Lustig-Wuchtiges von der Schulbank - epd medien

16.07.2025 07:20

Kabarettistin Christine Eixenberger verdonnert in einer BR-Show Trickser, Dampfplauderer und Störenfriede zum "Nachsitzen". In der Show geht es gepflegter und gesünder zu als beispielsweise bei Obercholeriker Gernot Hassknecht im ZDF, urteilt Senta Krasser.

Die BR-Satireshow "Nachsitzen mit Christine Eixenberger"

Christine Eixenberger

epd. Die Kabarettistin und Schauspielerin Christine Eixenberger ist studierte Grundschulpädagogin, hat aber diesen Beruf nie ausgeübt. Trotzdem scheint dieses Detail ihrer Vita Fernsehproduzenten außerordentlich zu inspirieren. Die MadeFor Film schrieb der Beinahe-Lehrerin im Sommer 2020 eine Sitcom für ZDFneo auf den komödiantischen Leib, in der sie als pädagogische Fachkraft am Online-Unterricht verzweifelt. Es war Pandemie, die Schulen geschlossen und "Lehrerin auf Entzug" mit sechsmal achtminütigen Folgen eine nicht perfekte, aber kurzweilige Expresslieferung am Puls der Coronazeit.

Auch Eixenbergers neue Sendung, diesmal von der Constantin Entertainment für den BR produziert, nimmt Anleihen an ihrer Biografie. Allerdings ist "Nachsitzen mit Christine Eixenberger" keine Fiction, sondern eine in die Schulkulisse gepresste Show. Sie läuft im Bayerischen Fernsehen auf dem politisch-satirischen Sendeplatz neben Traditionsformaten wie "Schlachthof", "Asül für Alle" und "Kabarett aus Franken" und probiert neue Formatwege aus.

Eixenberger kann Bühne

Das Konzept geht so: Christine Eixenberger stürmt in ein Klassenzimmer, das Old-School-Charme der 80er-Jahre versprüht. Zwei "Schüler", bekannt aus Kabarett und Comedy, bleiben hinter der verglasten Tür und lugen und hören, was die Frau Lehrerin, also Eixenberger, da so von sich erzählt. Direkt mit Schule hat ihr fünfminütiges Stand-Up nichts zu tun; als pädagogisch wertvoll könnte man die Erklärungen der 38-Jährigen, warum sie selbst keine Kinder hat (Klimawandel! Krieg! Die Kosten!) oder warum sie Beauty-OPs ablehnt, obwohl die "Erlebniszone Brustbereich inzwischen eher aussieht wie ein Bällebad", wohl durchgehen lassen. Lustig-wuchtig sind sie auf jeden Fall. Eixenberger kann Bühne, kann Schenkelklopfer, kann Pointe, kann Grimassenkunst. All das dann auch noch auf "boarisch" - sie stammt vom Schliersee, "fei pfundig".

Das Studio-Publikum ist gut aufgewärmt, da gibt die Gastgeberin mit dem Kommando "Erhitzt unsere Gemüter" ab an ihre Gäste. Deren "Referaten" hört sie Dieter-Nuhr-haft von der Seite aus zu. Es sind Mini-Kabarettnummern über je zwei ziemlich aktuelle Aufregerthemen aus Politik und Gesellschaft, bei denen "einem das Tipp-Ex im Schlampermäppchen aufgeht" (Eixenberger): Die Milka-Schokolade kostet jetzt mehr, wiegt aber weniger? Alice Weidel wettert gegen "Windkraft-Wahnsinn"? Die Steuererklärung ist noch immer nicht so simpel wie auf Merzens Bierdeckel? Wohnen in München ist so teuer wie Kokain? Der FIFA-Boss bekämpft Korruption mit Korruption? René Benko hat Karstadt-Filialen umgewandelt in Erlebnisparks für Ratten?

