05.09.2025 08:48
ARD-Serie "Die Hochzeit" von Jan Georg Schütte
epd Deutsche Fernsehproduktionen sind selten innovativ. Meist reden sich die Sender mit dem Publikumsgeschmack heraus, den ominösen "Sehgewohnheiten". Gewohnheiten, die in Deutschland erstaunlicherweise mit dem real existierenden Programm deckungsgleich zu sein scheinen. Zu den wenigen anerkannt erfolgreichen Innovationen im fiktionalen Fernsehen gehören die Improvisations-Ensemble-Filme und Serien von Jan Georg Schütte. Hier treffen sich Publikumsgeschmack und kritische Anerkennung. Was aber auch an der Häufung der Fernsehstars liegen kann, die sich in Schüttes Produktionen gut aufgehoben und herausgefordert finden.
Seit der Regisseur 2014 in dem Film "Altersglühen - Speed Dating für Senioren" mehr als ein Dutzend erstaunlich spontane Darsteller und Publikumslieblinge, darunter Michael Gwisdek, Senta Berger, Hildegard Schmahl und Mario Adorf in einer schnieken Hamburger Villa zwei Drehtage lang nur mit Rollenprofilen und Kurzbiographien versehen improvisieren ließ, scheint er das Patent für fiktionale Fernsehinnovation angemeldet zu haben.
Es folgten "Wellness für Paare" (2016), das schauspielerisch herausragende "Klassentreffen" (2019), der herausfordernde "Tatort: Das Team" (2020) mit neun "Tatort"-Ermittlerinnen und Ermittlern und Friedrich Mücke sowie das Roadmovie "Für immer Sommer 90", auch die Beratungsserie "Kranitz - bei Trennung Geld zurück" mit Schütte selbst als angeblichem Paartherapeuten. In den Serien "Das Begräbnis" (2022) und "Das Fest der Liebe" (2023) traten viele der Figuren auf, die sich jetzt in den Tiroler Alpen in "Die Hochzeit" zum Vermählungs-Showdown treffen.
Wieder lebt die improvisierte Handlung sechs unterschiedlich kurzweilige Folgen lang vom absurd-witzigen dramatischen Bogen Schüttes, von der verbalen Reaktionsgeschwindigkeit der Darsteller, von oft tragikomisch gefärbten Backstorys, von Beziehungsgezerre, kleinen Handlungsüberraschungen und von der in der Montage von Benjamin Ikes und Nikolai Hartmann geschaffenen Dynamik des aus zahlreichen Perspektiven gedrehten Materials. Zwar sind Schüttes Impro-Produktionen Ensembleveranstaltungen, dieses Mal gibt es aber einen eindeutigen Star: die traumhafte Bergkulisse der Tiroler Alpen.
Bewährt schlagen sich Anja Kling, Martin Brambach und Devid Striesow als Braut Jäckis Elterntrio. Anna, Carsten und Thorsten sind Klischeeossis, die schon in der Gondelbahn auf dem Weg zum Luxushotel der Bräutigamsfamilie von der "guten Partie" schwärmen und die Beute bereits verteilen. Denn Tochter Jäcki (Luise von Finckh) soll ihre ihnen unbekannte Blitzliebe heiraten, den ehemaligen Ski-Weltcup-Teilnehmer und Snowboard-Influencer Lukas Pichler (Felix Kreutzer). Simone Streuble (Lena Klenke) ist die kontrollierende Hochzeitsplanerin und Social-Media-Strategin, Jäckis Verflossener Böcki (Gustav Schmidt) stellt sich als ihr Assistent bei den Aufnahmen für Social Media jedoch höchst ungeschickt an.
Schon bald hält Lukas' Vater Johann (Tobias Moretti) die Schwiegerleute für "irre", diese wundern sich über eine Vulva-Seife auf dem Zimmer, Carsten kämpft splitterfasernackt mit Thorsten im Pool des Spa-Bereichs. Natürlich taucht auch Lukas' intrigante Ex Sophia Baumgartner (Josephine Bloéb) auf und versucht gemeinsam mit Trauzeuge René (Felix Oitzinger) die Trauung platzen zu lassen. Während Lukas' Tante Debbie (Sonja Romei) die Hochzeitsglocken in der Luft nutzen will, um den schuldbeladenen Witwer Johann ihrerseits zur Ehe zu überreden. Als der Pfarrer (Roland Silbernagl) schließlich auftaucht, um der ungetauften Jäcki die Beichte abzunehmen und das Sakrament der Ehe zu erklären, läuft die bisher chaotische Veranstaltung vollends aus dem Ruder.
Die Serie, wieder an zwei Tagen gedreht, hat Höhen und Tiefen, dieses Mal aber auch einige dramaturgische Durchhänger. Vor allem ist das Absurditätspotential sehr geschrumpft, seit das Reality-Show-Paar Leyla und Mike Heiter, beide bekannt aus dem sogenannten Dschungelcamp und diversen Dating-Formaten, am 30. August tatsächlich vor großer Online-Gemeinde geheiratet hat. Stundenlange Übertragung bei "Bild", "Höhepunkt-Ticker" und zahllose Social-Media-Postings inklusive.
Schüttes ausgedachtes Influencer-Brautpaar Jäcki und Lukas will in "Die Hochzeit" zwar nur zum Schein heiraten, weil sie ihre feministische Klamottenkollektion "Femarriage" promoten will und er einen Shitstorm wegen angeblicher Frauenfeindlichkeit abwehren möchte, aber an die Realsatire von "Die Heiters - Jetzt wird geheiratet" reicht "Die Hochzeit" nicht heran. Leider wirken einige Szenen gebremst, darunter fast alle, die mit dem katholischen Pfarrer, der katholischen Kirche, der Trauzeremonie in der Kapelle und überhaupt der möglichen Beleidigung christlicher Gefühle und Überzeugungen zu tun haben. Als hätten entweder die Regie oder die Schauspieler dem Affen den Zucker weggenommen.
infobox: "Die Hochzeit", sechsteilige Serie, Regie: Jan Georg Schütte, Buch: Jan Georg Schütte, Sebastian Schultz, Kamera: Nikolas Jürgens, Produktion: Florida Film, Epo Film (ARD-Mediathek/Degeto, seit 5.9.25, ARD, 5.9.25, 22.20-00.50 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 05.09.2025 10:48
Schlagworte: Medien, Fernsehen Kritik, Kritik.(Fernsehen), KARD, Serie, Schütte, Schultz, Hupertz
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