04.07.2025 08:01
Dritte Staffel des ARD-Mystery-Hörspielserie "Mia Insomnia"
epd Von ihrem Leuchtturm aus sieht die junge Mia zwei Wege und fragt sich, welcher der richtige ist, wenn es Zeit ist zu gehen. Entweder, oder - das ist die Ordnung der Welt. Doch Nebel zieht auf, der sogenannte "Osternebel", diesmal verfrüht und außer der Zeit. Das kündet von Unheil. Ebenso wie die Gischt, eine Substanz, aus der das Regime, genannt "der Kreis", Profit schlägt und Kontrolle über die Menschen gewinnt.
Worauf kann ein Mensch seine Energie noch richten, wenn er im Limbus lebt, einer Art Zwischenreich? Bleibt nur die Entscheidung zwischen fanatischer Zugehörigkeit und ewiger Zerrissenheit? Wann kam es eigentlich zur Spaltung der Welt in eine böse und gute? Und, wenn man endlich hinter die Geheimnisse zu kommen meint: "Irre ich mich, oder irrt sich die Welt?"
Gregor Schmalzrieds Mystery-Hörspiel "Mia Insomnia", dessen dritte, zehnteilige Staffel der BR jetzt veröffentlicht hat, übersetzt spätpubertäre und damit nicht weniger berechtigte philosophische Fragen nach Bedeutung und Vergänglichkeit der Welt und des Ichs und nach dem Verrinnen der Zeit in ein traumartig kompliziertes, vielleicht auch etwas überladenes Gefüge.
"Mia Insomnia" kennt ein genaues Datum für die Spaltung der Welt: 1997 wurde sie in "Somnia" und "Insomnia" geteilt. Protagonistin Mia Johannsson, schwarzhumorig abgeklärt und zugleich empathisch gesprochen von Julia Gruber, wurde als Kind von ihrem Vater in bester Absicht von Somnia nach Insomnia entführt und wuchs dort ohne ihn auf. Nach Somnia zurückgekehrt, sehnt sie sich nach Ruhe und versucht, in einem Leuchtturm mit ihrem Vater die verpasste gemeinsame Zeit aufzuholen. In Zyklen von 26 Jahren geht Somnia unter und entsteht neu. Aber was sind schon 26 Jahre, wenn man jung ist?
Doch weil der Untergang verfrüht naht, muss Mia den plötzlich auftauchenden Nebel betreten, der es offenbar auf sie persönlich abgesehen hat. Sie scheint eine Art Magnet zu sein, wird zur Grenzgängerin, zur Forscherin. Sie will hinter das Geheimnis eines mysteriösen Hörspiels kommen, an das sie sich genau erinnern kann, das es aber gar nicht gibt. Oder doch? Jedenfalls steht es mit der Zweiteilung der Welt und der Stimme Bastian Pastewkas in geheimer Verbindung, der damals Hörspielsprecher der "Geisterjagd" war und den Mia in der ersten Staffel interviewte.
Klimawandel, Kriege und Armut, wie sie die schlechtere der beiden Welten bisher charakterisierten, werden in der dritten Staffel kaum erwähnt. Der Weltuntergang ist Routine und Bedrohung zugleich, er wird diesmal aber allgemein-philosophisch angegangen, flankiert von technologischen Spielereien und erweitert um die Möglichkeit, dass das negative Gerede über Insomnia nur Propaganda sein könnte.
Für Mia weder ein Anlass, zynisch zu werden, noch sich zur Moralpredigerin aufzuschwingen. Sie konzentriert sich aufs technisch Machbare: Zeitreisen sind möglich, und Menschen können aus der einen Welt in den Kopf des eigenen Doppelgängers in der Parallelwelt schlüpfen. Identität ist in diesen Zeiten ein brüchiges Konzept, die Gefahr des Untergangs und der Manipulation, aber real und die Frage drängend: Kann ein vereinzeltes Ich etwas gegen die Spaltung der Welt und die "vernarbte" Zeit tun? Die sozialpsychologische Antwort, die Mias Vater (Pirmin Sedlmeir) gibt, lautet: "Erwachsen wird man nicht allein, sondern nur mit anderen, für andere". Wenn zum Beispiel alle gleichzeitig eine bestimmte Hörspiel-Kassette abspielen, könnte das Unheil noch abgewendet werden.
Gregor Schmalzried, Jahrgang 1995 und als Autor und Regisseur in den Genres Mystery und Fantasy erfahren ("Lynn ist nicht allein", 2021, Regie: Lorenz Schuster), hat ein feines Ohr für zeitlose Fragen ums Erwachsenwerden und verknüpft sie mit der bei Jüngeren wieder als kultig angesagte Tonbandkassette. Gerade im jungen Erwachsenenalter kann es sich ja verdammt lang her anfühlen und zugleich verwirrend nah, dass man einst auf dem Hochbett noch Detektivgeschichten bingte.
Als Mystery-Stoff spannend und einfallsreich inszeniert, schafft "Mia Insomnia III" eine Atmosphäre zwischen greifbarer Weltabgeschiedenheit und ungreifbarer Bedrohung, leidet aber manchmal unter seiner Text- und Erklärflut.
infobox: "Mia Insomnia III", dritte zehnteilige Staffel der Hörspielserie, Regie und Buch: Gregor Schmalzried (ARD-Audiothek/BR seit 25.6.25)
Zuerst veröffentlicht 04.07.2025 10:01
Schlagworte: Medien, Podcast, Kritik (Hörfunk), KARD, Schmalzried, Lutz
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