Plötzlich Oma - epd medien

06.10.2025 09:15

Die Geschwister Martha, Mikkel und Mats hatten sich auf einen Italien-Urlaub mit ihren Eltern gefreut, doch weil ihre Mutter in New York einen Unfall hatte, müssen sie nun den Sommer bei ihrer bislang unbekannten Großmutter in Sommerby verbringen. Die ARD hat aus Kirsten Boies Kinderbuch "Ein Sommer in Sommerby" einen Familienfilm gemacht.

Familienfilm "Ein Sommer in Sommerby"

Die ARD hat das Kinderbuch "Ein Sommer in Sommerby" von Kirsten Boie verfilmen lassen

epd Die ARD setzt zwar seit einigen Jahren auf "online first", spricht aber andererseits immer noch von "gelernten Sendeplätzen". Diese Auskunft erhielt kürzlich zumindest der Produzent Ralf Kukula, als er sich erkundigte, ob es für seine mit Blick auf die gesamte Familie konzipierte Serie "Fritzi und Sophie" keine attraktivere Sendezeit als die frühen Morgenstunden gebe. Immerhin zeigte Das Erste "Ein Sommer in Sommerby" am 5. Oktober gleich nach der "Sendung mit der Maus" und die Verfilmung des Kinderbuchs von Kristen Boie ist Familienfernsehen im besten Sinne.

Die ARD hätte den Film aber auch mit dem Etikett "Endlich Freitag im Ersten" versehen und um 20.15 Uhr zeigen können, auch wenn er für das Abendprogramm 15 Minuten zu kurz ist. Thematisch würde das passen, schließlich haben Geschichten aus dem tragikomischen Dramen-Subgenre "Plötzlich Oma" (wahlweise auch Opa, Onkel oder Tante) auf diesem Sendeplatz Tradition.

Leben im Funkloch

Der Film beginnt mit einem Unfall im fernen New York, und deshalb fällt der geplante Italien-Urlaub für Martha, Mikkel und Mats aus. Stattdessen bringt Vater Nils (Denis Moschitto) seine drei Kinder in den hohen Norden zur Großmutter an die Schlei. Ankündigen kann er sich nicht, denn Oma Inge (Johanna Gastdorf) hat kein Telefon und zur großen Bestürzung der zwölfjährigen Martha (Lotta Herzog) auch keinen Zugang zum Internet: Sie lebt in einem Funkloch.

Dieses steinzeitliche Dasein ist aber noch das geringste Problem: Inge und ihre Tochter Leonie haben sich irgendwann zerstritten und seit mindestens zwölf Jahren keinen Kontakt mehr, die Großmutter sieht ihre Enkelkinder zum ersten Mal. Nils hatte das Trio vorgewarnt: Die Oma sei ein "bisschen speziell". Das ist, wie sich bald zeigt, noch sehr wohlwollend formuliert.

Sommerby klingt schwedisch und die Landschaft an der Ostsee sieht sehr skandinavisch aus. Eine Liebesgeschichte erzählt "Ein Sommer in Sommerby" nebenbei auch noch, im Grunde sogar zwei: Martha verguckt sich ein bisschen in den gleichaltrigen Enes (Konstantin Riesen) und zwischen Inge und ihrem knorrigen Nachbarn Christian (Rainer Bock) lief offenkundig auch mal was.

Ein schurkischer Makler

Der zentrale Handlungsstrang ist jedoch eher unromantisch: Ein scheinbar harmloser, bei seinen Methoden jedoch wenig zimperlicher Makler (Björn Meyer) hat es auf Inges Anwesen abgesehen. Da er sie mit seinem lukrativen Angebot nicht überzeugen kann, greift er zu anderen Maßnahmen. Inge lebt davon, ihre Marmelade jenseits der Schlei zu verkaufen, also will er ihr mit miesen Sabotageaktionen am Boot und am Vorratsregal das Geschäft ruinieren. Zum Glück sind einige Gläser heil geblieben, aber Inge fängt sich einen Hexenschuss ein, als sie ein Reh aus dem Garten verjagen will.

Also übernehmen die Kinder die Lieferung, und als ihnen mitten auf der Schlei das Benzin ausgeht, braut sich auch noch ein heftiger Sturm zusammen. Die Szene ist ziemlich dramatisch, eine Einstellung aus der Vogelperspektive verdeutlicht, wie schutzlos das Boot den Naturgewalten ausgeliefert ist. Wenig später wird "Sommer in Sommerby" zum Krimi, als sich Martha und Enes nachts auf die Lauer legen, um den schurkischen Makler bei seinem nächsten Attentat in flagranti zu ertappen.

Regie führte Mara Eibl-Eibesfeldt, ihre letzte Arbeit war der Kinofilm "Thabo - Das Nashorn-Abenteuer", ebenfalls nach einer Vorlage von Kirsten Boie. Die Bildgestaltung von Britta Mangold entspricht mit ihren Kameraflügen über die Landschaft und den heimeligen Innenaufnahmen der typischen Freitagsfilm-Optik - Schmuckbilder wie Vollmond, Regenbogen oder Waldnebel in der Morgensonne inklusive. Herausragend ist die Arbeit der Regisseurin mit den jungen Mitwirkenden. Vor allem die für ihr Alter bereits erstaunlich filmerfahrene Lotta Herzog (Jahrgang 2012) macht ihre Sache ganz ausgezeichnet. Boie hat vier "Sommerby"-Bücher geschrieben, die Dreharbeiten zur Verfilmung des zweiten Bands sollen im November beginnen.

infobox: "Ein Sommer in Sommerby", Fernsehfilm, Regie: Mara Eibl-Eibesfeldt, Buch: Catharina Junk nach der Vorlage von Kirsten Boie, Kamera: Britta Mangold, Produktion: Wüste Film (ARD-Mediathek/SWR/NDR/RB seit 3.10.25, ARD, 5.10.25, 9.45-11.00 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 06.10.2025 11:15

Tilmann Gangloff

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KSWR, KNDR, KRB, Fernsehfilm, Sommerby, Eibl-Eibesfeldt, Junk, Boie, Gangloff

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