DW weist Vorwurf der Einseitigkeit bei Nahost-Berichten zurück - epd medien

23.07.2025 09:45

Die Deutsche Welle steht in der Kritik, einseitig über den Nahostkonflikt zu berichten und Israel als Hauptaggressor darzustellen. Der Sender widerspricht diesem Eindruck. Er verweist auf kontroverse Debatten innerhalb der Redaktion und seine Verpflichtung, ausgewogen zu berichten.

Der Auslandssender Deutsche Welle in Bonn

Bonn (epd). Der deutsche Auslandssender Deutsche Welle (DW) hat Vorwürfe der einseitigen Berichterstattung über den Nahostkonflikt zurückgewiesen. "In unseren Redaktionen, die viele Perspektiven zusammenbringen, wird der Nahostkonflikt kontrovers diskutiert", teilte der Sender am 21. Juli in Bonn mit. Die Hamas und die Hisbollah seien "selbstverständlich Gegenstand der kritischen DW-Berichterstattung".

Hintergrund sind Berichte in der "Evangelischen Zeitung" am 11. und 21. Juli, in denen eine Reihe von Mitarbeitern der DW ein Klima der latenten bis offenen Ablehnung Israels bei der DW schilderten. Kontinuierlich werde gegen journalistische Standards der Pluralität, Neutralität und Unabhängigkeit verstoßen. Kritische Berichte über die Hamas und die libanesische Hisbollah bei DW-TV, im Online-Portal und in Auftritten in sozialen Netzwerken des Senders seien "sehr selten bzw. fast gar nicht vorhanden", hieß es. Stattdessen werde Israel oft als Hauptaggressor dargestellt. Beschwerden dazu würden ignoriert.

"Natur von Kurzvideos"

Die DW schrieb dazu, dass die Redaktionen des Senders zur ausgewogenen Berichterstattung verpflichtet seien. Die wichtigsten Profilthemen der DW seien Freiheits- und Menschenrechte sowie Demokratie. "Vor diesem Hintergrund betonen wir nachdrücklich, dass die journalistischen Standards der Pluralität, Neutralität und Unabhängigkeit für jeden Beitrag der DW gelten und daraufhin geprüft werden. Sollten einzelne Beiträge von diesen journalistischen Standards abweichen, werden sie korrigiert."

Dass die Kritik sich maßgeblich gegen einzelne Social-Media-Beiträge der DW richte, etwa auf Instagram, sei bedenklich, hieß es weiter. "Es liegt in der Natur von Kurzvideos, dass sie komplexe Sachverhalte nicht umfassend darstellen können. Diese Kurzformate sind im Gesamtgefüge der Beiträge auf der jeweiligen Plattform zu betrachten, sowie als Ergänzung zur weiteren Berichterstattung der DW."

Zudem verfüge die DW über klare Community-Regeln. "Die DW verwehrt sich antisemitischer und weiterer Hass-Kommentare und verurteilt sie aufs Schärfste. Unser Community-Management löscht entsprechende Kommentare möglichst umgehend."

Kommentare bleiben zu lange stehen

Richtig sei demgegenüber die Wahrnehmung, dass antisemitische und andere diskriminierende Kommentare teilweise zu lange unter DW-Posts stehen bleiben. "Wir bauen unser Community-Management weiter aus, um - verstärkt auch mithilfe von KI - noch schneller reagieren zu können und die unzureichende Handhabe solcher Kommentare durch die Social-Media-Plattformen auszugleichen."

Wiederholt habe die DW den Autor der Artikel in der "Evangelischen Zeitung" aufgefordert, konkrete Fragen zu den in einem Dokument unübersichtlich zusammengetragenen Aussagen und Links zu formulieren. Dies sei nicht geschehen. "Uns ist ein Arbeitsumfeld wichtig, in dem eine offene Diskussionskultur herrscht und in der sich die Mitarbeitenden sicher fühlen, insbesondere wenn sie Kritik äußern. Hier sind wir allerdings darauf angewiesen, dass die Betroffenen sich vertraulich an die Stellen in der DW wenden, die speziell eingerichtet wurden, um ihre Sorgen und Bedenken anzunehmen." Die DW könne nicht aktiv werden, wenn sie keine Kenntnis von diesen Fällen habe.

Kultur- und Medienstaatsminister Wolfram Weimer hatte die Deutsche Welle aufgefordert, Stellung zu den Vorwürfen zu beziehen. "Hinweise auf Verstöße gegen eine ausgewogene Berichterstattung und journalistische Standards sind von den DW-Gremien sorgfältig zu prüfen", teilte eine Sprecherin des Staatsministers am 22. Juli dem epd auf Anfrage in Berlin mit. Weimer habe die Stellungnahme der DW zur Kenntnis genommen, sagte eine Sprecherin am 23. Juli dem epd. "Diese steht für sich und er hat dem nichts hinzuzufügen."

Zuvor hatte die "Jüdische Allgemeine" darüber berichtet. Weimer ist auch Mitglied im Rundfunkrat des Senders, der maßgeblich aus Mitteln des Kulturstaatsministers finanziert wird.

Inhalte mit Nahost-Bezug

Auch der Verband Jüdischer Journalistinnen und Journalisten forderte die Chefredaktion und Intendanz der DW auf, die Vorwürfe zur Israel-Berichterstattung des Senders aufzuklären und dabei auch auf externe Expertise zurückzugreifen. "Sofern sich die bisher bekannt gewordenen Hinweise auf systematische Israelfeindlichkeit erhärten, müssen Konsequenzen gezogen werden", erklärte Susanne Stephan, Co-Vorsitzende des Verbands, am 21. Juli in Frankfurt am Main.

Der Sender solle Mitarbeitenden die Möglichkeit geben, gegenüber einem oder einer neutralen Außenstehenden ihre Eindrücke über Bewerbungsprozesse von redaktionell Tätigen, Themenwahl und Aufarbeitung aktueller Inhalte mit Bezug zum Nahen Osten zu schildern, schlug der Verband vor.

Die Deutsche Welle hatte 2021 nach Antisemitismus-Vorwürfen gegen die arabischsprachige Redaktion fünf Mitarbeitende suspendiert und eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Die beauftragten externen Fachleute fanden demnach Hinweise auf punktuelles Fehlverhalten, aber keinen strukturellen Antisemitismus.

Der deutsche Auslandssender beschäftigt nach eigenen Angaben rund 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Er verfügt über ein jährliches Budget von mehr als 400 Millionen Euro. Der Sender arbeitet von den Standorten in Bonn und Berlin aus mit zahlreichen Auslandsbüros weltweit. Die DW ist Mitglied der ARD, wird aber aus Steuermitteln des Bundes finanziert. Mit ihren TV-, Online- und Radioangeboten erreicht sie nach eigenen Angaben jede Woche 320 Millionen Nutzer.

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Zuerst veröffentlicht 23.07.2025 11:45 Letzte Änderung: 23.07.2025 15:28

Schlagworte: Medien, Nahost, Deutsche Welle, Evangelische Zeitung, ema, NEU

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