in einer Rentnerehe lebt, in der vor allem das gemeinsame Scrabbeln verbindet (später kommt heraus, dass Gilla schon länger dabei schummelt). Bernhard, der eifersüchtig Gillas ausgelassenes Tanzen mit Helmut beobachtet, fühlt sich in seinen Ressentiments von Uschi verstanden, die ihren Lebensfrust gern im Alkohol ertränkt - bis beide feststellen, dass sich der eine über "die Ossis" aufregt und die andere über "die Asylanten".

Sticheleien und Verletzungen

Unterdessen tragen die Schwippschwäger Hannes und Karsten ihre beruflichen Konkurrenzen aus (beide sind Mediziner), Karo streitet mit ihrer Schwester, die ihren Vierjährigen immer noch stillt. Bald arten die anfänglichen Sticheleien in gegenseitige Verletzungen aus und die wiederum in eine erbitterte (Kissen)Schlacht - bis Gilla zusammenbricht.

Und wie in der antiken griechischen Tragödie folgt die Katharsis, die nicht minder sehenswert ist. Die eher nüchterne, stille Weise, wie dann doch alle zusammenfinden, ist in ihrer zarten Sprödigkeit durchaus anrührend.

infobox: "Feste feiern", Familienkomödie, Regie und Buch: Julia Becker, Kamera: Moritz Anton, Produktion: Oma Inge Film (ZDF-Mediathek seit 19.6.25, ZDF, 1.9.25, 20.15-21.45 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 28.06.2025 11:00

Ulrike Steglich

Schlagworte: Medien, Kritik, Fernsehen, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Fernsehfilm, Becker, Steglich

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