Auf Abwegen - epd medien

04.09.2025 08:52

Nach einem Treppensturz wacht Louise im Krankenhaus auf. Am Bett sitzt Ida, die sich gegenüber dem Krankenpfleger als Louises Schwester ausgegeben hat. Doch in dem Hörspiel "Zwei Schwestern" wird schnell klar, dass Ida etwas zu verbergen hat.

HR-Hörspiel "Zwei Schwestern" mit Lou Strenger

epd Magda Woitzucks erstes Erfolgsstück "Die Schuhe der Braut" (ORF), ein grausiges Märchen zum Flüchtlingsthema, das 2018 den Deutschen Hörspielpreis der ARD gewann, beginnt mit dem metallisch schneidenden Sound einer scharfen Klinge, der unvergesslich ist. Dieser Sound grundiert einen Schock, der selbst abgestumpfte chronische Nachrichtenzuschauer wieder das Gruseln lehrt: über mörderische IS-Terroristen und deren Art, Köpfe abzuschlagen.

Seither setzt sich die österreichische Autorin Magda Woitzuck effekthascherisch und nicht ohne Schwach- und Leerstellen mit Gewalt auseinander, nicht nur in exotischen Wüsten, sondern auch in unserer Gesellschaft. Diesmal geht es um Gewalt in einem achtteiligen, insgesamt knapp zweistündigen Beziehungs- und Kriminalstück in einer im Ansatz friedlichen deutschen Klinik.

Böses Erwachen

"Zwei Schwestern" ist ein Kammerspiel. Jäh dringen da die Rivalitätsimpulse ein, die es zum Thriller machen. Am Anfang sitzt Ida (Lou Strenger) am Bett der frischoperierten Louise, die noch nicht aus der Narkose erwacht ist, und erklärt dem Krankenpfleger (Ben Münchow), sie sei Louises Schwester. Ausnahmsweise will er sie deshalb bei der frisch operierten Patientin sitzen lassen: Louises Armbruch nach einem Treppensturz würde wieder heilen, ebenso ihr äußerliches Kopftrauma. Wo vielleicht eine Erinnerungslücke Louises bleibe, zeige sich nach dem Erwachen. Das aber interessiert Ida besonders.

Endlich erwacht, ist Louise (Sinje Irslinger) sofort beunruhigt über Idas Anwesenheit und mehr noch über die Abwesenheit ihres Partners Henrik, des Vaters ihres erwarteten Babys. Schließlich haben sie und Henrik Ida mit polizeilich verankertem Kontaktverbot belegt, da diese ihr Privat- und Berufsleben störte und mehrfach ihr Haus auf dem Land verwüstet hatte, ebenso wie ihr Büro zur Vermittlung von Spitzensportlern. Dem Pfleger erklärt Louise, dass alles anders ist: Ida sei keineswegs ihre Schwester, sondern seit Studienzeiten ihre Ex-Frau, die sich nicht scheiden lassen will.

Erschlagen mit einem Pokal

Schlimmer noch als der Armbruch ist nun der Zusammenbruch von Louises neuer Lebensstruktur: Henrik, der nur in Rückblenden auftaucht, ist verschwunden. Nicht mehr erreichbar ist lange auch sein Geschäftspartner Kai. Was ist geschehen?

Da bei Woitzuck immer Figuren beteiligt sind, die, statt Konflikte verbal zu klären, um sich schlagen, bringen sie unversehens Verletzungen und Mord mit sich. Natürlich finden diese Exzesse anderswo statt, aber die Vertuschungen, die Lügen und Scheingefechte, die Traumata und die Fixierungen auf Feindbilder sind allgegenwärtig und prägen die Gespräche am Krankenbett. Raffiniert verschränkt die Autorin ihre geradezu grobschlächtige Enthüllungshandlung mit komplex verschlungenen psychologischen Reaktionen im Unter- und Hintergrund des Geschehens. So wachsen allmählich unheimliche Angespanntheiten, aber auch die drastische doppelte Spannung, wer den Mord an Henrik begangen hat und wie die gerade frisch operierte, verstörte Louise je wieder gesund agieren soll.

Ida, die trotz Kontaktverbot doch um das Haus herumschnüffelt, hat Henrik tot in seinem Büro entdeckt, erschlagen mit einem gewonnenen Pokal. Eifersüchtig fixiert allein auf Louise, schließt Ida daraus, diese müsse ihren Geliebten umgebracht haben. Unfähig sich vorzustellen, dass Louise nur eines will, Henriks Leben, beseitigt sie alle Dokumente, Handys, Dateien und Tagebuchskripte, ebenso die Leiche. Damit will sie alles so drehen, dass Louise unschuldig wirkt.

Blaue Rosen

Wer andern eine Grube gräbt, stürzt selbst hinein, heißt das bekannte Sprichwort. Das gilt hier nicht. Indessen dominiert die böse Variante: Wer andern schräge Wege öffnen will, gerät selbst darauf. Das wird hier Idas Fall. Sie hat alles zerstört, manches vom Krankenpfleger beobachtet. So nimmt die Polizei sie schließlich mit. Indessen taucht Kai (Isaak Dentler) auf, der seinen Streit mit Henrik um Geschäfte und Verluste handgreiflich mit dem Pokal gelöst hatte und nun Louise blaue Rosen in die Klinik bringt.

Einerseits wickelt "Zwei Schwestern" die Enthüllungshandlung knapp und zügig ab. Andererseits finden Woitzuck und Regisseur Léon Haase jeweils zwischen den acht Kapiteln Spielräume, in denen moritatenhafte Songs psychologische Abgründe zwischen den Personen beschreiben. Zudem brechen sie die Spannung und durchbrechen die vierte Wand durch Hinweise auf andere Produktionen in der Audiothek aus der Rubrik "True Crime". Damit werfen sie auch Fragen auf, inwiefern ihr Krimi Alltag enthält.

infobox: "Zwei Schwestern", achtteiliges Hörspiel, Regie, Dramaturgie und Produktion: Léon Haase, Buch: Magda Woitzuck, Komposition: Frederich Helbing, Musik: Berq (HR2-Kultur, 31.8.25, 14.00-15.35 Uhr und in der ARD-Audiothek)



Zuerst veröffentlicht 04.09.2025 10:52

Eva-Maria Lenz

Schlagworte: Medien, Radio, Kritik, Kritik.(Radio), KHR, Hörspiel, Woitzuck, Haase, Lenz

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