13.10.2025 08:04
Big-Brother-Awards zum 25. Mal in Bielefeld verliehen
Bielefeld (epd). Datenschutz-Initiativen haben am 10. Oktober in Bielefeld die Big-Brother-Awards 2025 an Politiker, Justiz und Unternehmen für die Verletzung von Bürgerrechten vergeben. In der Kategorie "Behörden und Verwaltung" bekam Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) den Negativ-Preis für sein geplantes Sicherheitspaket. Zudem rügte der Verein die chinesische Social-Media-Plattform Tiktok, Google, das Verwaltungsgericht Hannover zusammen mit dem Bundesarbeitsgericht und den Begriff "Bürokratieabbau". In einem eigens von Jugendlichen gestalteten Programmpunkt wurde nach Angaben der Veranstalter der Einsatz von iPads in Schulen und die Ausgrenzung durch die Nutzung von Whatsapp als Messengerdienst kritisiert.
Das Jurymitglied Elisabeth Niekrenz erklärte in der Preisbegründung für Dobrindt, dass dieser der Polizei und dem Bundeskriminalamt (BKA) Zugang zu Gesichtersuchmaschinen sowie der Software "Gotham" des US-amerikanischen Unternehmens Palantir gewähren wollte. "Gesichtersuchmaschinen sind nicht nur extrem gefährlich, sondern auch illegal", erklärte die Rechtsanwältin. Sie vermäßen biometrisch sämtliche Bilder von Gesichtern, die im Internet verfügbar seien. Die größten Anbieter, Clearview AI und PimEyes, seien bereits mehrfach von europäischen Datenschutzbehörden abgestraft worden.
"Bei der Software Gotham von Palantir, die das BKA künftig unter der Bezeichnung 'BundesVeRA' nutzen soll, handelt es sich um eine Mischung aus 'Minority Report' und dem chinesischen Social Scoring System", warnte Niekrenz. Dobrindt wolle die gesamten Datenbestände des Bundeskriminalamts dort einspeisen. In Frankreich und den Niederlanden seien bereits mit ähnlicher Software einige Menschen falsch verdächtigt worden.
Die Plattform Tiktok wurde mit einem Award in der Kategorie "Social Media" ausgezeichnet. Sie erhielt ihn "für die Verletzung des Datenschutzes, die Verbreitung von Fake News und Hatespeech, die Manipulation von Menschen und die Schaffung von Abhängigkeiten". Laudator Thilo Weichert von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz kritisierte, dass TikTok nicht nur die Daten der Nutzerinnen und Nutzer vermarkte sowie ihnen Billigprodukte andrehen wolle, sondern auch vorrangig Videos von Extremisten zeige, die Hass und Falschinformationen verbreiteten. TikTok diskriminiere zudem gesellschaftliche Gruppen, indem es etwa die Reichweite von Menschen mit Behinderungen oder von queeren Menschen einschränke.
In der Kategorie Technik ging die "Big Brother"-Ministatue aus Ton an Google und dessen KI-Assistenten Gemini. Das Programm, das auf Künstlicher Intelligenz basiere, werde mittlerweile zwangsweise auf Android-Mobiltelefonen installiert, hieß es. Gemini erhalte Zugriff auf Nutzungs- und Kommunikationsdaten, darunter möglicherweise komplette Chatverläufe ohne Einwilligung der Kommunikationspartner.
Gerügt wurden auch das Verwaltungsgericht Hannover und das Bundesarbeitsgericht in der Kategorie "Arbeitswelt" für Urteile zu Amazon und dessen Umgang mit Mitarbeitenden. "Das Verwaltungsgericht hat die Totalüberwachung von Angestellten eines Amazon-Logistikzentrums abgesegnet", heißt es in der Jurybegründung. "Das Bundesarbeitsgericht verweigerte einem Amazon-Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht bei der Einführung einer Software, die Beschäftigtendaten rechtswidrig in den USA verarbeitet."
Jury-Mitglied Rena Tangens vom Verein Digitalcourage kritisierte in der Kategorie "Was mich wirklich wütend macht" den Begriff Bürokratieabbau: Alle fänden Bürokratieabbau gut, jedoch gehe es selten um den Abbau von Bürokratie in großen Konzernen, wenn jemand einen Vertrag kündigen wolle, sagte sie. Vielmehr gehe es um Deregulierung für Unternehmen und damit um den Abbau von Verbraucherrechten, Daten- sowie Umweltschutz, Arbeitnehmerrechten, Pressefreiheit und Gesetzen für fairen Wettbewerb.
Die deutschen Big-Brother-Awards werden seit dem Jahr 2000 jährlich vom Verein Digitalcourage gemeinsam mit anderen Bürgerinitiativen vergeben. Im vergangenen Jahr wurden der frühere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die Deutsche Bahn, die Polizei in Sachsen sowie die Handelsplattformen Temu und Shein mit dem Preis gerügt.
lwd
Zuerst veröffentlicht 13.10.2025 10:04
Schlagworte: Medien, Internet, Datenschutz, Auszeichnungen, Big Brother Awards, BER, NEU
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