Konflikt um Medienfreiheit in Albanien: Polizei besetzt Redaktionen - epd medien

22.08.2025 08:10

Die albanische Regierung rechtfertigt die Besetzung von Redaktionsräumen der Mediengruppen FMG und Panorama mit angeblichen Mietrückständen in Millionenhöhe. Journalistennetzwerke und die EU warnen vor einer ernsthaften Gefährdung der Medienfreiheit und Rechtsstaatlichkeit.

Tirana (epd). In Albanien spitzt sich ein Konflikt zwischen der Regierung und dem Eigentümer der Mediengruppen Focus Media Group (FMG) und Panorama, Oligarch Irfan Hysenbelliu, weiter zu. Am frühen Morgen des 9. August hatten Polizeibeamte die Redaktionsräume von Hysenbellius' Medien durchsucht und besetzt. News24 wurde der Strom abgestellt. Seitdem konnte der TV-Sender lediglich ein improvisiertes Notprogramm über seine Kanäle in sozialen Medien verbreiten. Inzwischen sendet er wieder sein reguläres Programm, allerdings aus neuen Räumlichkeiten.

Der zur FMG gehörende TV-Sender News24 berichtete am 19. August, Hysenbelliu und seine Familie hätten Morddrohungen erhalten, nur einen Tag, nachdem sein von den staatlichen Behörden zwangsweise abgeschalteter TV-Kanal News24 wieder auf Sendung gegangen sei.

Neben News24 gehören zur FMG das Onlinemedium "Balkanweb", der Radiosender Rash und die Tageszeitung "Gazeta Shqiptare". Die Printmediengruppe Panorama gibt Albaniens führende Tageszeitung "Gazeta Panorama" sowie zahlreiche weitere Print- und Onlinemedien heraus, auch aus dem Sportbereich. Insgesamt sind knapp 230 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Blockade der Redaktionsräume durch die Polizei betroffen, obwohl ein Gericht am 13. August entschied, dass ihnen der Zugang zu ihren Arbeitsplätzen zu gewähren sei.

Mietrückstände in Millionenhöhe?

Die staatlichen Behörden begründen ihr Vorgehen gegen Hysenbellius' Mediengruppen mit juristischen Auseinandersetzungen um die Eigentums- und die Nutzungsrechte an den Immobilien. Das albanische Ministerium für Wirtschaft, Kultur und Innovation macht Mietrückstände in Millionenhöhe geltend. Es will die Nutzungsrechte an den Liegenschaften, die früher zu einer staatlichen Traktorfabrik gehörten, dem neu gegründeten staatlichen Rüstungsunternehmen Kayo übertragen. FMG und Panorama bestreiten Mietschulden und geben an, die zwangsweise Abschaltung des TV-Kanals News24 und die Besetzung ihrer Medien sei "ohne Vorwarnung vorsätzlich erfolgt".

Der Autor der investigativen News24-Sendung "Vetting", Ardian Bushi, bezeichnete das Vorgehen der Staatsbeamten in seinem Bericht für "Balkanweb" als "willkürlich und banditenhaft". Er sei "Zeuge eines Massakers" geworden, bei dem "Militärkräfte die Türen der Räumlichkeiten aufrissen, Tische und Stühle mitnahmen, die Computer manipulierten und Unterlagen der 'Vetting'-Sendung raubten". Er äußerte den Verdacht, die Polizeiaktion ziele darauf ab, die für September geplante Sendung zu verhindern, in deren Fokus Vize-Ministerpräsidentin Belinda Balluku stehen soll.

Primitiver Akt politischer Rache

Albaniens früherer Staatspräsident Sali Berisha nannte die Polizeioperation in einem Post auf Facebook einen "primitiven Akt politischer Rache", der "eines der letzten unabhängigen Medienunternehmen des Landes zum Schweigen bringen" solle. Als Vorsitzender der rechtsgerichteten Demokratischen Partei war Berisha bei den Parlamentswahlen im vergangenen Mai dem Sozialisten Edi Rama unterlegen. Er sieht Regierungschef Rama nicht nur als treibende Kraft hinter der Besetzung von Hysenbellius' Medien, sondern schreibt ihm auch die Morddrohungen gegen den Verleger und seine Familie zu, die er "Staatsterrorismus" nennt.

Laut dem albanischen SafeJournalists-Netzwerk wirft die Konfrontation zwischen der Regierung und Hysenbellius "grundlegende Fragen der Verhältnismäßigkeit, der Medienfreiheit und des Schutzes von Journalisten und Medienschaffenden auf". Seine Stellungnahme zu dem Konflikt wurde von den Journalistenverbänden der Westbalkanländer Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Kroatien und Serbien ebenso unterzeichnet wie von Reporter ohne Grenzen (RSF), der Europäische Journalistenföderation (EJF) und dem Internationalen Presseinstitut (IPI).

Die Delegation der Europäischen Union (EU) in Tirana erklärte via Facebook, sie beobachte die Situation aufmerksam. "Meinungsverschiedenheiten zwischen allen Beteiligten müssen im Einklang mit dem Gesetz und den rechtlichen Verfahren gelöst werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die Freiheit der Journalisten und ihr Recht auf Informationsverbreitung sowie auf die Vertraulichkeit ihrer Quellen nicht beeinträchtigt wird." Dies seien wesentliche Aspekte der Medienfreiheit und des Medienpluralismus, die für die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit unerlässlich seien, so die EU-Delegation in Tirana.

fst



Zuerst veröffentlicht 22.08.2025 10:10

Schlagworte: Medien, Albanien, Hysenbelliu, FMG, Panorama

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