Sparen bei den Kleinen - epd medien

21.08.2025 07:15

Sparen die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender bei hochwertigen und teuren Animationsfilmen für Kinder? ARD und ZDF sagen Nein, einige Produzenten sehen das anders. Nach Ansicht der Produktionsallianz könnte die finanzielle Förderung für Kinderfilme höher ausfallen.

Produzenten von Animationsfilmen fordern mehr Förderung

Die Animationsserie "Fritzi und Sophie - Grenzenlose Freundschaft" steht in der ARD-Mediathek

epd Manchmal ist es eine Frage der Perspektive, ob ein Glas halb voll ist oder halb leer. Allerdings lassen sich nicht alle Wahrnehmungsunterschiede auf diese Weise erklären. Die Produktionsbranche beklagt, die Sender kümmerten sich zu wenig um Animationsproduktionen. Dem widerspricht Michael Stumpf, Leiter der ZDF-Hauptredaktion Kinder und Jugend, energisch: "Wir werden in den kommenden Jahren so viel Geld in Animation investieren wie schon lange nicht mehr. Das gilt insbesondere für Animation aus Deutschland."

Ähnlich groß ist die Diskrepanz zwischen dem Eindruck von außen und der Innenansicht der Öffentlich-Rechtlichen bei einer weiteren Frage. Auch bei Filmen und Serien für Kinder habe das Engagement der Sender deutlich nachgelassen, heißt es. Als Beleg dienen unter anderem die Märchenfilme: Als die ARD 2008 an Weihnachten ihre Reihe "Sechs auf einen Streich" startete, hat das Erste an den beiden Feiertagen in der Tat sechs Filme gezeigt. Im Jahr darauf waren es insgesamt sogar acht, weil zwei Produktionen erst im Januar folgten. Dann sank die Zahl auf vier Premieren, schließlich waren es zwei, 2024 gab es nur noch eine Erstausstrahlung.

ZDF spart bei "Märchenperlen"

Das ZDF spart noch radikaler: Die beliebte Reihe "Märchenperlen" wird ersatzlos eingestellt. Sie hatte in den vergangenen Jahren dank der optisch oft spektakulären Filme von Ngo The Chau immer wieder Glanzpunkte gesetzt. Stumpfs Erklärung: "Als Sender sind wir mit unseren vorliegenden Märchenfilmen auch für die kommenden Jahre sehr gut aufgestellt. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, uns aus der Neuproduktion von Märchenspielfilmen zurückzuziehen und im Programm zukünftig stärker auf neue Akzente im deutschen Kinderfilmbereich zu setzen."

Die Entscheidung sei also rein strategischer Natur, sagt Stumpf, zumal "die vielen tollen Märchenfilme" sowie die Marke "ZDF-Märchenperlen" auch weiterhin "ein wertvoller Bestandteil" des Repertoires bleiben sollen. Was Stumpf nicht sagt: Wenn ARD und ZDF demnächst ihre Mediatheken vereinigen, werden sich die Märchenreihen gegenseitig Konkurrenz machen.

Für den Produzenten Jens Christian Susa ist Stumpfs Wertschätzung ein schwacher Trost, selbst wenn er diplomatisch erklärt: "Ich bin stolz darauf, dass wir das Märchenportfolio des ZDF mit unseren Produktionen maßgeblich mitgestaltet haben." Susas Firma Provobis prägte die Reihe mit ihren vielfach ausgezeichneten und oft aufwendig produzierten Filmen seit vielen Jahren. Für die den katholischen Bistümern gehörende Produktionsfirma dürfte der Verlust der "Märchenperlen" auch wirtschaftlich erhebliche Folgen haben.

Leider sind wir noch nicht weiter gekommen.

Ist das Beispiel repräsentativ? Sparen die Sender generell bei Fiction für Kinder? Nein, sagt Corinna Mehner, Gründerin und Geschäftsführerin von Blue Eyes Fiction und Mitglied des Gesamtvorstands der Produktionsallianz. Animation hingegen sei "sowohl bei Kinofilmen als auch im Serienbereich sehr hochwertig und entsprechend aufwendig. Den beklagenswerten Sendertrend, sich über den Weg der finanziellen Beteiligung an Koproduktionen preiswerteres Programm zu beschaffen, beobachten wir schon länger." Anders als etwa in Frankreich muss in solchen Fällen keine einheimische Produktionsfirma beteiligt sein.

