01.10.2025 08:10
ARD-Dokumentation "Der talentierte Mr. F."
epd "Löst du nie Konflikte selber?", fragt Moritz Justus in einer eindrucksvollen Szene. "Gehst du dem Ganzen immer aus dem Weg, oder lässt das andere machen?" Es ist die Nacht vor der Konfrontation, auf die dieser Film hinarbeitet. Die beiden Freunde streiten über die richtige Vorgehensweise für genau diese Konfrontation. Sie sind nicht auf einem Rachefeldzug gegen den namensgebenden Filmdieb. Vielmehr ist "Der talentierte Mr. F." eine Art Roadtrip der beiden Protagonisten zu sich selbst, ein Film über Chancen und Träume junger Kreativer, über das richtige Maß an Selbstvermarktung und das Staunen über den eigenen Erfolg. Und darüber, in scheinbar machtlosen Situationen wieder das Zepter in die Hand bekommen.
Doch der Reihe nach: Als Filmstudenten arbeiten Julius Drost und Moritz Henneberg zwei Jahre lang an ihrem ersten Animationsfilm. "Butty" handelt von einem tollpatschigen Haushaltsroboter, der von seiner Besitzerin nach einem Fehler verstoßen wird. Kurzzeitig stellen die beiden jungen Filmemacher aus Berlin ihr Werk bei Youtube ein, sind überrascht vom großen Publikumszuspruch. Dann nehmen sie das Video offline. Denn um den Streifen bei Festivals einreichen zu können, darf er nicht schon verfügbar sein.
Absage um Absage trudelt ein, dann eine Zusage aus Bulgarien. Die aber wird schnell zurückgezogen, denn, so schreibt das Festival, der Film stehe ja schon online. Julius und Moritz recherchieren - und finden heraus: Samuel Felinton, ein Student aus West Virginia, scheint Titel und Credits des Films verändert und eine Szene herausgeschnitten zu haben - und hat dann seine Kopie bei Festivals in aller Welt eingereicht und damit Preise abgeräumt. In einem TV-Interview spricht er dreist darüber, wie er den Film erstellt haben will. Der 20-jährige Samuel scheint ein echter Tausendsassa zu sein: zahlreiche Youtube-Kanäle, Interview-Auftritte, ein paar Firmengründungen, Fashion Brands, E-Sport-Team.
Was also tun? Ein Rechtsstreit? Angesichts dessen, dass der mutmaßliche Filmdieb in den USA wohnt, zu unsicher, zu teuer, und ihren Film hätten sie damit erstmal auch nicht zurück, raten Anwälte einer Berliner Kanzlei. Daher entscheiden Justus und Moritz, einen Film über den Film-Klau zu drehen und Felinton auf diese Weise zu stellen.
In "Der talentierte Mr. F." (Buch und Regie: Igor Plischke), entstanden für ARD Kultur, fungieren die beiden zugleich als Erzähler und Protagonisten. Der Film zeigt sie in Recherche-Situationen, aber auch im einordnenden Selbst-Rückblick vor einer Studio-Leinwand. Verschiedene Meta-Ebenen überlappen sich, fast könnte man das für eine besonders gut gemachte Mockumentary halten.
Zwar hat "Der talentierte Mr. F." Anleihen am True-Crime-Genre, wenn etwa in Moritz' Elternhaus eine Wand mit den Ergebnissen detektivischer "Rabbithole"-Arbeit zu Felinton befüllt wird. Hier aber geht es nicht um eine minutiöse Rekonstruktion des Filmdiebstahls oder des anschließenden Brillierens auf Festivals. Ebenso wenig interessiert sich der Film für das Ausmaß von Copyright-Verletzungen in der Filmindustrie oder leicht zu täuschende Festival-Jurys. Vielmehr beschäftigt sich "Der talentierte Mr. F." mit der Frage, warum Felinton all das getan hat und was das mit Julius und Moritz macht. Und vor allem: Wie Felinton reagieren wird, wenn die beiden ihn zur Rede stellen werden.
Dafür reisen sie im Februar 2025 in die USA. Schwer fällt es nicht, an Felinton heranzukommen - daher kann kaum von einer "Jagd" auf den Filmdieb gesprochen werden, wie es ein zu Promo-Zwecken verwendeter Untertitel des Films etwas ungelenk tut. Im Internet hat Felinton, der sich gut vermarkten kann, viele Spuren hinterlassen. Und überhaupt gleicht Julius' und Max' Reise zu dem Filmdieb eher einem vorsichtigen Herantasten denn einer breitbeinigen Verfolgungsjagd, die in einem actiongeladenen Finale endet.
Ian Ross, ein Filmemacher aus New York, kümmert sich um die Kontaktaufnahme zu Felinton, vorgeblich, um eine Dokumentation über junge Talente zu drehen. Gemeinsam reisen sie nach Morgantown, West Virginia. Streamingtaugliche Hochglanzaufnahmen und wohldosiert eingesetzte Drohnenbilder des kleinen winterlichen Unistädtchens geben dem Film eine bestechende, nachdenklich wirkende Ästhetik.
Am ersten gemeinsamen Drehtag in Morgantown, die beiden deutschen Filmemacher halten sich da noch verborgen, ahnt Felinton noch nicht, was wirklich hinter der Kontaktanfrage steht. Und so schildert er detailreich, wie er die Idee zum Roboter-Film gehabt haben will, was ihn dabei inspiriert habe. Er erzählt dazu fast mehr, als Julius und Moritz selbst zu ihrem Werk erzählen würden, wie die beiden halb belustigt, halb angewidert feststellen.
Und dann also: die Konfrontation. Bis hierher war "Der talentierte Mr. F." schon ein Film über Freundschaft und Vertrauen. Am Ende, so viel sei verraten, wird es noch ein Film über Konfliktlösung, sogar Versöhnung, reagiert Samuel Felinton doch ganz anders als gedacht. Fast schon märchenhaft.
infobox: "Der talentierte Mr. F.", Dokumentarfilm, Buch und Regie: Igor Plischke, Kamera: Benedikt Hugendubel, Nikita Fedosik, Produktion: Flimmer (ARD/MDR, seit 27.9.25 in der ARD-Mediathek)
Zuerst veröffentlicht 01.10.2025 10:10 Letzte Änderung: 01.10.2025 12:18
Schlagworte: Medien, Kritik, Kritik.(Streaming), KARD, KMDR, Speck, dsp, NEU
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