21.10.2025 08:10
Dokumentarhörspiel "Auch wenn es dunkel ist ..."
epd Der Jahrestag des 7. Oktober 2023 ließ mit seinen vielfältigen und in allen Medien ausgebreiteten Erinnerungen noch einmal aufleben, was damals die Welt bewegte und durcheinanderbrachte: das Massaker der palästinensischen Hamas an schutzlosen Menschen im südlichen Israel, verbunden mit dem (von wem auch immer verursachten) Fehlen von Hilfe und gefolgt von einem Krieg, der es einem in seiner Erbarmungslosigkeit schwer machte, Partei zu ergreifen, ja bisweilen zu einer erschreckenden Täter-Opfer-Umkehr führte, die den tatsächlichen Anlass der Geschehnisse aus dem Blickfeld rückte.
War es nicht die Hamas, die mit ihrem mörderischen Gemetzel den Anlass für alles gab, was folgte? Oder war es, wie viele nicht müde werden zu behaupten, Israel mit seinem angeblichen "Genozid" an den Palästinensern? Mit Sicherheit "eine Jahrhunderttragödie", auch und gerade im Zusammenwirken beider Seiten.
Das Verdienst dieses Stückes ist, dass es sich solcher Erörterungen enthält, sich im Spiegel der Opfer auf das damalige Wüten der Hamas konzentriert und so das Elend in den Vordergrund rückt, das durch sie hervorgerufen wurde. Ein Tag, der am 7. Oktober um 6 Uhr morgens beginnt und erst spät am Abend endet, Sadismen hervorbringt, die bis dahin unvorstellbar waren, und manche Betroffene jahrelang beschäftigen werden. "Ist dein Haus abgeschlossen? Bist du im Schutzraum? Bleib zu Hause, es wird vorübergehen." So beginnt es, ein Telefonat aus der Ferne, eine Stimme, die der Gefangenen Beruhigung zuspricht, eine Beruhigung, die - das wissen wir heute - nicht eintreten wird. Ein echtes Telefonat, keine Nacherzählung, kein erinnernder Rückblick.
Es sind erschütternde Einzelschicksale, die hier an unser Ohr gelangen. Da ist Hamid, ein Vater, der, mit Frau und Kind im Auto eingesperrt, in einen Schusswechsel gerät und erleben muss, wie beide sterben. Da ist Idan, der, mit Familie im Schutzraum seines Kibbuz eingesperrt, zusehen muss, wie Hamas-Terroristen seine Tochter erschießen. Auch der zweite Ort des Geschehens, das durch den Überfall der Hamas ins Chaos gestürzte Supernova-Festival rückt in den Blick. Das Fest mit all seiner Ausgelassenheit, dann das plötzliche Eindringen der Terroristen, die ausbrechende Panik, die jähe Flucht, die Attacken auf die Fliehenden. Der Israeli Ofek steht im Zentrum eines nachgespielten Rückblicks, der all das wieder gegenwärtig macht.
Die schönste Braut, die es gibt.
Auch wehmütige Erinnerungen an andere, schönere Zeiten oder der Blick auf ein zukünftiges friedliches Dasein haben ihren Platz. Eine Braut wird Augenzeugin der Entführung des ihr gerade erst angetrauten Mannes, sie sieht wie Hamas-Leute ihren Bräutigam erschießen und mit der Leiche davonrasen. "Die schönste Braut, die es gibt" habe er ihr, das künftige Zusammenleben vor Augen, noch kurz zuvor zugeflüstert.
Das Stück zieht den Radius aber noch weiter, bis zum Einsatzgebiet von ZAKA, jener israelischen Organisation, die bei Katastrophen auf den Plan tritt, um Opfer zu bergen und zu identifizieren. "In nur drei Tagen", sagt ein Sprecher, "haben wir die Ausrüstung benutzt, die wir sonst in vier Jahren benutzen."
Das Stück folgt auch den verschleppten Entführungsopfern, die sich den Umständen entsprechend eingerichtet haben. Amid, die sich im Schutzraum des Kibbuz versteckte, dort von den Eindringlingen gefesselt, verschleppt, später vergewaltigt wurde, hielt sich am Glauben daran fest, "dass die Welt hinter uns steht". Eli berichtet von Hunger und dem Traum vom Essen, aber auch von Gebeten und der "Kraft des Glaubens", die trotz allem Trost bringe. Hier sei eine Gemeinschaft der Gefangenen entstanden, die Trost auch dadurch spendete, dass jeder einen Spitznamen verliehen bekommen habe. So werden wir Zeuge einer Hilfsbereitschaft untereinander gegenüber dem Sadismus der Terroristen, aber auch eines Gefühls der Zusammengehörigkeit, die sich über alles hinwegsetzt.
Ich hab mich für das Leben entschieden.
Fast tröstlich ist nach all diesen grausamen Erzählungen und O-Tönen das Resümee, das das Stück zieht. Es gibt einer geradezu trotzigen Hoffnung Ausdruck, die sich aus dem Geschehen heraus über das misshandelte Land ausbreitet. "Ich hab mich für das Leben entschieden", so lautet eine Zeile eines Liedes, das das Hörspiel beschließt.
Die große Stärke des Stückes ist, dass es ohne Kommentare oder Deutungen auskommt, die in unserem Medienalltag zu diesem hochumstrittenen Thema so gerne laut werden. Dass wir hier einer Wahrheit beiwohnen, der nicht ausgewichen werden kann, beruht auch darauf, dass sich das Hörspiel authentischer Mittel bedient und O-Töne, Erinnerungen, Nacherzählungen, einmal sogar eine von den Akteuren nachgespielte Szene miteinander verbindet. So werden Spannung und Mitgefühl hervorgerufen, als Hörer werden wir zu am Schrecken Anteil nehmenden und kompetenten Ohrenzeugen.
infobox: "Auch wenn es dunkel ist. Berichte vom 7. Oktober", Dokumentarhörspiel, Regie und Bearbeitung: Sharon On, Dirk Laucke (RBB Radio 3, 5.10.25, 16.00-17.00 Uhr und in der ARD-Audiothek)
Zuerst veröffentlicht 21.10.2025 10:10
Schlagworte: Medien, Radio, Kritik, Kritik.(Radio), KRBB, Hörspiel, Laucke, On, Deutschmann
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