Die Produktionsallianz, Interessenvertretung der Produzenten von Film, TV und audiovisuellen Medien in Deutschland, bemüht sich darum, das zu ändern. "Leider sind wir noch nicht weiter gekommen", räumt Mehner ein: "Der Filmbranche wird in der Politik im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen immer noch nicht die Bedeutung beigemessen, die ihr unserer Ansicht nach gerade mit Blick auf Kinder zukommt. Wir haben ein ausgezeichnetes Kreativpersonal, unsere Produktionen strahlen weit über die Landesgrenzen hinaus, aber wir könnten noch viel stärker strahlen, wenn wir mehr Zuspruch aus der Politik hätten." Es sei daher unbedingt vonnöten, dass die Finanzierung von Animationsserien finanziell stärker gefördert werde: "Geschieht das nicht, sehe ich die Gefahr, dass unser Knowhow verschwinden könnte."

Sender wollen Kosten sparen

Wie schwierig es ist, wenn sich ein Unternehmen auf Animation spezialisiert hat und zudem für höchste Ansprüche stehen will, erlebt Ralf Kukula seit vielen Jahren. Der Gründer und Geschäftsführer von Balance Film hat mit "Fritzi - eine Wendewundergeschichte" (2019) einen der besten deutschen Kinderfilme der vergangenen Jahre produziert. Nicht minder preiswürdig war die Serie "Fritzi und Sophie - Grenzenlose Freundschaft" (2024, MDR, WDR, SWR) sowie die innovative und vom MDR als "Animadok-Serie" bezeichnete Ergänzung "Auf Fritzis Spuren - Wie war das so in der DDR?", eine Dokumentation, die im gleichen Stil produziert ist.

Diese Produktionen, erzählt Kukula, hätten sein Unternehmen 15 Jahre beschäftigt: "Die ersten Jahre haben wir damit verbracht, die für uns relevanten Marktteilnehmer von dem Stoff zu überzeugen, weil wir Pionierarbeit leisten mussten." Leider sei "Fritzi" kein "Türöffner" gewesen. Es bleibe daher ein Kampf, Partner für solch anspruchsvolle Projekte zu finden. Bei den Sendern gebe es "eine ausgeprägte Tendenz, Kosten zu sparen".

Ein "gelernter" Sendeplatz

Auch die Finanzierung von Kinokoproduktionen sei bei Kinderfilmen problematischer geworden, sagt Kukula: "Die Sender wollen lieber reine TV-Formate. Wenn ich aber auch Fördermittel haben will, wird es bei Serien schwierig, Fördergelder zu akquirieren, gerade auf Bundesebene, weil wir dafür bei den Herstellungskosten Mindestminutenpreise generieren müssten, die weit weg sind vom Markt." Der German Motion Picture Fund, ein Förderprogramm des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), unterstützt zwar die Produktion hoch budgetierter Serien und Filme, die nicht im Kino ausgewertet werden, aber zu einem Minutenpreis von mindestens 30.000 Euro sind Animationsserien laut Kukula in Deutschland nicht finanzierbar: "Damit wird diese Filmgattung faktisch komplett ausgeschlossen."

Über den Sendeplatz für "Fritzi und Sophie" im "Ersten" am Wochenende morgens um 6.30 Uhr war Kulula auch nicht glücklich. Der Produzent hatte sich bei der ARD-Programmkoordination erkundigt, ob man sich für "Fritzi und Sophie" im Ersten einen anderen Sendeplatz als samstags oder sonntags morgens um 6.30 Uhr vorstellen könnte, damit auch Erwachsene die Serie sehen könnten. Das sei der gelernte Sendeplatz für diese Art von Programm, lautete die Antwort, berichtet Kukula: "Animation läuft in der ARD unter 'ferner liefen'. Kinderfilme genießen generell nicht die gleiche Wertschätzung wie Programm für Erwachsene." Dennoch wirkt Kukula nicht resigniert, was wohl auch mit seiner Erfahrung zu tun hat: "Produktionsfirmen wie wir sitzen am Katzentisch, aber das kenne ich nicht anders, seit ich mich vor dreißig Jahren selbstständig gemacht habe."

Viel Geld fließt in internationale Kooproduktionen.

