Entspannt ist anders - epd medien

11.07.2025 08:19

Lena Scheidgen und Nicola Graef begleiten für ihren Film "Kick it like Women" vier junge Fußballerinnen ein Jahr lang. Dabei verzichten sie bewusst auf eigene Kommentare - mit Vor- und Nachteilen für das Publikum.

ARD-Doku "Kick it like Women - Die Zukunft des Frauenfußballs"

Nachwuchsspielerinnen vom DFB-Fußballinternat Kamen-Kaiserau

epd Sport ist schön, aber auch ganz schön anstrengend. Das ist die erste Erkenntnis dieses Films. Die zweite lautet: Talent allein genügt nicht. Wer nicht bereit ist, seinem Traum von der Profikarriere wirklich alles unterzuordnen, wird es nie ganz nach oben schaffen. Ein Jahr lang begleiteten Lena Scheidgen und Nicola Graef vier junge Kickerinnen. Zwei stehen noch ganz am Anfang ihrer Karriere, eine hat es bereits geschafft: Alara Sehitler, heute 18, gehört zum erweiterten Kreis der Nationalmannschaft. Die vierte, Jonna Brengel (20), konnte sich bei Eintracht Frankfurt nicht durchsetzen und ist in die Zweite Liga zum 1. FC Nürnberg gewechselt, um mehr Spielzeit zu bekommen.

Quälende Monate

So reizvoll es auch ist, gemeinsam mit Alara hinter die Kulissen des Bayern-Campus zu schauen: Mit Blick auf den Titelzusatz ("Die Zukunft des Frauenfußballs") sind die Szenen mit Yumna (zu Beginn des Films 14) und Mathilda (15) die interessanteren. Die beiden Mädchen besuchen das westfälische DFB-Internat Kaiserau. Einst trugen solche Einrichtungen die Bezeichnung "Kaderschmiede": Wer eine Einladung in die Elitesportschule bekommt, darf sich Hoffnungen machen, irgendwann Nationalspielerin zu werden. Die Bedingungen sind optimal, in jeder Hinsicht. Trotzdem vergehen quälend viele Monate, bis Yumna endlich am ersten Mannschaftstraining teilnehmen darf: Sie ist mit einem Kreuzbandriss angereist.

Die Autorinnen haben auf einen Kommentar verzichtet, das Wort haben die jungen Frauen. Das ist einerseits löblich, andererseits aber auch schade: weil auf diese Weise zu viele wichtige Aspekte nur angerissen werden. Ein ganz erhebliches Manko bei der Ausbildung junger Fußballerinnen war beispielsweise jahrelang die Ignoranz der (meist männlichen) Trainer, die die Mädchen wie Jungs behandelten und keine Ahnung hatten, dass der weibliche Körper für Verletzungen wie eben den Kreuzbandriss ungleich anfälliger ist. Vom Menstruationszyklus, lange Zeit ein Tabuthema im Frauensport, ganz zu schweigen. Das kommt zwar kurz zur Sprache, als eine Sportwissenschaftlerin die Mädchen informiert, wird aber in den Gesprächen mit den vier Kickerinnen nicht weiter vertieft. Womöglich wäre es gerade den beiden Jüngeren auch peinlich gewesen.

Alltag wie bei der Bundeswehr

Scheidgen und Graef war es offenbar wichtiger zu verdeutlichen, wie früh für angehende Profis die Kindheit endet. Einer der Väter vergleicht den Alltag seiner Tochter und ihre Heimkehr am Wochenende mit der Bundeswehr. Yumna hat sich neben dem Kreuzband auch den Meniskus gerissen. Für Profis bedeutete das früher zumeist das Karriereende, für junge Leute heute oft genug auch, weil die Verletzung ihnen die Motivation raubt, ein Jahr auf das Comeback hinzuarbeiten. Die Bilder dokumentieren, wie mühsam und qualvoll dieser Weg ist.

Immerhin dürfen die Mädchen zwischendurch auch einfach nur Kinder sein und Unfug machen, wie mehrere Videos belegen. Aber den Internatsalltag jenseits des Fußballs zeigt der Film nicht. Auch Einblicke ins Seelenleben gibt es nicht. Heimweh scheinen Yumna und Mathilda nicht zu haben, gerade Mathilda wirkt sehr abgeklärt, wenn sie beschreibt, wie sie mit der Erwartungshaltung ihrer Umgebung umgeht. Da ist es fast schon rührend, wenn Alara ihre Kuscheltiere vorstellt. Sie hat während der Aufnahmen parallel zum täglichen Training ihr Fachabitur gemacht, das Praktikum konnte sie immerhin auf dem Campus absolvieren. Trotzdem stellt sie trocken fest: "Entspannt ist anders."

Misogyne Sprüche von Vätern

Aufschlussreicher als ein Interview mit Sophia Kleinherne aus Frankfurt, Absolventin des Sportcentrums Kaiserau, sind die Gespräche mit den Vätern und Müttern, die nicht den Eindruck verbissener Eislauf- oder Tenniseltern machen. Es fällt auf, dass sämtliche Personen, mit denen Scheidgen und Graef gesprochen haben, ausgesprochen sympathisch wirken, auch Alaras Manager Felix Seidel. Außer vor Verletzungen, legt der Film nahe, brauchen sich Mädchen vor nichts zu fürchten - höchstens vor den misogynen Sprüchen von Vätern am Spielfeld, wenn sie deren Söhne als Mitglieder einer Jungsmannschaft alt aussehen lassen.

infobox: "Kick it like Women - Die Zukunft des Frauenfußballs", Regie und Buch: Lena Scheidgen, Nicola Graef, Kamera: Daniel Schonauer, Stefanie Gartmann, Alexander Vexler, Jan Bormann, Philip Keopsell, Frank Kranstedt, Produktion: Graefscreen Productions (ARD/SWR/BR, 16.7.25, 23.50-1.20 Uhr und seit 10.7.25 in der ARD-Mediathek)



Zuerst veröffentlicht 11.07.2025 10:19 Letzte Änderung: 11.07.2025 10:54

Tilmann Gangloff

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik (Fernsehen), KARD, KSWR, Scheidgen, Graef, Gangloff, NEU

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