Ein Grab für das Sternenkind - epd medien

27.10.2025 10:15

Ein Paar verliert sein Baby durch eine Totgeburt. Wie mit einem solchen Verlust umgehen? Damit beschäftigt sich das hörenswerte autobiografische Hörspiel "Für immer seh ich dich wieder" von Yannic Han Biao Federer.

NDR-Hörspiel "Für immer seh ich dich wieder"

Jan Krauter und Marie Löcker bei den Aufnahmen im Hörspielstudio

epd Ein junges Paar, wie es Tausende gibt. Yannic und Charlotte sind glücklich verliebt und freuen sich auf die Geburt ihres ersten Kindes, das sie Gustav Tian Ming nennen wollen. Doch kurz vor der Entbindung bekommt Charlotte große Schmerzen. Sie fahren ins Krankenhaus, wo die junge Frau aufgrund einer "sehr, sehr seltenen Komplikation" eine Totgeburt erleidet.

Wie umgehen mit dem plötzlichen Verlust? Wo gerade noch pure Vorfreude war, ist nun tiefe Trauer. Das Hörspiel "Für immer seh ich dich wieder" basiert auf dem gleichnamigen autobiografischen Buch von Yannic Han Biao Federer, in dem der deutsche Schriftsteller, bestärkt von seiner Frau, den gemeinsam erlittenen Verlust literarisch verarbeitet hat. Das Buch, dessen Titel auf einem Gedicht des italienischen Lyrikers Giuseppe Ungaretti basiert, ist ebenso berührend wie schmerzhaft. Die einfühlsame Hörspielbearbeitung von Cordula Dickmeiß steht dem in nichts nach und ist unbedingt hörenswert.

Die Frage nach dem Warum

Federers Text ist im Präsens geschrieben, was einen den Trauerprozess unmittelbar miterleben lässt. Dickmeiß, die auch die Regisseurin des rund 100-minütigen Hörspiels ist, hat daran nichts geändert. Und so ist man ganz nah dran, wenn Yannic und Charlotte zum ersten Mal ihren Sohn, ihr totes Baby in den Armen halten dürfen. Sie nennen ihn liebevoll Gusti, wiegen ihn, lächeln ihn an und bewundern seine Schönheit. Ganz so, als wäre er am Leben. Nachts kommt der kleine Körper "in den Kühlschrank" des Krankenhauses.

Drei Tage verbringt die Familie auf diese Weise. Tage, in denen den Eltern langsam zu Bewusstsein kommt, was passiert ist, und sie weinend, aber auch mal spielerisch scherzend von ihrem Kind Abschied nehmen. "Der Morgen zieht rot über die Dächer", heißt es an einer Stelle, "jetzt bin ich einer, der ein Datum mit sich herumträgt." Federer nimmt immer wieder reale Details seiner Umgebung wahr und verbindet sie mit seinen Gedanken.

Geschichte einer großen Liebe

Die Frage nach dem Warum, nach Gott und danach, ob man angesichts der Tragödie an ihn glauben kann, steht im Raum. Daneben werden die Großeltern und Freunde per Handy darüber informiert, was geschehen ist; deren nach Worten für das Unfassbare ringende Antworten werden vorgelesen. Die Fotografin eines gemeinnützigen Vereins kommt ins Krankenhaus und macht Erinnerungsfotos. Auch die Bürokratie fordert bereits ihr Recht, Dokumente müssen beschafft, ein Grab für das Sternenkind muss ausgesucht werden.

Cordula Dickmeiß versteht es, in dem Hörspiel eine intime Atmosphäre zu kreieren, die den Hörern Zeit zum Nachdenken, aber auch mal zum unbedingt nötigen Durchatmen schenkt. Hier hört man ein Streichinstrument, dort eine Gitarre, ansonsten vertraut die Regisseurin auf ihre zwei wunderbaren Hauptdarsteller. Jan Krauter spricht mit leiser Stimme, die den Schmerz dahinter spürbar werden lässt. Er kann aber auch angesichts des Bürokratie-Irrsinns aus der Haut fahren. Marie Löcker ist Charlotte, die zusätzlich zum seelischen Leiden noch körperliche Schmerzen von der Notoperation belasten. Löcker klingt müde, jedes Wort kostet ihre Charlotte Mühe. Trotzdem muntert sie Yannic auf, wenn er nicht mehr weiter weiß. Umgekehrt gilt das genauso.

"Für immer seh ich dich wieder" ist auch die Geschichte einer großen Liebe. In den letzten beiden von insgesamt sechs Kapiteln wird man Zeuge, wie langsam, aber sicher wieder Beruf und Alltag zurückkehren und das Leben weitergeht. Charlotte befällt die Angst, ob die Beziehung den Tod des Sohnes aushält. Während sie wieder schwanger werden möchte, zögert Yannic, denn seine Angst ist es, womöglich erneut ein Kind zu verlieren. Am Ende erfährt man, dass es geklappt hat. Aber: "Eine Taubheit bleibt. Und eine Narbe."

infobox:"Für immer seh ich dich wieder", Hörspiel, Regie und Bearbeitung: Cordula Dickmeiß, Buch: Yannic Han Biao Federer, Komposition: Michael Rodach (NDR Kultur, 18.10.25, 18.04-19.45 Uhr und in der ARD-Audiothek)



Zuerst veröffentlicht 27.10.2025 11:15 Letzte Änderung: 27.10.2025 12:05

Florian Welle

Schlagworte: Medien, Radio, Kritik, Kritik.(Radio), KNDR Hörspiel Biao Federer, Welle, Dickmeiß, NEU

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