02.07.2025 10:01
ARD-Dokumentation "Mädchen können kein Fußball spielen"
epd Petra Landers hält eine Kaffeekanne in die Kamera: Es ist die Kanne aus dem mittlerweile legendären Geschirrservice, das der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den Nationalspielerinnen nach dem Gewinn der Europameisterschaft 1989 spendierte. Wenn sie vorher gewusst hätten, dass dies die Prämie für einen EM-Gewinn sein soll, "ich glaube, wir wären nicht aufgelaufen", sagt Europameisterin Landers lachend.
Pünktlich zum Start der EM in der Schweiz erinnert Torsten Körner an den langen Kampf der fußballbegeisterten Frauen um Anerkennung - auch in der DDR. Zwar gab es dort kein Verbot von Frauenfußball wie in der BRD, wo der DFB zwischen 1955 und 1970 einen Ligabetrieb aktiv verhinderte, aber auch im Osten fristete der Frauenfußball ein "Mauerblümchendasein", wie die ehemalige Jenaer Spielerin Doreen Meier sagt. Erst nach dem EM-Gewinn der westdeutschen Auswahl im Wendejahr 1989 gab die DDR-Sportführung grünes Licht zur Gründung einer eigenen Frauen-Nationalmannschaft. Am 9. Mai 1990 kam es in Potsdam zum ersten und einzigen Länderspiel gegen die Tschechoslowakei.
Der Publizist und Medienkritiker Körner hat sich mit dem Fußball und seiner gesellschaftlichen Bedeutung schon mehrfach auseinandergesetzt. In seinem mit mehreren Preisen ausgezeichneten Dokumentarfilm "Schwarze Adler" (2021) zählten auch Nationalspielerinnen zu den Protagonisten. Dennoch bekennt Körner in seinem Regie-Statement: "Dass auch Frauen seit vielen Jahrzehnten spielten und einen Kampf um Anerkennung und Gleichberechtigung führten, war mir nicht bewusst." Den Fußball nun aus einer weiblichen Perspektive zu betrachten, sei "meine Chance, das Fußballkind, das ich bin, erwachsen werden zu lassen".
Für den Film hat Körner also ausschließlich Frauen interviewt. Und auch auf eigene Kommentare verzichtet der Autor, der gerade das ergänzende Buch "Wir waren Heldinnen" bei Kiepenheuer & Witsch veröffentlicht hat. Die weibliche Perspektive in den Vordergrund zu rücken, ist nmehr als angemessen, bedenkt man die mediale Begleitmusik zum Aufstieg des Frauenfußballs, insbesondere im Westen. Wie die DFB-Funktionärsriege blickte auch der männlich geprägte Sport-Journalismus mit einer Mischung aus Voyeurismus und Herablassung auf die fußballbegeisterten Frauen.
Heißer Tanz in heißen Höschen.
"Geradezu aus der Luft gehäkelt dieser Ball", kommentierte ein Fernseh-Reporter in den 1950er Jahren. "Heißer Tanz in ,heißen Höschen'", lautete eine Zeitungsschlagzeile nach dem ersten offiziellen Länderspiel gegen die Schweiz im November 1982 in Koblenz. Denn der DFB hatte der Frauen-Auswahl zwar keine eigenen Trikots schneidern lassen, dafür aber Hosen, die extra knapp geschnitten waren. "Was man heute Sexismus nennt, war in den Siebziger Jahren Normalität", sagt Hannelore Ratzeburg, die über Jahrzehnte als Verbandsfunktionärin den Frauenfußball vorantrieb. Immerhin muss es dann wohl eine Art Fortschritt gegeben haben.
