09.09.2025 09:57
ARD-Dating-Format "City of Love" mit Lola Weippert
epd Muss das sein? Müssen jetzt auch die Öffentlich-Rechtlichen Amor spielen und geschlechtsreife Singles verkuppeln? Gehört das überhaupt zu ihrem Auftrag? Diese Frage lässt sich diskutieren, seit der BR (gemeinsam mit dem ORF) Ende der 1980er mit "Herzblatt" die Mutter aller Dating-Shows auf Sendung brachte: Irgendwie herzerfrischend war das seinerzeit und hat aus heutiger Sicht doch reichlich Staub angesetzt. Wer würde im Jahr 2025 noch ernsthaft öffentlich sein Blind Date fragen: "Ich bin wild, wie würdest du mich zähmen?"
Aber ja, trotzdem und grundsätzlich können Kuppel-Formate Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrags sein, sofern sie die Kriterien der Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung erfüllen und ausgewogen gestaltet sind. Ob das auch auf "City of Love" zutrifft?
Um wohl auf die ganz sichere Nummer zu gehen, setzen SWR und HR bei dieser gemeinsamen Eigenproduktion in vier Folgen nicht nur auf den Flirt-Faktor und nackte Gaudi - die hier allerdings anders interpretiert wird als beim Privatfernsehen. "City of Love" grenzt sich davon ab: Das Personal ist erstens "reifer" (jenseits der 27) und das Format ein Hybrid.
Es versteht sich auch als gefilmter Reiseführer, will landeskundlich bilden: Neben den Kandidatinnen und Kandidaten spielen die Städte, in denen sie sich zum Blindflug gen Happy End treffen, ebenso eine Rolle. Auch sie werden von der Moderatorin Lola Weippert gecheckt, ob sie zum Verlieben taugen. Spoiler: Na ja, kommt darauf an.
Es geht für die Singles nach München, Frankfurt, Stuttgart und Freiburg. Dort verbringen sie den Tag miteinander und erkunden bei einer Rikscha-Tour Sehenswürdigkeiten. Manche sind schon ortskundig, andere extra angereist. Das Publikum am Bildschirm erfährt en passant aus dem Off von einem Guide der Tour d‘Amour zum Beispiel: "Stuttgart liegt in einem Talkessel, umgeben von Weinbergen und Wäldern." Oder: "Freiburg gilt als das deutsche Venedig." Diese Informationen sind so tiefgründig wie ein Eintrag bei Trip Advisor, aber hey, für oberflächlichen Small-Talk reicht's. Check, Bildungsauftrag erfüllt.
Dem Trend, alles zu gamifizieren, ob Bildung oder Fernsehen, kann auch "City of Love" nicht widerstehen. Die nach welchen mysteriösen Kriterien auch immer zusammengewürfelten Paare auf Zeit müssen "Challenges" absolvieren. Sich mit Schwarzwälder Kirschtorte blind zu füttern, sich beim Lach-Yoga zum Affen zu machen oder kostümiert mit Seppl-Hut vor dem Münchner Rathaus-Brunnen ein Instagram-taugliches Paar-Foto zu schießen, gehört noch zu den harmlosen Aufgaben. Auf dem Nervenkitzel-Barometer stehen ganz weit oben: Sich aus 50 Metern vom Dach des Münchner Olympiastadions abseilen oder von einem Frankfurter Hochhaus an der Fassade entlang in die Tiefe spazieren. Was man halt so macht im Zeitalter von Jochen-Schweizer-Erlebnis-Gutscheinen.
Muss das sein? Kandidat Tajan löst in Hessens Wolkenkratzer-Metropole auf: "Normalerweise laufen Dates steril ab wie ein Business-Essen, aber wenn man gemeinsam Herausforderungen meistern muss, lernt man den anderen auf intimere Weise kennen." Angelina in Freiburg wiederum vermisst vor lauter Thrill die Momente, "um sich auch mal intensiver unterhalten zu können". Recht hat sie!
"City of Love" ist Kuppeln auf Speed. Nur wenige Stunden Sightseeing samt Action-Programm bleiben bis zum "Moment der Wahrheit", wenn Tinder-like auf einem Tablet abgestimmt werden muss: Willst du deinen Reisegefährten/deine Reisegefährtin wiedersehen? Wer mit Ja stimmt, findet sich an einem (natürlich!) romantischen Hotspot bei "Amor" Lola Weippert ein - und wartet. Nur wenn auch der andere erscheint, gibt es zur Belohnung ein Liebesschloss samt Gutschein für ein Abendessen im Kerzenschein. Es gehört zu den brutalen Momenten von "City of Love", dass Kandidaten sprichwörtlich im Regen stehen.
Dabei kann man der Moderatorin wirklich nicht vorwerfen, die Erwartungen an ein Happy End nicht mit genug Enthusiasmus und Charme zu schüren. Den Anbahnungsprozess begleitet sie meist zwar nur aus der Ferne, per Kommentar in der unteren Bildschirmecke (um die Zweisamkeit nicht zu stören, wie sie einmal erklärt). Aber wenn sie feststellt: "Ey, das passt wie die Faust aufs Auge. Was für ein Vibe", dann darf man ihr eigentlich vertrauen: Wer, wenn nicht sie, die sich zuvor schon durch "Love Island", "Temptation Island" und "Princess Charming" durchmoderiert hat, hat Dating-Expertise?
Lola Weippert gibt also der Illusion ordentlich Zucker, dass Fernsehen tatsächlich bei der Partnerfindung helfen kann. Blöderweise wird diese Illusion bei "City of Love" zerstört. In den laufenden Abspann hinein platzt die Information, wie es mit den Paaren weiterging. Kurz: Nach Drehschluss war bei den meisten Funkstille. Der letzte Hauch von Romantik, sofern er bei all der Hektik (auch im Schnitt!) überhaupt aufkam, wird gekillt. War also doch alles nur Show. Leider keine sonderlich gute.
infobox: "City of Love", vierteilige Dating-Show mit Lola Weippert, Regie und Buch: Sonja Sydow-Rotter, Kamera: Till Pietsch, Niklas Otto u.a. (ARD/SWR/HR, seit 29.8.25 in der ARD-Mediathek)
Zuerst veröffentlicht 09.09.2025 11:57
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KARD, Weippert, Krasser
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