Freundliche Roboter - epd medien

01.09.2025 08:10

Alle reden von Künstlicher Intelligenz und davon, wie sehr sie unser Leben verändern wird. In der 3sat-Dokumentation "Ich gegen die KI" fragt Moderator Eric Mayer, wie weit die KI-Revolution tatsächlich ist und schaut sich neue Entwicklungen in Deutschland an.

3sat-Dokumentation "Ich gegen die KI" mit Eric Mayer

Moderator Eric Mayer beim Armdrücken mit einem Roboter

epd Wohl kaum einem Technik-Thema wurde in den vergangenen zwei Jahren so viel mediale Aufmerksamkeit gewidmet wie der sogenannten Künstlichen Intelligenz. Manche Experten prognostizieren sogar, dass der Wandel durch KI so tiefgreifend sein wird wie die industrielle Revolution vor 250 Jahren. Aber, so fragt diese Dokumentation: Ist das wirklich so? Oder sitzen wir einer cleveren Marketing-Strategie auf?

Um zu überprüfen, was KI konkret zu leisten vermag, stellt der aus dem Kinderkanal bekannte Moderator Eric Mayer, der als Presenter durch die Dokumentation von Herbert Hackl führt, Entwicklungen von deutschen Universitäten und Instituten auf den Prüfstand. Am Klinikum Frankfurt/Oder wird der Reporter Zeuge, wie ein etwa einen halben Meter großer Roboter mit einer Stimme wie von einem Mainzelmännchen mit einem Patienten ein Gespräch führt. Diese Entwicklung eines Münchener Startups", sagt Mayer, "erobert gerade Pflegeeinrichtungen in ganz Deutschland".

Höflicher Smalltalk

Lotta heißt diese KI, die sich als "dein freundlicher sozialer Roboter hier im Klinikum" vorstellt. Verantwortlich ist eine Pflegedirektorin, die auf Digitalisierung setzt. Da Pflegekräfte immer weniger Zeit für lange Gespräche haben, soll Lotta "diese Versorgungslücke schließen", sagt Mayer. Der kurze Wortwechsel zwischen der KI mit einem frisch operierten Patienten mutet an wie ein bemühter Small Talk, bei dem alle höflich sind, zumal eine Kamera zugegen ist.

"Die acht Kilogramm leichte Lotta", so Mayer, "ist in der Unterhaltung ein echtes Schwergewicht". Die tatsächliche Leistungsfähigkeit des elektrischen Seelsorgers hat sich in diesen wenigen Gesprächsfetzen allerdings nicht wirklich vermittelt. Kann ein Roboter Werte wie Nächstenliebe authentisch vermitteln? Diese Frage hätte man zumindest stellen können.

Virtueller Vertretungslehrer

Aufschlussreicher ist die Dokumentation, wenn Mayer sich ein neu entwickeltes technisches Verfahren im Detail erklären lässt. So wird dem Reporter am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin detailliert am jeweiligen Beispiel demonstriert, wie eine KI aus menschlichen Gesichtszügen Emotionen ablesen lernt. Nach einem ähnlichen Verfahren soll die Maschine auch das Gefühl heraushören, mit dem ein bestimmter Satz artikuliert wurde. Interessant sind diese Einblicke in die Forschung, weil man mitbekommt, wie Gefühlsregungen, die jeder kennt, Stück für Stück in einen abstrakten Maschinencode übersetzt werden.

Um ein ähnliches Thema geht es auch bei einem Projekt am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken. Via VR-Brille taucht Mayer ein in ein videospielartig anmutendes Szenario, in dem er als Lehrer im Klassenzimmer mit einem aufmüpfigen Schüler fertig werden muss. Statt dem Pädagogen zuzuhören, beschäftigt sich ein Lümmel in der ersten Bank, Alex ist sein Name, in provozierender Weise mit seinem Handy. Moderate Versuche, ihn in die Spur zu bringen, scheitern: "Sie haben mir nichts zu sagen!", blafft Alex den Lehrer an und verlässt das Klassenzimmer.

Die KI macht den Menschen besser

Was hat Eric Mayer als Vertretungslehrer falsch gemacht? Eine weiblich anmutende KI-Therapeutin namens Paula, die Zugriff auf seine "Herzrate, Mimik, Gesten, Sprache und Körperhaltung" hat, fällt nach kurzem Dialog ein vernichtendes Urteil. Er habe "alles aufgegeben, sich selbst, Alex und den Unterricht". Er solle noch einmal zurückblicken: "Gab es eine andere Interpretation für dein Verhalten?" Na ja, sagt Mayer kleinlaut: "Vielleicht ging es dem Jungen nicht gut?" - "Das macht total Sinn", sagt die KI. Der Reporter ist beeindruckt: Im Laufe des Gesprächs mit der KI-Therapeutin wurde ihm klar, "wie sehr meine eigenen Empfindlichkeiten die Auseinandersetzung mit Alex beeinflusst haben", so sein Kommentar.

Wird also, so fragt der Reporter die beiden verantwortlichen Programmierer, eine solche KI demnächst den Menschen übertreffen? Das sei nicht das Ziel dieser Apparate. Nicht die KI werde den Menschen übertreffen, sondern "sie macht den Menschen besser", so fasst Mayer das Resümee der Forscher zusammen. Aber: Ist der virtuelle Vertretungslehrer im Gespräch mit dem KI-Coach tatsächlich "besser" geworden? Der Reporter hat in diesem Selbstversuch bereitwillig mitgespielt und sich dabei sehr blauäugig verhalten. Mayer kam gar nicht erst auf die Idee, nach der programmierten psychologischen Zielrichtung zu fragen, gemäß der die KI ihn als menschlichen Gesprächspartner dazu brachte, bestimmte Schlüsselbegriffe zu artikulieren.

Es fehlt an intellektueller Neugier

Dieses Defizit zieht sich durch den ganzen Film, der den Fokus auf interessante Innovationen richtet. Man vermisst jedoch die kritische Durchdringung der vorgestellten KI- Projekte. An der Technischen Universität Darmstadt trifft Mayer eine Maschine, die ein game changer auf dem Gebiet der Robotik sein soll. Warum? Im Internet kann man doch Salto springende Wunderapparate ohne Ende bewundern. Doch all diese Maschinen sind auf diese einzige Spezialität hin akribisch programmiert worden. Im Gegensatz dazu bringe der hessisch babbelnde Roboter aus Darmstadt sich bei jeder Aufgabe, die man ihm stellt, den Lösungsweg selbst bei, erläutert Oleg Arenz von der TU Darmstadt.

Diesen Quantensprung in Sachen deep learning vermittelt die Dokumentation jedoch nur vage. Dem Film fehlt es an intellektueller Neugier, um das Potential und die Problematiken der vorgestellten KI-Projekte angemessen zu durchleuchten und zu hinterfragen.

infobox: "Nano Doku: Ich gegen die KI - Wer ist der bessere Mensch?", Dokumentation mit Eric Mayer, Regie und Buch: Herbert Hackl, Kamera: Henning Sliwa, Max Leitmeier, Manuel Brem, Mona Wiemers, Produktion: Bilderfest (3sat/ZDF, 28.8.25, 20.15-21.00 Uhr und in der 3sat-Mediathek)



Zuerst veröffentlicht 01.09.2025 10:10 Letzte Änderung: 01.09.2025 15:58

Manfred Riepe

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), K3sat, Dokumentation, Nano, KZDF, Mayer, Hackl, Riepe, NEU

zur Startseite von epd medien