08.09.2025 16:17
Brüssel (epd). Die Europäische Kommission hat gegen Google wegen Verstößen gegen das EU-Kartellrecht eine Geldbuße in Höhe von 2,95 Milliarden Euro verhängt. Das Unternehmen habe den Wettbewerb in der Werbetechnologiebranche (Adtech) verzerrt, erklärte die Kommission am 5. September zur Begründung. Konkret habe Google seine eigenen Dienste für Online-Werbeanzeigen zum Nachteil von konkurrierenden Adtech-Anbietern, Werbetreibenden und Online‑Publishern bevorzugt. Der Konzern sei angewiesen worden, diese "Praxis der Selbstbevorzugung" einzustellen. Google kündigte laut Medienberichten Rechtsmittel gegen die Entscheidung an.
Die Kommission verwies darauf, dass Google seine Einnahmen vornehmlich aus Werbung beziehe. Dazu vertreibe Google erstens Werbeplätze auf seinen eigenen Webseiten und Anwendungen und fungiere zweitens als Makler zwischen Werbetreibenden, die Werbung online platzieren möchten, und Inhalteanbietern, die entsprechende Werbeplätze bereitstellen können.
Google biete verschiedene Werbetechnologiedienste an, die zwischen Werbetreibenden und Inhalteanbietern angesiedelt seien und dazu dienten, Werbung auf Websites oder in Mobile-Apps anzuzeigen. Das Unternehmen betreibe zwei Instrumente für den Kauf von Werbung ("Google Ads" und "DV 360), einen Ad-Server für Inhalteanbieter ("DoubleClick for Publishers", DFP) und die Werbebörse "AdX".
Die Untersuchung der Kommission habe ergeben, dass Google mit DFP und mit seinen Diensten "Google Ads" und "DV 360" marktbeherrschende Stellungen im europäischen Wirtschaftsraum innehabe. Diese Stellung habe Google mindestens seit 2014 missbraucht, indem es beispielsweise seine eigene Werbebörse AdX bei der von seinem Ad-Server DFP durchgeführten Auktion zur Auswahl von Werbung begünstige. Dies geschehe etwa dadurch, dass AdX im Voraus über das beste Gebot von Wettbewerbern informiert werde.
Die Kommission schlussfolgerte, dass diese Verhaltensweisen darauf abzielten, AdX vorsätzlich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, und möglicherweise zur Verdrängung konkurrierender Werbebörsen geführt hätten. "Dadurch wurde die zentrale Rolle von Google auf verschiedenen Stufen der Adtech-Wertschöpfungskette gestärkt, sodass das Unternehmen für seine Dienste höhere Gebühren verlangen konnte", teilte die EU-Kommission mit. Google müsse nun "Maßnahmen zur Abstellung der inhärenten Interessenkonflikte entlang der Adtech-Wertschöpfungskette" ergreifen.
Das förmliche Verfahren wegen eines möglichen wettbewerbswidrigen Verhaltens von Google war 2021 eingeleitet worden. Im Juni 2023 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an Google, auf die das Unternehmen im Dezember 2023 antwortete. Der Kern des Verfahrens beruhe "auf fehlerhaften Interpretationen des Ad-Tech-Sektors", erklärte der Konzern damals. Es sei üblich, Werbetreibende und Publisher zu bedienen, weil beide Parteien davon profitierten, zudem hätten Publisher und Advertiser eine enorme Auswahl, die sie täglich nutzten.
Eine Koalition von mehr als 30 europäischen Medienhäusern aus 17 Ländern reichte Anfang 2024 Klage gegen Google wegen der Adtech-Praktiken ein und forderte Schadenersatz in Höhe von rund 2,1 Milliarden Euro. Aus Deutschland schlossen sich der Medienkonzern Axel Springer und Hubert Burda Media der Klage an. Auch Medienhäuser wie "Der Standard", "Kurier" und "Krone" aus Österreich, der Schweizer Ringier-Verlag, Mediahuis aus Belgien oder Schibsted aus Norwegen gehören zu den Klägern.
Die EU-Kommission betonte in ihrer Mitteilung vom 5. September, dass Personen und Unternehmen, die von dem wettbewerbswidrigen Verhalten von Google betroffen seien, vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadenersatz klagen könnten. Durch die EU-Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen sei es für Opfer wettbewerbswidriger Praktiken inzwischen leichter, Schadenersatz zu erhalten, hieß es.
Zahlreiche Verbände der deutschen Medien- und Werbewirtschaft begrüßten die Entscheidung der Kommission. Der Schritt stärke die Rolle des Kartellrechts bei der Korrektur von Fehlentwicklungen im Wettbewerb und mache es "zu einem scharfen Schwert für eine funktionierende Marktordnung in Europa", erklärte ein Sprecher der Organisationen - darunter die Verlegerverbände BDZV und MVFP, der Privatsenderverband Vaunet und die Auflagenkontrolle IVW - am 8. September. "Die Botschaft ist klar: Regeln gelten für alle und werden angewendet - ohne Ausnahme. Funktionierende Werbemärkte mit fairem Wettbewerb sind das Rückgrat der Refinanzierung privater Medien."
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) fordert die EU-Kommission auf, an der verhängten Strafe von 2,95 Milliarden Euro festzuhalten. Unter der marktbeherrschenden Stellung, die die Kommission dem Konzern vorhalte, leide in Deutschland vor allem die überwiegend mittelständisch strukturierte Medienwirtschaft, erklärte der Verband am 8. September. "Jeder Euro auf das Werbekonto von Google fehlt den Verlagen und Sendern in ihren Bilanzen", sagte DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster.
US-Präsident Donald Trump kritisierte die Verhängung der Strafe und drohte Europa mit Gegenmaßnahmen, etwa durch neue Zölle. Die EU-Strafe sei "sehr unfair" und bedrohe US-Investitionen und Jobs, erklärte Trump auf seiner Plattform Truth Social.
rid
Zuerst veröffentlicht 08.09.2025 13:47 Letzte Änderung: 08.09.2025 18:17
Schlagworte: Medien, EU, Google, DJV, Trump, NEU
zur Startseite von epd medien