Strahlende Zukunft - epd medien

10.08.2025 09:05

Abschreckung durch die Atombombe wird zurzeit wieder als notwendig diskutiert. In der ZDF-Dokumentation "Im Schatten der Bombe" (ZDF) machen Dirk van den Berg und Pascal Verroust eindrucksvoll deutlich, dass die Folgen der Atomexplosionen von Hiroshima und Nagasaki noch heute messbar sind.

ZDF-Dokumentation "Im Schatten der Bombe"

Am 1. März 1954 zündeten die USA auf dem Bikini-Atoll im Pazifik im Rahmen der Operation Castle Bravo die bis heute stärkste amerikanische Wasserstoff-Bombe

epd Nach einer guten Stunde sieht man in dieser Dokumentation eine Animation mit lauter Explosionen, kreuz und quer verteilt auf einer Karte des geteilten Deutschland. Sie erinnert an die Situation zu Beginn der 1960er Jahre, als Deutschland womöglich zum atomaren Schlachtfeld hätte werden können, wäre aus dem Kalten Krieg ein heißer geworden. Kleine Wölkchen steigen in die Höhe - die Animation sieht harmlos aus, wie in einem magischen Brettspiel. Harmlos im Vergleich zu den Bildern der zahlreichen realen Atombomben-Explosionen, die die Autoren des Films zusammengetragen haben: Ein gewaltiger Wumms nach dem anderen, gefolgt von Druckwellen, Erschütterungen und in die Höhe schießenden Wolkenpilzen und Wasserbergen.

Interviews mit Historikern, einer Überlebenden der Hiroshima-Bombe sowie Menschen, die der Strahlung durch Atomwaffentests ausgesetzt waren, machen deutlich, dass es auch ohne nuklear ausgetragenen Schlagabtausch zahlreiche Opfer im Atomzeitalter gab. 120.000 Menschen seien bei den Bombenabwürfen vor 80 Jahren in Japan sofort gestorben, heißt es: 80.000 in Hiroshima, 40.000 in Nagasaki. Und eine große Anzahl von Menschen starb noch in den nächsten Tagen und Jahren. Aber auch die mehr als 2.000 Tests in den folgenden Jahrzehnten haben laut unterschiedlichen Berechnungen Hunderttausende bis zu zwei Millionen Opfer gekostet.

Wer die Opfer sind

Eindrucksvoll machen Dirk van den Berg und Pascal Verroust mit ihrer Recherche deutlich, wer - neben Soldaten - von der Strahlung nach den Tests auf den Marshallinseln, in Nevada oder Kasachstan vor allem betroffen war: Ureinwohner, ethnische, aber auch religiöse Minderheiten wie die Mormonen in einer kleinen Stadt in Utah, die der US-Regierung als "unbedeutender Teil der Bevölkerung" galten und von denen sie keine Proteste befürchtete. "Wir waren die perfekten Versuchskaninchen", sagt Claudia Peterson, eines der Strahlenopfer.

Allerdings hat sich die radioaktive Strahlung längst großflächig verteilt. Nuklearexperten weisen darauf hin, dass sich das Erbe der atomaren Explosionen überall auf der Welt messen lässt. Und auch das Schlussbild liefert einen beängstigenden Ausblick: Die Beton-Kuppel, mit der auf dem Enewitak-Atoll im Pazifik ein Teil der radioaktiven Altlast der US-Tests bedeckt worden war, droht wegen des Klimawandels überflutet zu werden. Lässt das Salzwasser die Kuppel brüchig werden, verteilt sich das Material im Meer über den Planeten. "Das Gift wirkt weiter, lautlos, unsichtbar und über sehr lange Zeit", sagt Sprecher Axel Milberg.

Wettrüsten zwischen USA und Sowjetunion

Der Film "Im Schatten der Bombe" wird in der ZDF-Reihe "Terra X History" gestreamt und ausgestrahlt, allerdings konzentriert sich der historische Abriss auf das Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion ab 1945. Die bereits häufig erzählte Vorgeschichte bleibt deshalb ausgeklammert, was vertretbar erscheint. Aber es gibt noch einige weitere Kapitel des Atomzeitalters, die hier ausgeblendet bleiben, zum Beispiel die Geschichte der französischen Atomwaffentests. Auch ist weder von Nordkorea noch von Pakistan die Rede, ebenso wenig von dem erst jüngst eskalierten Konflikt um das iranische Atomwaffenprogramm.

Die Volksrepublik China kommt im Zusammenhang mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ins Spiel. China sei "ein stiller Teilhaber der russischen Aggression", sagt die Politologin Stefanie Babst. Aber nachdem das chinesische Militär in einem Propagandafilm schon mal Kurs auf Taiwan nimmt, springt der Film am Ende etwas unvermittelt zurück zum Enewitak-Atoll, wo die USA in den 1970er Jahren den radioaktiven Abfall zu entsorgen versuchten - beziehungsweise "einfach in die Lagune kippten", wie sich ein strahlengeschädigter US-Veteran erinnert.

Wie groß die Gefahr einer Eskalation in der aktuellen weltpolitischen Konfrontation ist, weiß man nach diesem historischen Rückblick nicht wirklich. Ob die im Kalten Krieg einsetzende Einsicht, dass mit einem Atomkrieg nichts zu gewinnen sei, auch bei Putin, Trump und ihrer Gefolgschaft ausreichend verbreitet ist, lässt sich nicht zweifelsfrei sagen. Gewiss ist aber, zynisch gesagt, eines: Das Erbe der Abwürfe auf Japan und der tausendfach durchgeführten Tests garantiert ohnehin eine strahlende Zukunft.

infobox: "Im Schatten der Bombe", Dokumentation, Regie und Buch: Dirk van den Berg, Pascal Verroust, Kamera: Sven Klöpper, Produktion: Outremer Film (ZDF-Mediathek, seit 3.8.25, ZDF, 6.8.25, 22.15-23.45 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 10.08.2025 11:05 Letzte Änderung: 11.08.2025 12:57

Thomas Gehringer

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Dokumentation, van den Berg, Verroust, Gehringer, NEU

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