Gabriele M. Walther, Gründerin und Geschäftsführerin von Caligari Film ("Prinzessin Lillifee"), wird ebenfalls grundsätzlich: In Produzentenkreisen kursiere die Zahl, dass 1,3 Prozent der Milliarden, die die ARD durch den Rundfunkbeitrag einnimmt, für das Kinderfernsehen vorgesehen seien. Walther ist Mitglied des Gesamtvorstands der Produktionsallianz sowie stellvertretende Vorsitzende der Sektion Animation. Sie hat den Eindruck, "dass sehr viel mehr Gebührengeld als Koproduktionsbeteiligung an internationalen Serien ins Ausland fließt, als dies umgekehrt der Fall ist". Dabei seien deutsche Animationsfilme für Kinder national wie international die erfolgreichsten Programme: "Von mehr deutschem Programm profitieren nicht nur die Kinder, sondern die Animationswirtschaft insgesamt."

Ein ARD-Funktionär bestreitet allerdings, dass weniger Fiction oder Animation für Kinder produziert werde. "Es stimmt zwar, dass die Produktionskosten im Gegensatz zu den redaktionellen Etats gestiegen sind, aber das gleichen wir durch Veränderungen bei der Finanzierung aus: Produktionen werden nicht mehr voll-, sondern nur noch teilfinanziert, sodass sich das Volumen insgesamt unterm Strich nicht verändert." Er spielt den Ball an die Branche zurück. Wegen der hohen Kosten "ermuntern wir die Produzenten: Ihr müsst auf den internationalen Kofinanzierungsmarkt einsteigen. Gerade Animation ist sehr teuer, eine Serie kostet acht bis zehn Millionen Euro; das kann ein Sender allein unmöglich allein stemmen." Bei den angesprochenen Unternehmen lösen solche Sätze eher Verbitterung aus.

Unsere Gesellschaft ist nicht gerecht zu Kindern.

Ein Produzent erzählt, welche Antwort er "wie bei einer Schallplatte mit einem Sprung" regelmäßig auf seine Vorschläge bekomme: "Wir haben kein Geld." Kika-Programmgeschäftsführer Roman Twork kann die Nöte nachvollziehen: "Wir stehen vor der großen Herausforderung, mit gleichbleibenden Ressourcen, steigenden Kosten und dem Einfluss eines sich immer stärker ausdifferenzierenden Kindermedienmarkt haushalten zu müssen. Dies macht Anpassungen im Production Value und Mengengerüst unumgänglich." Mit anderen Worten: Es muss gespart werden - an Qualität und Quantität. Trotzdem ist Twork überzeugt, dass der Kika gemeinsam mit ARD und ZDF "auch in Zukunft eine bedeutende Rolle als Auftraggeber und Partner der Kreativschaffenden spielen wird."

Das würde Michael Stumpf sicherlich unterschreiben. Der ZDF-Abteilungsleiter verweist auf einen übergeordneten Aspekt: "Mir erscheint es oft so, als ob wir in Deutschland ganz generell ein Problem mit Kindern haben. Das zieht sich durch sämtliche Lebensbereiche, von der Bildung bis zu den Medien. Unsere alternde Gesellschaft ist weder kindgerecht, noch ist sie gerecht zu Kindern. Wer für Kinder arbeitet, muss grundsätzlich um Aufmerksamkeit kämpfen und natürlich auch um Geld."

Verlässliche Partner

Die Produktionsbranche versucht laut Corinna Mehner schon lange, das Augenmerk stärker auf diese Altersgruppe zu lenken: "Leider haben Kinder hierzulande keine Lobby. Fürs Kinderfernsehen gilt das ganz besonders, das Umfeld von Kindersendungen ist für die werbetreibende Wirtschaft einfach nicht interessant genug, aber wir brauchen unbedingt noch mehr deutsche Eigenproduktionen für Kinder, schließlich geht es dabei auch um die Vermittlung gesellschaftlicher, demokratischer und kultureller Werte. Schon allein unsere vielen hervorragenden Kinderbücher bieten einen unerschöpflichen Fundus an tollen Geschichten."

