Verloren in Los Angeles - epd medien

10.08.2025 08:10

Im Herbst 2022 führte ein Stipendium den Hörspielmacher und Komponisten Felix Kubin nach Los Angeles.Drei Monate lang tauchte er tief in die Spoken-Word- und Poetry-Szene der pulsierenden Metropole ein. Ergebnis ist "Flow", eine akustische Stadterkundung.

Hörspiel "Flow. Beyond Baroque and Words" von Felix Kubin

epd Felix Kubin entführt die Hörer in seinem jüngsten Hörspiel nach Los Angeles. Nicht in die Traumfabrik Hollywood, sondern in die quicklebendige Spoken-Word- und Poetry-Szene rund um das unabhängige Literary Arts Center "Beyond Baroque". Der umtriebige Hamburger hat die Texte von Autorinnen und Autoren wie Anne McGuire, Duke Haney und Shonda Buchanan mit seinen experimentellen Kompositionen unterlegt, in denen sich eine fiebrige Geräuschkulisse mit bizarren Elektroklängen und jazzigen Percussions verbindet.

Auf diese Weise entstand eine in die Kapitel "Beyond Baroque", "Lost in L.A." und "Living on a crack" unterteilte akustische Stadterkundung, die dem unablässig pulsierenden Moloch L.A. mehr als gerecht wird. Sie ist hitzig und nervös, aggressiv und anklagend, fremdartig und traumverloren. "Dreams are like movies, everything can happen", heißt es gegen Ende des Hörspiels. Also doch wieder Traumfabrik.

Es scheint, als ob diese Stadt nie ein Ende nimmt.

Das collagenartige Klangporträt der Stadt der Engel basiert auf einem Stipendium, das den bekannten Hörspielmacher und Komponisten im Herbst 2022 für drei Monate in die Villa Aurora in Pacific Palisades führte, in der einst Lion und Marta Feuchtwanger während ihres Exils gewohnt hatten. Kubin besuchte Dichter-Lesungen, führte Interviews und schweifte zu Fuß oder mit dem Auto ziellos in der riesigen Stadt umher, um ihre Klänge einzufangen: vorbeirauschende Autos, zwitschernde Kolibris und den Lärm von rotierenden Helikopter-Blättern.

Nicht selten verirrte er sich auf seinen Ausflügen, das gehörte dazu. Bereits der Titel "Flow" verweist auf den Fluss des Sich-Treiben-Lassens. Im zweiten Kapitel ist dies dann explizit Thema. "Es scheint, als ob diese Stadt nie ein Ende nimmt", hört man Kubin sagen.

In einer Art Prolog wird von Duke Haney die für das gesamte Hörspiel entscheidende Frage gestellt: "Should a word be a wound or a knife?" Sollte ein Wort eine Wunde oder ein Messer sein? Eine Antwort darauf gibt Kubin in der knapp einstündigen Produktion nicht. Gleich nach der Eingangsfrage hört man eine zweite Stimme sagen: "It can be both, certainly." Es ist also am Hörer selbst, sich einen Reim darauf zu machen. Was wörtlich zu verstehen ist.

Groovender Sound

Die Spoken-Word-Künstler erzeugen in ihren kunstvoll mit der englischen oder der spanischen Sprache spielenden Gedichten und Texten einen Flow, der einen bei aller Unterschiedlichkeit in Intonation, Geschwindigkeit und Klangfarbe mitreißt. Da machen mögliche Verständnisschwierigkeiten nichts aus. Denn Übersetzungen liefert Kubin nicht immer mit und wenn, sind sie eher frei und kursorisch. Die Hörer sind also angehalten, sich auch mal dem groovenden Sound anzuvertrauen und sich treiben zu lassen.

Im Zentrum jedes Kapitels steht ein längeres Gedicht. Im ersten ist es eines des gebürtigen Mexikaners Iván Salinas, Programmdirektor des "Beyond Baroque", das mit der Doppelbedeutung des Wortes "calle" spielt und eine einzige Anklage ist. Auf Spanisch kann "calle" sowohl "Straße" als auch "Halt’s Maul" bedeuten. Salinas fleht darin, "dass Gott die Klappe hält", seine "Familie nicht auf der Straße landet" und ganz "Los Angeles verstummt".

Sind Wörter Wunden oder Messer?

Ähnlich kritisch ist das Gedicht von Shonda Buchanan "Return the white breath to its black body" im letzten Kapitel. Es beginnt mit einem Schuss aus der Pistole eines Polizisten und der anschließenden Beschwörung, das Drama ungeschehen zu machen, indem man es rückwärts ablaufen lässt. Immer weiter und weiter und weiter. Bis die Erde schließlich wieder im Kosmos und dieser in einem schwarzen Loch verschwindet. "Return, return, return" zetert, haucht, singt Buchanan.

Am Ende kehrt auch das noch lange nachhallende Hörspiel an seinen Anfang zurück, greift noch einmal die eingangs gestellte Frage auf, ob Wörter Wunden oder Messer sein sollten, um dann elektronisch hibbelig auszuklingen.

infobox: "Flow. Beyond Baroque and Words", Hörspiel, Regie, Buch und Komposition: Felix Kubin (Bayern2/Deutschlandfunk Kultur, 1.8.25, 21.00-22.00 Uhr und in der ARD-Audiothek)



Zuerst veröffentlicht 10.08.2025 10:10

Florian Welle

Schlagworte: Medien, Radio, Kritik, Kritik.(Radio), KBR, Hörspiel, Kubin, Welle

zur Startseite von epd medien