18.10.2025 08:10
Neue Comedy-Show "Sträters Problemzonen"
epd Torsten Sträter kann sich eigentlich nicht beklagen. In der WDR-Problemzone Unterhaltung, wo nur alle Jubeljahre Neues entsteht, wird für den Comedy-Poeten in schöner Regelmäßigkeit das große Licht angemacht. Im Mai 2016 hatte seine erste Personality-Show "Sträters Männerhaushalt" Premiere. Die Nachfolgesendung trug den schlichteren Titel "Sträter", war aber runder und vor allem langlebiger. Sie schaffte bis Juli 29 reguläre Ausgaben in fünf Jahren und bekam ein Upgrade ins Erste. Eine offizielle Aussage, ob weitere Ausgaben von "Sträter" folgen, hat der WDR bislang nicht getätigt. Dafür legt der Sender mit "Sträters Problemzonen" jetzt eine neue Spielart des Sträterschen Comedy-Schaffens vor.
Die Betonung liegt auf Spiel. In "Sträters Problemzonen" wird mehr gespielt als in den vorherigen WDR-Shows: mit Rubriken, mit Gästen, mit dem Publikum, auch mit Pokerkarten. All das ist eingebettet in die übergreifende Erzählung, dass der Gastgeber "kleine Alltagsprobleme und große Lebensfragen" mit Unterstützung eines prominent besetzten "Agenten-Teams" löst. Es ist quasi Helptainment, nur in unernst. Produziert wird die neue Show von i&u Studios, der Spielort hat von Köln-Mülheim zum Lofthaus in Düsseldorf gewechselt. Doch es strätert wie eh und je.
Die von den Motown-Legenden The Spinners ausgeliehene Titelmelodie der Sendung mit dem ohrwurmartigen Refrain "Whenever you call me, I'll be there / Whenever you want me, I'll be there / Whenever you need me, I'll be there" ist kaum verklungen, da legt die Humorfachkraft aus Waltrop auch schon los, ohne sich groß mit einer Begrüßungsgirlande aufzuhalten. Sträters Spezialität ist, den Wahnsinn des Alltags zu komischer Kurzprosa zu veredeln. Das tut er, indem er meist endlos lange Sätze deklamiert, deren Komik sich daraus ergibt, dass er bei der Aneinanderreihung von Worten kaum Platz zum Luftholen lässt und die ihm Zuhörenden damit in einen Zustand der Ohnmacht versetzt. Noch versuchen sie, dem Gesagten hinterherzudenken, da prasseln schon die nächsten Satzverschachtelungen aus steilen Thesen und/oder albernen Wortspielen auf sie ein.
Die verbale Agilität spielt Sträter nicht nur solo im Stand-up aus: In der Rubrik "Die unnötig hitzige Debatte" streiten zwei identische Torsten Sträters (die Technik macht die Verdopplung möglich) um die besten Argumente für oder gegen etwas, also ob Rauchen cool ist, ob man, wenn man Geburtstag hat, Kuchen ins Büro mitbringen soll oder ob Leben in der Stadt oder auf dem Land besser ist. Für Fans des Sträterschen Humors muss der doppelte Vortrag doppelte Freude sein. Im Anschluss folgt der "Zimmer frei!"-Gedächtnismoment: Das Publikum darf mit grüner (dafür) oder roter (dagegen) Karte abstimmen. Mit diesem Höhepunkt ist die Sträter-Show aber nicht vorbei.
Der Dichter kann Wortkampf auch spontan. Aus "Sträters Hut", einer weiteren interaktiven Rubrik, zieht er Zettelchen, auf die die Menschen im Studio zuvor ihre Probleme aufgeschrieben haben und um Lösung bitten. So will die offenbar zur Vergesslichkeit neigende Nina wissen, ob Sträter einen Tipp habe, wie man sich einen Namen besser merken kann. "Nun", sagt Sträter und macht eine lange Pause, bevor er kopfschüttelnd wieder ansetzt: "Nina, nein."
Ist es ein Problem, dass diese Impro-Nummer bereits seit Nacht und Jahr in Ina Müllers Hamburger TV-Pinte gespielt wird, wenn auch dort mit Bierdeckeln statt Zetteln? Überhaupt nicht! Die Kopie muss nicht unbedingt schlechter sein als das Original.
Eine so noch nicht gesehene schöpferische Eigenleistung ist dagegen, dass Sträter die Lösung von Problemen, die Zuschauer zuvor per Aufruf eingereicht haben, "outsourct". David weiß nicht, wie er seinem besten Freund erklären soll, dass er ihm mit dem ausgeliehenen Schlafsack auch Myriaden von Bettwanzen zurückgab. Simon sucht nach einem Weg, wie die Tupperdosen in den Haushalt seiner Mutter zurückfinden. Oder: Wie macht man mit seinem Friseur Schluss? MAZ ab für die Comedy-Taskforce.
Ihre jeweilige "Mission possible" setzen das Magier-Duo Siegfried & Joy, Olaf Schubert und Martina Hill in Machart und Humorfarbe von "Harry Potter"-like bis Larissa-Style höchst unterschiedlich, aber erstaunlich aufwendig um. Torsten Sträter verschaffen die Einspielfilmchen eine kurze Atempause. Denn im Studio muss er sich höchstselbst um die Probleme seiner Gäste kümmern.
Diese müssen das Spiel, problembehaftet und hilfesuchend zu sein, mitspielen. So "leidet" das vielreisende (und überraschend schlagfertige) Model Lorena Rae unter mangelnder Hygiene in Hotels und nicht ohne Grund, wie Sträter vor Ort im Studio "recherchiert": Ein anonym bleibender Whistleblower hinter der Schattenwand bestätigt ihm kurz und eindeutig, dass Dekokissen auf Hotelbetten nie gewaschen werden.
Premierengast Katrin Bauerfeind wiederum macht es zu schaffen, dass ihrem Vornamen immer ein H angedichtet wird - ein Problem, dass sie mit dem Gastgeber Torsten ohne H teilt. Gemeinsam plädieren sie dafür, dass grundsätzlich nur eine Schreibweise zu gelten hat, und knöpfen sich dafür die "orthografische Peitsche" unter den Vornamen vor: Im Spiel "Survival of the Philipps" müssen die Kandidaten Philip, Phillipp, Philipp, Filip und Filipp in Disziplinen wie Bierkrughalten um das Überleben der eigenen Schreibweise kämpfen.
Klingt lustig? Ist es auch, nicht nur auf dem Papier. Das Problem an "Sträters Problemzonen" ist: Noch harmonieren nicht alle Formatelemente perfekt. Noch wird ausprobiert, was zwischen Stand-up und Talk passt und in welcher Reihenfolge. Auch bleibt die Frage, wie weit sich das Storytelling "Hier werden Probleme gelöst" noch weiter ausreizen lässt, ohne dass es überkonstruiert oder fad wird. Aber sollte es nach diesen zunächst drei Folgen weitergehen: Torsten Sträter hat es in der Hand, die Problemzone WDR-Unterhaltung zu verkleinern.
infobox: "Sträters Problemzonen", Comedy-Show mit Torsten Sträter, Regie: André Müller, Buch: Torsten Sträter, Produktion: i&u Studios GmbH (ARD-Mediathek/WDR seit 9.10.25, ARD seit 9.10.25 donnerstags 23.50-0.35 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 18.10.2025 10:10
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KWDR, Comedy, Sträter, Krasser
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