Michael Kessler und Maxi Gstettenbauer (in der Premierensendung), Antonia Stabinger und Michael Altinger (in der zweiten Ausgabe) empören sich unter Zuhilfenahme von Requisiten, Fotos oder einem kleinen Zuspieler über die Verursacher des jeweiligen "Schmarrns". Sie tun das nur deutlich gepflegter und gesünder, als man es von der Obercholeriker-Figur Gernot Hassknecht aus der ZDF-"heute-show" kennt.

Inspiriert von Kebekus

Die eine und andere Inspiration aus anderen Formaten ist in "Nachsitzen" zu erkennen. Wenn etwa Iris Mayerhofer, die beim BR den Programmbereich Unterhaltung und Heimat leitet, die "ganz klar weibliche Handschrift" lobt, dann hatte sie vielleicht die Gastgeberin der "Carolin Kebekus Show" im Hinterkopf, die das Copyright auf Frauen und Gedöns im Satire-Fach hat. Wie Kebekus bricht auch Christine Eixenberger aus der reinen Host-Rolle aus. Wiederkehrende Rubrik ihrer Show ist die "Politische Klasse", ein Sketch, in dem sie "method-acting-mäßig" (und nach Stunden in der Maske) in die Schüler-Ichs von Ricarda Lang, Friedrich Merz, Markus Söder und Alice Weidel schlüpft. Parodie, das kann die Eixenberger auch.

Wirklich originär, wenn auch nicht gerade originell ist das Klassenzimmer-Setting. Politischem Kabarett haftet ja immer etwas Oberlehrerhaftes an. Und auch in "Nachsitzen" recken Eixenberger und ihre Gäste gerne den moralischen Zeigefinger in die Höhe. Aus der übergreifenden Erzählung "hier brauchen ein paar Deppen dringend Nachhilfe in Demokratie, Anstand und Realitätssinn" holen die Autoren Christina Schlag ("Browser Ballett") und Thomas Lienenlüke (Nockherberg-Singspiel) sprachlich alles heraus, was mit Schule zu tun hat, bis hin zum "Blauen Brief".

Zu guter Letzt kommt der Blaue Brief

Welcher Trickser, Dampfplauderer, Störenfried bekommt den schriftlichen Arschtritt mit der Aufforderung, sich zu bessern? Wer wird "Nachsitzer der Woche"? Das entscheidet am Ende das Studiopublikum. Es ist der "Zimmer frei!"-Moment in "Nachsitzen", nur dass nicht Kellen, sondern die Handys zur Abstimmung gezückt werden. Die Empfänger bisher: Münchens OB Dieter Reiter für seine unsoziale Wohnpolitik und (tadaa!) Donald Trump für seine "Grab her by the pussy"-Policy. Letzterer: absolut verdient nach der großartigen Nominierungsnummer von der als Vulva verkleideten Kabarettistin Antonia Stabinger. Die Überbringung des Blauen Briefs kurz vorm Abspann erfolgt dann aber nicht von Menschenhand, sondern wird, wie das jetzt im Fernsehen immer mehr üblich wird, mit Künstlicher Intelligenz inszeniert.

In einem Interview sagte Christine Eixenberger, sie wolle in "Nachsitzen" den oft vernachlässigten Bereich Bildung stärker in den Fokus rücken, also auf Dauerbaustellen wie überfrachtete Lehrpläne, fehlende Digitalisierung und den Lehrermangel blicken. Vielleicht passiert das ja tatsächlich noch. Zwei weitere Ausgaben ihrer Sendung stehen im BR-Programm. Eine mögliche Fortsetzung entscheidet, wie immer, das Publikum.

infobox: "Nachsitzen mit Christine Eixenberger", vierteilige Satireshow mit Christine Eixenberger, Buch: Christina Schlag, Thomas Lienenlüke, Produktion: Constantin Entertainment (BR/ARD-Mediathek, seit 3.7.25 jeweils donnerstags um 21 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 16.07.2025 09:20 Letzte Änderung: 16.07.2025 11:04

Senta Krasser

Schlagworte: Medien, Fernsehen, ZDF, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KBR, Eixenberger, Krasser, NEU

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