11.09.2025 08:03
ARD-Dokumentation "Der Herr der Fässer"
epd Guido Oesterreich, Betriebsführer im Schacht Asse II im Landkreis Wolfenbüttel, habe einen Auftrag "den noch niemand auf der Welt ausführen musste", heißt es gleich zu Beginn der Dokumentation "Der Herr der Fässer - Atom-Debakel Asse". Und der NDR, der den Film verantwortet, spricht in einer Ankündigung von "einer ungelösten Menschheitsaufgabe", mit der sich Oesterreich und sein Team konfrontiert sähen.
Normalerweise ist bei solchen Superlativen Vorsicht geboten, denn Autoren und Redaktionen übertreiben gern. Bei Carsten Raus Film "Der Herr der Fässer" aus der Reihe "ARD Story" ist das nicht der Fall. Oesterreichs Aufgabe besteht darin, strahlenden Atommüll aus einem Endlager herauszuholen, der eigentlich "für die Ewigkeit" (Rau) im ehemaligen Salzbergwerk bleiben sollte und entsprechend "einbruchssicher" dort eingemauert ist.
Es geht um 126.000 in den 1960er und 1970er Jahren dort gelagerte Fässer, die laut einem Beschluss des Bundestages 2013 nun zurückgeholt werden müssen. Denn: Aus den Fässern tritt teilweise Radioaktivität aus, weil sie undicht sind oder verrostet. Hinzu kommt, dass seit Jahren unkontrolliert Wasser durchs Bergwerk fließt. Die Bergleute müssen herausfinden, wo das Wasser herkommt, um zu verhindern, dass es mit den verstrahlten Fässern in Berührung kommt. 2033 ist der "allerspäteste Zeitpunkt, an dem die Rückholung beginnen muss", sagt die frühere Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bei einem Ortstermin.
Der Autor Carsten Rau hat sich mit dem ungelösten Endlagerproblem bereits in dem Dokumentarfilm "Atomkraft forever" beschäftigt, für den er 2023 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Für "Der Herr der Fässer" hat er nun die Bergleute in der Asse über ein Jahr lang begleitet; der Großteil des Materials ist dabei unter Tage entstanden.
Warum sind die Arbeiten dort so zeitintensiv? Das Gebirge ist brüchig, Hohlräume sind zusammengedrückt, Pfeiler beschädigt. Ein Bergmann sagt: Der enorme Aufwand, der vor allem betrieben werden muss, um das Risiko für die Arbeiter zu minimieren, sei der Bevölkerung vor Ort, die sich natürlich wünscht, dass der Müll eher heute als morgen aus ihrer Nachbarschaft verschwindet, manchmal nicht zu vermitteln.
Raus Film ist von einem Spannungsverhältnis geprägt: Während irgendwo in Niedersachen abseits der Schlagzeilen immer noch Menschen kämpfen, um Lösungen für Probleme zu finden, die ihnen frühere Generationen von Atomkraft-Enthusiasten hinterlassen haben, bringen sich auf der politischen Bühne immer wieder neue Enthusiasten in Stellung. Rau thematisiert das aber nur einmal explizit - als er kommentiert, wie sich während der Dreharbeiten die politischen Verhältnisse verändern: "Während sie in der Asse noch immer nach dem Wassereinbruch suchen, hat in Berlin Atomkraftfreund Friedrich Merz die Bundestagswahl gewonnen."
Als besonders zermürbend erweist sich für Oesterreichs Leute eine Phase, in der eine anvisierte Kammer mit 7.000 Fässern noch zwei Meter entfernt ist. Jetzt dürfen die Fachleute "wegen der steigenden Strahlengefahr nur noch zehn Zentimeter pro Tag bohren", heißt es im Film. Rau lässt sich das von einem Bergmann erklären: Nach jedem Bohrgang müsse man 120 Meter Bohrgestänge ausbauen, dann müssten die zehn Zentimeter, die man sich erarbeitet habe, mit einer Sonde auf Radioaktivität überprüft werden, sagt er. Ist alles in Ordnung, wird das riesige Gestänge wieder angebracht. Rau macht die vordergründige Absurdität dieser Vorgänge deutlich, indem er Gesprächspausen stehen lässt. So kann beim Zuschauer die Überraschung über diese Fakten besser wirken.
Essenziell für den Film sind Oliver Endes 3D-Animationen. Die unter Tage entstandenen Bilder sind eindrucksvoll, zumal es dort permanent 40 Grad heiß ist und die Rahmenbedingungen für Dreharbeiten auch sonst herausfordernd sind. Gäbe es die Animationen nicht, würde man als Zuschauer aber den Überblick verlieren über all die Ebenen, Schächte, Richtstrecken und Müllkammern. Die Animationen verstärken auch das leicht klaustrophobische Gefühl, das die Filmbilder vermitteln.
Im Epilog der Dokumentation geht Autor Rau darauf ein, was sich nach den Dreharbeiten getan hat: Laut seinen Quellen hat die Betreibergesellschaft BGE entschieden, den Zeitplan für die Rückholung zu ändern. Für die Bewohner der Region stellt sich nun verstärkt die Frage, ob überhaupt eine Rückholung stattfinden wird. Diese Sorge kam bereits bei einer Informationsveranstaltung der BGE im Mai zum Ausdruck, die Raus Team gedreht hat.
Guido Oesterreich, der "Herr des Fässer", betont abschließend: Ob der Müll dauerhaft am aktuellen Standort verbleibt, könne allein der Gesetzgeber entscheiden. Die Entscheidung zur Rückholung wurde einst unter der schwarz-gelben Koalition getroffen. Wie sich der Bundestag in ein oder zwei Legislaturperioden positionieren wird, falls das Thema erneut auf die politische Agenda rückt, ist derzeit völlig offen.
infobox: "ARD-Story: Der Herr der Fässer - Atom-Debakel Asse", Regie und Buch: Carsten Rau, Kamera: Axel Decker, Jan-Christoph Schultchen, Produktion: Raufilm (ARD/NDR, 8.9.25, 22.35-23.20 Uhr, ARD-Mediathek bis 8.9.27)
Zuerst veröffentlicht 11.09.2025 10:03
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KARD, Dokumentation, Martens, Rau
zur Startseite von epd medien