Reporter ohne Grenzen: Öffentlich-rechtliche Medien unter Druck - epd medien

25.07.2025 10:27

Im August werden die meisten Bestimmungen des Europäischen Medienfreiheitsgesetzes (EMFA) für die EU-Staaten verpflichtend. Reporter ohne Grenzen fordert eine konsequente Umsetzung des Gesetzeswerks und warnt vor zunehmender politischer Einflussnahme auf öffentlich-rechtliche Medien.

Deutschland-Sitz von Reporter ohne Grenzen im Publix-Haus in Berlin

Paris/Berlin (epd). Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) warnt vor zunehmenden Bedrohungen für öffentlich-rechtliche Medien in Europa. In ihrem am 21. Juli veröffentlichten Bericht "Pressure on public media: a decisive test for European democracies" ("Druck auf öffentlich-rechtliche Medien: ein entscheidender Test für die europäischen Demokratien") sieht die Nichtregierungsorganisation auch für die Medien in Deutschland große Herausforderungen. Der Bericht erschien mit Blick auf den 8. August, an dem die meisten Bestimmungen des Europäischen Medienfreiheitsgesetzes (EMFA) für die EU-Mitgliedstaaten verpflichtend werden.

In mehreren EU-Staaten nimmt dem Bericht zufolge der politische Druck auf öffentlich-rechtliche Medien kontinuierlich zu - teils subtil über Gremienbesetzungen und Sparvorgaben, teils offen durch Umstrukturierungen, Fusionen oder gezielte Angriffe. Neben Ungarn und der Slowakei verweist RSF auch auf die Entwicklungen in Italien, wo die Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gezielt ihre formalen Einflussmöglichkeiten nutze, um der Radiotelevisione Italiana (RAI) ein konservatives Profil zu geben.

Relativ hoher Schutz in Deutschland

Die Studie basiert auf einer Umfrage in den 27 EU-Staaten sowie in der Schweiz und dem Vereinigten Königreich. In mehr als der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten halten die Befragten demnach den Druck auf öffentlich-rechtliche Medien für politisch motiviert. 55,17 Prozent geben politische Einflussnahme als Hauptursache an - etwa durch Eingriffe in die Leitung oder überraschende Führungswechsel. Der Rundfunkbeitrag, der in zehn EU-Staaten erhoben wird, wird oft zum Ziel populistischer Kritik - und das sowohl in wirtschaftlich schwachen Ländern wie Spanien, Portugal und Italien als auch in eher wirtschaftlich stabilen Ländern wie der Schweiz und Deutschland.

Um Medienpluralismus und -unabhängigkeit in der EU zu schützen, wurde im Frühjahr 2024 mit dem EMFA ein umfangreiches Regelwerk verabschiedet. Es verpflichtet die Mitgliedstaaten unter anderem, ab dem 8. August 2025 die redaktionelle und strukturelle Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Medien gesetzlich abzusichern. RSF forderte, die Regelungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk müssten konsequent umgesetzt werden. Dies könne insbesondere durch transparente und unabhängige Auswahlverfahren für Intendanzen und Kontrollgremien geschehen.

RSF besorgt wegen AfD-Forderungen

In Deutschland genießen die Sender ARD, ZDF sowie die Rundfunkanstalt Deutschlandradio nach Ansicht von RSF einen vergleichsweise hohen Schutz vor direkter politischer Einflussnahme. Doch der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) sei in letzter Zeit nicht zuletzt durch die intransparente Besetzung von Aufsichtsgremien, überhöhte Gehälter von Spitzenpersonal und starken Einfluss von Partei- und parteinahen Akteuren in die Kritik geraten.

RSF sieht zudem mit großer Sorge auf die medienpolitischen Forderungen der AfD. Deren Ziel sei nicht Reform, sondern faktisch die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das Ziel einer freien und umfassenden Meinungsbildung wäre mit der von der AfD geforderten Umwandlung in ein Bezahlfernsehen, dem Ende des Rundfunkbeitrags und der Wahl von Kontrollgremien nur durch die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht mehr gewährleistet, so die Organisation.

"Gerade in Zeiten von Desinformation und gezielter Einflussnahme braucht es starke öffentlich-rechtliche Medien, deren Unabhängigkeit durch klare Regeln abgesichert ist", erklärt Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen in Deutschland. "Es ist erschreckend, dass öffentlich-rechtliche Medien in Ländern wie Ungarn und der Slowakei zu Sprachrohren der Regierung umgebaut oder, wie in Liechtenstein, gleich ganz abgeschafft wurden. Das duale System aus privaten und öffentlichen Medien hat sich in Deutschland bewährt und muss gestärkt werden."

Positives in Schweden, Tschechien und der Schweiz

Positive Beispiele sind laut RSF Schweden, Tschechien und die Schweiz, die zeigten, dass Unabhängigkeit möglich ist: In Schweden sind Sveriges Radio (SR) und Sveriges Television (SVT) demnach durch ein breites Gremienmodell und stabile gesetzliche Garantien gut abgesichert.

Tschechien habe die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegen politische Eingriffe gestärkt, indem die Finanzierung stabilisiert und das Verfahren zur Ernennung der Mitglieder des Fernseh- und des Rundfunkrats geändert worden sei. In der Schweiz überzeuge die Schweizerische Rundfunkgesellschaft (SRG SSR) durch transparente Verfahren und eine breite gesellschaftliche Verankerung, gestützt durch einen klar definierten öffentlich-rechtlichen Auftrag, so RSF.

koe



Zuerst veröffentlicht 25.07.2025 12:27

Schlagworte: Medien, Studie, Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk, Reporter ohne Grenzen, RSF, koe

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