31.07.2025 09:03
Arte-Dokumentation "Pakistan - Atommacht unter Druck"
epd Die Weltöffentlichkeit lenkt ihren Blick stets nur für relativ kurze Momente auf Pakistan. Regelmäßig ist das bei Flutkatastrophen und anderen Extremwetterereignissen der Fall. In diesem Frühjahr weckte eine erneute Eskalation mit dem Nachbarland Indien im bereits seit fast 80 Jahren schwelenden Konflikt um die Kaschmir-Region die globale Aufmerksamkeit. Diese militärische Auseinandersetzung - ausgelöst durch einen islamistischen Terroranschlag im indischen Teil Kaschmirs, für den die indische Regierung den pakistanischen Geheimdienst mitverantwortlich machte - endete am 12. Mai mit einem vorläufigen Waffenstillstand.
Die Folgen des Klimawandels - Pakistan gehört zu den fünf am meisten betroffenen Ländern - und das permanent bedrohliche Spannungsverhältnis mit Indien sind zwei der Themen, die Michael Richter in seiner 90-minütigen Dokumentation "Pakistan - Atommacht unter Druck" aufgreift.
Wenn man den kompletten Film, der Teil des Themenabends "Krisenherd Indien - Pakistan" war, gesehen hat, kommt man zu dem Schluss, dass die im Titel verwendete Formulierung "unter Druck" eine euphemistische Beschreibung der Gemengelage ist, in der sich Pakistan befindet: Die de facto vom Militär kontrollierte Regierung verkörpert zwar Härte, ist aber in allen entscheidenden Bereichen nicht handlungsbereit, unternimmt zum Beispiel nichts, um die Bevölkerung in den ausgedehnten Gletscherregionen vor dem Klimawandel zu schützen.
Das Land ist wirtschaftlich schwach, jeder Vierte lebt unter der Armutsgrenze, und 2026 steht das Anwachsen der Bevölkerung auf 250 Millionen bevor. Pakistan wäre, wie der Film deutlich macht, "längst Bankrott", wenn China nicht aus geostrategischen Gründen massiv in die Infrastruktur des Landes investieren würde.
Ein großes Problem, das Richter beschreibt, ist auch die fragile innere Sicherheit: Lynchjustiz bleibt oft straflos, der illegale Waffenhandel ufert in einigen Regionen aus, immer wieder kommt es zu islamistischen Terroranschlägen auf Christen und chinesische Staatsbürger. Eine zentrale Person, die zur Gewalt aufruft, ist der Imam Abdul Aziz. Er tut es auch in dieser Dokumentation. Die Aura, die von dem Imam ausgeht, empfindet man schon als Zuschauer als derart bedrohlich, dass man sich fragt, wie sich Michael Richters Co-Autor Arsalan Khalid gefühlt haben mag, als er den radikalen Prediger interviewt hat.
Ausgerechnet dieses so instabile und unter so vielen Aspekten schwache Land ist militärpolitisch eine Großmacht. Schließlich verfügt Pakistan über 175 Atomwaffen - wie auch der Erzfeind Indien. Zu den Gesprächspartnern, die Richter für seinen Film gewinnen konnte, gehören die pakistanische Politikwissenschaftlerin und Militärexpertin Ayesha Siddiqa vom King’s College in London, die frühere pakistanische Regionalpolitikerin Mary James Gill, die heute das Center for Law & Justice Pakistan leitet, und der Aktivist Ahmad Waqas Goraya, der unter ständiger Lebensgefahr von den Niederlanden aus Oppositionsarbeit macht. Sie steuern bereichernde Perspektiven bei.
Es spricht auch für den Film, dass Richter sich nicht im Sinne einer wie auch immer gearteten Gefälligkeit dazu verleiten lässt, ein hoffnungsvolles Fazit zu ziehen.
"Pakistan - Atommacht unter Druck" ist öffentlich-rechtliches Bildungsfernsehen im besten Sinne. Bildungsfernsehen, das seine Zuschauer nicht "abholen" will, sondern ihnen etwas zutraut. Bildungsfernsehen also, das immer seltener wird. Sandra Maischbergers Produktionsfirma Vincent und die Arte-Redaktion des NDR verdienen Lob dafür, dass sie diesen Film möglich gemacht haben.
infobox: "Pakistan - Atommacht unter Druck", Regie und Buch: Michael Richter, Kamera: Azeem Abbas, Muhammed Shuban, Shazaib Wahlah, Produktion: Vincent Productions (Arte/NDR, 22.7.25, 20.15-21.45 Uhr und bis 19.10.25 in der Arte-Mediathek)
Zuerst veröffentlicht 31.07.2025 11:03
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KArte, Dokumentation, Pakistan, Martens
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