Körners Film ist in Aufbau, Form und Inhalt nicht innovativ, aber konsequent und aufgeräumt. Interviews mit zehn Pionierinnen des Frauenfußballs und eine ebenso bestürzende wie unterhaltsame Collage von Archivschätzen einschließlich zahlreicher Spielszenen liefern neben persönlichen Geschichten einen Überblick über die Entwicklung des Frauenfußballs nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Wiedervereinigung. Bereits früh zeigte sich: Frauen lassen sich das Fußballspielen nicht verbieten, auch wenn der DFB 1955 urteilt: "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden." Trotz des DFB-Beschlusses gibt es mehr als 100 Freundschaftsspiele einer westdeutschen Frauen-Auswahl gegen niederländische Teams. Dass es männlicher Funktionäre wie Josef Floritz bedurfte, die den Frauenfußball unterstützten, schmälert die Leistung der Frauen nicht, die sich von Männern und Medien nicht stoppen ließen.
Wir sind auf dem Weg.
Die Begeisterung für den Sport, Ehrgeiz und Stolz prägen denn auch die Interviews, die Körner nicht nur mit prominenten Ex-Spielerinnen wie Petra Landers, Anne Trabant-Haarbach oder Bärbel Wohlleben geführt hat. Einige kurze O-Töne von Adenauer, Ulbricht, Brandt und Honecker verweisen auf die jeweiligen Epochen und gesellschaftlichen Leitbilder, sind aber zugleich strukturierende Elemente. Körner verzichtet auch darauf, den Bogen in die Gegenwart zu schlagen, indem er etwa aktuelle Nationalspielerinnen einbezieht, und belässt es bei einem Kommentar der ehemaligen DFB-Vizepräsidentin Ratzeburg, die den Stand der Dinge am Ende auf den Punkt bringt: "Wir sind auf dem Weg. Die eine oder andere Baustelle ist da noch."
Die Beschränkungen tun dem Film gut, weil umso mehr Zeit bleibt für einen gründlichen Blick zurück, der mal wieder belegt, wie sich im Fußball Zeit- und Mediengeschichte spiegeln.
Körners Film beschränkt sich allerdings auf die deutsche Perspektive. Der britische Dokumentarfilm "Copa 71", der gerade in den Kinos gezeigt wird, belegt, dass die Historie des Frauenfußballs noch längst nicht auserzählt ist und eine internationale Perspektive in ganz andere Dimensionen führt. "Copa 71" erinnert an den zweiten "World Cup", den die Federation of Independent European Female Football (FIEFF) 1971 in Mexiko ausrichtete. Sechs Nationalmannschaften nahmen teil, Dänemark gewann das Endspiel 3:0 gegen Mexiko - vor mehr als 100.000 Zuschauerinnen und Zuschauern im Azteken-Stadion von Mexiko Stadt.
Es dauerte noch zehn Jahre, bis Deutschland erstmals an einem inoffziellen WM-Turnier der Frauen in Taiwan teilnahm. Als Team Deutschland lief die zu dieser Zeit dominierende SSG 09 Bergisch Gladbach um Trabant-Haarbach und Landers auf. Von diesem in Deutschland kaum wahrgenommenen Erfolg erzählte erstmals ausführlich der vom WDR koproduzierte Dokumentarfilm "Das Wunder von Taipeh" (2019) von John David Seidler.
Körner legt mit einer schönen Szene aus dem Archiv nach: Als die Spielerinnen Wochen später im WDR-Studio von "Sport im Westen" zu Gast waren, befragte der Moderator auch den DFB-Funktionär Horst Schmidt. "Es ist keine Weltmeisterschaft, sonst wäre eine DFB-Mannschaft gegangen", behauptete Schmidt dreist. Woraufhin ihn der Moderator mit der Richtigstellung unterbrach: "Eine Nationalmannschaft ist doch nicht hingefahren, weil's keine gibt." Immerhin eine Szene, die dem Sportjournalismus zur Ehre gereicht.
infobox: "ARD History: Mädchen können kein Fußball spielen", Dokumentarfilm, Regie und Buch: Torsten Körner, Kamera: Knut Schmitz, Produktion: Docdays Productions (ARD-Mediathek/RBB/MDR/HR/NDR/WDR seit 3.7.25, ARD, 4.7.25, 23.15-0.45 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 02.07.2025 12:01
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), K
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