07.08.2025 13:46
Karlsruhe, Bielefeld (epd). Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfen sogenannte Staatstrojaner nur bei schweren Straftaten eingesetzt werden. Eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung zur Aufklärung von Straftaten, die lediglich eine Höchstfreiheitsstrafe von drei Jahren oder weniger vorsehen, sei nicht verhältnismäßig, teilte das Gericht am Donnerstag mit. Bei dieser Art der Überwachung kann Spähsoftware auf Computern oder Smartphones von Verdächtigen installiert werden.
2017 hatte die damalige schwarz-rote Bundesregierung die Strafprozessordnung geändert, um den Einsatz von Staatstrojanern zu ermöglichen. Paragraf 100 b der Strafprozessordnung erlaubt bei der Strafverfolgung eine heimliche Überwachung von IT-Systemen. Diese Änderung stufte das Gericht nun als teilweise verfassungswidrig ein. Bis zu einer Neuregelung gilt die bestehende Regelung jedoch weiter. (AZ: 1 BvR 180/23)
Die polizeirechtlichen Ermächtigungen zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung im umstrittenen Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen sind nach Auffassung des Gerichts jedoch mit dem Grundgesetz vereinbar. (AZ: 1 BvR 2466/19)
Unsere Grundrechte wurden gestärkt.
Beschwerden gegen die beiden Regelungen waren unter anderem von der Bielefelder Datenschützer-Initiative Digitalcourage eingereicht worden. "Ich freue mich, dass der Einsatz von Staatstrojanern jetzt eingeschränkt wurde", erklärte Padeluun, Mitbegründer und langjähriger Vorstand des Vereins Digitalcourage. Das Gesetz sei in Teilen für nichtig erklärt worden, der Straftatenkatalog stark begrenzt. "Unsere Grundrechte wurden damit gestärkt", sagte er.
Der Deutsche Journalistenverband äußerte sich hingegen enttäuscht: Das Gericht habe die Strafverfolgung eindeutig höher gewichtet als den Informantenschutz, erklärte der Journalistenverband in Berlin. Das mache es für Journalistinnen und Journalisten schwerer, Quellen zu schützen. Zwar sei der zugrunde liegende Paragraf 100 b der Strafprozessordnung aus formalen Gründen verfassungswidrig, bleibe aber bis zu einer Neuregelung in Kraft.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) wertete die Entscheidung als "eine willkommene Konkretisierung und Rechtssicherheit für die Ermittlungsbehörden". Auch bisher sei die Quellen-Telekommunikationsüberwachung in der polizeilichen Praxis nicht zur Verfolgung von Bagatelldelikten eingesetzt worden, erklärte der BDK in Berlin. Die Entscheidung, die hier eine klare Grenze ziehe, "bestätigt unseren bisherigen Ansatz und trägt zur Präzisierung der Anwendung bei". Zugleich gebe es mit dem Urteil einen "deutlichen Auftrag an den Gesetzgeber, die Strafprozessordnung zu überarbeiten und zu modernisieren".
Das neue Polizeigesetz war am 12. Dezember 2018 von der schwarz-gelben Regierungskoalition mit den Stimmen der SPD im Landtag verabschiedet worden. Das Gesetz weitet die Befugnisse der Polizei bei der Terrorabwehr und Alltagskriminalität deutlich aus - insbesondere bei der Überwachung von digitaler Kommunikation und dem Umgang mit Gefährdern. Die Landespolizei kann unter anderem Staatstrojaner einsetzen, um verschlüsselte Messenger auszulesen.
lwd
Zuerst veröffentlicht 07.08.2025 15:46 Letzte Änderung: 07.08.2025 15:50
Schlagworte: Medien, Bundesgerichte, Datenschutz, Quellenschutz, lwd, NEU
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