Medial ausgeschlachtet - epd medien

26.08.2025 10:08

Ein Teenager aus Niederbayern fällt 2002 bei der ersten Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" auf und wird so berühmt, dass im Jahr 2004 sogar die "Tagesschau" über seinen Zusammenstoß mit einem Gurkenlaster berichtet. Die dreiteilige Dokumentation "Die Küblböck-Story - Eure Lana Kaiser" erzählt die Geschichte des queeren Stars, der zuletzt als Lana Kaiser leben wollte.

ARD-Dokumentation "Die Küblböck-Story - Eure Lana Kaiser"

Daniel Küblböck trat in der ersten Staffel der Casting-Show "Deutschland sucht den Superstar" auf

epd Vom Castingshow-Kandidat auf die Titelseiten von "Bild": Daniel Küblböck, Azubi aus Eggenfelden, rückte durch seine Teilnahme an der ersten Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" trotz - oder wegen - seines eher wenig talentierten Auftretens so sehr in die Öffentlichkeit, dass aus dem jungen Niederbayern in kurzer Zeit ein bundesweit bekannter und stark polarisierender Promi wurde. Welche Wandlungen der Sänger bis zu seinem aufsehenerregenden Verschwinden im Jahre 2018 vollzogen hat, dürfte manchen erstaunen, der das Leben des jungen Stars nicht verfolgt hat.

Die Dokumentation "Die Küblböck-Story" nimmt sich drei Folgen lang Zeit, den Lebensweg von Daniel Küblböck nachzuzeichnen. Auf einen Erzähler verzichtet die Serie, die sein Leben stattdessen anhand seines autobiografischen Hörbuchs aus dem Jahr 2003 und entlang einer beeindruckenden Sammlung aus Archivmaterial erzählt. Neben den zu erwartenden DSDS- und "Dschungelcamp"-Szenen gelingt es insbesondere durch die vielen Talk-Ausschnitte, Küblböck retrospektiv zu Wort kommen zu lassen. Gesprächsfetzen aus Talkshows von Johannes B. Kerner, Barbara Stöckl und weiteren zeichnen ein Bild - besser: mehrere Bilder - des früh ins Medienbusiness gestürmten Jugendlichen.

Krankenbesuch von Thomas Gottschalk

Das Archivmaterial zeigt auch, welch krasse Züge der mediale Trubel um Küblböck auf dem Höhepunkt seiner TV-Karriere angenommen hat. Als der 18 Jahre alte Küblböck 2004 ohne Führerschein mit einem Auto in einen Gurkenlaster raste, war dies nicht nur eine Meldung in der "Tagesschau", sondern ein mediales Spektakel mit einer Liveschalte bei "Stern TV" zu Küblböck ins Krankenhaus und mit Krankenbesuch von Thomas Gottschalk. Wenn man glaubt, absurder kann es nicht mehr werden, zeigt die Doku Szenen, die noch mehr Kopfschütteln über die mediale Ausschlachtung eines Teenagers auslösen.

Dabei spielt auch eine Rolle, wie die Presse über Küblböcks auffälliges Auftreten berichtete. Sein Bruch mit geschlechtskonformen Ausdrucksweisen und Kleidungsstilen in einer populären Castingshow genügte vielen, die ihn ablehnten, schon für ihre Hetzkampagnen, inspirierte aber auch junge Menschen, die sich in der Heteronormativität der Gesellschaft nicht wohlfühlten. Fans wie Philipp Gufler machen, indem sie ihr eigenes Erleben schildern, glaubhaft deutlich, welch prägende Figur Küblböck für sie gewesen ist und wie ambivalent deren Auftreten auch von Homosexuellen aufgenommen wurde.

Private Perspektiven

Weitere Protagonisten wie die Journalistin Anja Rützel ergänzen die Schilderungen mit wertvollen Einordnungen des Fallbeispiels Küblböck in größere Zusammenhänge des Musik- und Fernsehmarkts. Andere Protagonisten, darunter Küblböcks Vater, steuern private Perspektiven bei.

Doch der Blick wird in der letzten Folge des Dreiteilers zu persönlich. Aus der Biografie eines Promis, der der Öffentlichkeit früh selbst Einblicke ins Private gegeben hat, wird im letzten Teil ein voyeuristisches Werk. Ex-Freunde erzählen über ihre Beziehungen mit Küblböck, eine Kommilitonin über seine Fehltritte im Studium. Eine Therapeutin versucht post mortem zu erklären, dass Küblböck sich zuletzt wohl als trans Frau identifiziert hat und als Lana Kaiser leben wollte. Ein heikles Unterfangen, da hierzu kaum öffentliche Statements von Küblböck/Kaiser selbst vorliegen.

Vergebliche Suchaktion

Schwer erträglich sind die letzten Minuten der Dokumentation, in denen es um die Kreuzfahrt geht, bei der Kaiser verschwand. Eine Mitreisende schildert, wie sie sie wahrgenommen hat. Eine letzte Sprachnachricht an Kaisers Ex-Freund wird eingespielt, dazu ein Audio-Mitschnitt der Durchsage des Kapitäns. Die Doku will die Ereignisse schildern, traut sich aber nicht auszusprechen, dass Kaiser offenbar über Bord ging, dass es eine vergebliche Suchaktion gab und dass sie für tot erklärt wurde. Durch die Aussparung wesentlicher Details entsteht der bedenkliche Eindruck, die Doku wolle unkonkret bleiben, um ihre gefühlige Stimmung nicht zu zerstören.

Dass die Serie, die auf die Berichterstattung über Küblböck kritisch zurückblickt, am Ende selbst effekthascherisch daherkommt und führenden Boulevardblättern schon Wochen vor der Veröffentlichung in der Mediathek Anlass zu neuen sensationslüsternen Schlagzeilen gibt, ist bedauerlich. Denn bis dahin war ihr Blick auf das Leben eines als Paradiesvogel abgestempelten Castingshow-Stars in der Maschinerie der Medien sehr aufschlussreich und überraschend ergiebig.

infobox: "Die Küblböck-Story - Eure Lana Kaiser", dreiteilige Dokumentation, Regie: Tristan Ferland Milewski, Buch: Tristan Ferland Milewski, Ilona Toller, Kamera: Alexander Vexler, Manuel Lübbers, Produktion: Beetz Brothers Film Production (ARD-Mediathek/BR/WDR, seit 22.8.25, ARD (nur Folge 1), 27.8.25, 23.50-0.30 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 26.08.2025 12:08

Lukas Respondek

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Küblböck, Milewski, Toller, Respondek

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