Den Redaktionen macht dabei niemand einen Vorwurf. Philipp Budweg, Geschäftsführer von Lieblingsfilm ("Kannawoniwasein"), will ausdrücklich "eine Lanze für das Engagement von ARD, ZDF und Kika brechen. Die Sender sind bei der Finanzierung von Kinderfilmen verlässliche Partner, und das nicht nur bei der Initiative 'Der Besondere Kinderfilm'. Mittlerweile sehen wir, welche Früchte die Entwicklung von Originalgeschichten trägt, weil die Sender aktuell auch explizit diese Filme koproduzieren." Im Vergleich zur gesamten Filmbranche sehe es für den Kinderfilm nicht schlecht aus. Der Produzent mahnt jedoch, "dass die errungenen Erfolge auch weiterhin gefördert, unterstützt und finanziell ausreichend ausgestattet werden müssen. Es wäre fatal, hier den Rotstift anzusetzen."

Auch Ewa Karlström, die gemeinsam mit Andreas Ulmke-Smeaton und Bernd Schiller die Geschicke von Samfilm führt, betrachtet die derzeitige Lage beim Kinderfilm differenziert. "Es ist eine paradoxe und gleichzeitig bedrohliche Situation: Das erfolgreichste Genre im Kino sind Kinder- und Familienfilme, aber gleichzeitig wird es zunehmend schwieriger, sie zu finanzieren." Die Produzentin veranschaulicht das Problem am Beispiel von "Ein Mädchen namens Willow". Der Film ist mit weit über 500.000 verkauften Tickets einer der erfolgreichsten deutschen Kinofilme des ersten Halbjahrs 2025. Das schreit nach Fortsetzung, doch es sei fraglich, ob die Produktion selbst mit erheblichen Budgetkürzungen zu stemmen sein werde: "Für die Finanzierung eines Kinofilms war es üblich, dass der Sender 30 bis 45 Prozent für die TV-Rechte beisteuert. Bei einem Kinderfilm werden einem derzeit circa fünf Prozent angeboten, in Ausnahmefällen vielleicht 10 Prozent. Damit kann ein Film unmöglich finanziert werden."

Mehr politische Unterstützung

Es müsse daher dringend gehandelt werden, wenn man das momentan erfolgreichste deutsche Kinogenre sowie das Publikum von morgen nicht verlieren wolle, sagt Karlström: "Deshalb benötigen wir unbedingt die politische Unterstützung in Form einer Verpflichtung zur Investition in Kinder- und Familienfilme." Von den Verantwortlichen komme jedoch seit vielen Jahren stets die Antwort, dass mit der Initiative "Der Besondere Kinderfilm" alles dafür getan werde. Die bislang entstandenen Produktionen hätten im Schnitt bislang nicht mal 40.000 Zuschauer gehabt: "Diese Initiative ging also leider völlig am Markt vorbei."

Jenseits der Zahlen hat sich die 2013 gegründete Initiative allerdings als wichtiger Baustein in der komplexen deutschen Förderlandschaft etabliert und zur Ausdifferenzierung des deutschen Kinderfilms beigetragen. 13 Produktionen sind bislang auf den Markt gekommen, zwei weitere sind in der Endfertigung. Unter den "Besonderen Kinderfilmen" sind vielfach preisgekrönte Produktionen wie "Auf Augenhöhe" (2016), "Into the Beat" (2020) und "Mission Ulja Funk" (2023). Jüngster Erfolg ist "Sieger sein", 2024 als bester Kinderfilm mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet; das war bereits die dritte "Lola" für einen "Besonderen Kinderfilm". "Sieger sein" hatte laut Margret Albers, zuständige Projektmanagerin beim Förderverein Deutscher Kinderfilm, innerhalb eines Jahres mehr als 100.000 Zuschauer.

Albers beklagt, dass die geplante Reform der Filmförderung bisher nur in Teilen umgesetzt sei. Die weiteren Säulen der Transformation, also Investitionsverpflichtung und Steueranreizmodell, müssten von der neuen Bundesregierung jetzt umgesetzt werden: "Wer heute Kinderfilme produziert, hat es ohnehin mit mehr Fragezeichen zu tun als vor der Pandemie, die vielen Unternehmen auch noch in den Knochen steckt."

Tilmann Gangloff Copyright: Foto: Privat Darstellung: Autorenbox Text: Tilmann Gangloff ist freier Journalist und regelmäßiger Autor von epd medien.



Zuerst veröffentlicht 21.08.2025 09:15

Tilmann Gangloff

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kinder, Film, Animation, tpg, Gangloff

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