29.10.2025 10:20
ARD-Fernsehfilm "Theken-Cowboys"
epd Den Kiosk nennt man gern auch "Büdchen", was gemütvoll klingt und darauf anspielt, dass es hier zu später Stunde noch was gibt und jemand da ist, der sich kümmert. In Frankfurt heißt dieser Ort "Trinkhalle", was sich ein bisschen altmodisch und gespreizt anhört. Wie andernorts auch ist der im Film "Theken-Cowboys" von Hajo (Aurel Manthei) betriebene Kiosk ein Ort für mehr als den Verkauf von Alkohol, Knabberkram und Zeitungen: Hier treffen sich Leute aus dem Kiez, hier erfährt man das Neueste, und hier kommen nach Feierabend Guido (Alexander Wipprecht) und Thorsten (Johannes Allmeyer) vorbei, um mit ihrem Freund und Spender Hajo ihre Weltsicht zu erörtern und zur trinken.
Die drei sind zwischen 40 und 50 Jahre alt, Hajo ist ein Faktotum, Guido wohnt noch bei seiner Mutter und ist bei der Stadtreinigung beschäftigt, Thorsten ist Hausmeister an einer Schule, außerdem ein Quiz-As, er weiß alles. So hört man den Dreien beim Tratschen, Räsonieren und Welterklären zu, ihre Themen wechseln sie lässig und einvernehmlich mittels der Interjektion: "Aber darum geht’s doch gar nicht!"
Es sind bodenständige Jungs, die nichts mit Gendern oder der neumodischen Identitätspolitik am Hut haben und das auch gerne äußern. Ein Buddy-Film also, denkt man, Szenen aus dem Alltag, vielleicht in der Art wie die Serien "Warten auf'n Bus" oder "Die Wespe" mit viel Lokalkolorit.
Doch dann taucht ein Kunde auf, der die Toilette benutzen möchte und von dort nicht wiederkehrt. Es erweist sich, dass der Tod den Fremden auf dem Abort erteilt hat. Mit sich führte er einen Koffer, der mit einer Handschelle an seinem Handgelenk befestigt ist. Es kann nicht anders sein, dieser Koffer birgt ein Geheimnis: ein seltenes Geschmeide oder ein Vermögen. Die drei beratschlagen. Und beschließen, der Koffer ist in Gewahrsam zu nehmen, den Rest kann die Polizei erledigen.
Die taucht auch bald in Gestalt der jungen Kommissarin Leyla Aydin (Sabrina Amali) auf und stellt bohrende Fragen. Eine ältere Kommissarin kommt hinzu, sie bestreitet der jungen die Kompetenz, es entwickelt sich ein Zuständigkeitsgerangel zwischen den beiden. Das kommt unseren Helden zupass, denn sie können sich jetzt um den Koffer kümmern, dem sie mit immer monströseren Werkzeugen zwecks Öffnung zu Leibe rücken. Vergebens.
Damit ist der Buddy-Film in das Genre Gaunerkomödie rübergesprungen. Ein weiterer Unbekannter taucht auf, der nachhaltiges Interesse am Koffer zeigt. Seltsame Autos parken in Sichtweite und beobachten den Kiosk. Eine Dame, die hier nicht hergehört, stakst heran und verhält sich ungewöhnlich. Es kommt mit dem Unbekannten zu einem Kampf um den Koffer, ein Schuss löst sich aus einer Pistole, von der keiner weiß, wie sie hierher gekommen ist. Wieder haben es Hajo, Guido und Thorsten mit einem Toten zu tun, den sie diesmal allerdings unbedingt verschwinden lassen müssen.
Na schön, man hat sich also jetzt als Zuschauerin auf eine Gaunerkomödie konzentriert. Aber das war verfrüht, denn unvermittelt geht es - nein, nicht zurück zum Buddy-Movie, sondern zu einer rabenschwarzen Farce à la Tarantino, in welcher der schwer zu entsorgende Leichnam, der Koffer und wohl auch die Mafia eine Rolle spielen. Die nunmehr total verstiegene und immer undurchsichtigere Handlung endet in einem Showdown wie im US-Kultfilm "Heat" aus den 90ern - ein endloses Geballer von zwei Seiten zerfetzt den Kiosk und auch den Zusammenhalt des Films.
Die drei Protagonisten wühlen sich mehr oder weniger unverletzt aus den Trümmern heraus, bemächtigen sich des Koffers und kommen davon, aber die Zuschauerin sitzt unfroh vor dem Bildschirm und versucht ihrerseits vergebens, die Handlungsstränge dieses Film und die krass unterschiedlichen Angebote, die dem Publikum gemacht werden, zusammenzubringen.
Ein Buddy-Movie benötigt intensive Einfühlung - ohne Sympathie, die das Publikum für die Buddys entwickeln muss, funktioniert es nicht. Eine rabenschwarze Farce à la Tarentino arbeitet niemals mit Einfühlung, die parodistischen Elemente verbieten das. Beide Genres verlangen extrem unterschiedliche Humorfarben. Während Buddy-Witze stets ans Gemüt andocken, sind die Pointen der Farce mit ihrer Vorliebe für den Overkill kalt und scharf.
Wie konnten die Macher dieses Films glauben, derart disparate Muster zusammenzwingen zu können? Die Gaunerkomödie, die dazwischen eingeklemmt war, konnte schon durch die knappe Zeit, die ihr vergönnt war, nicht zu sich selbst kommen. Was Klaus und Wipprecht hier vorzeigen, ist nicht mehr als ihre Vorstellung davon, wie die jeweiligen Genres, die sie hier zusammengespannt haben, funktionieren könnten. Und der resignierten Rezensentin fällt dazu nur ein: "Aber darum geht's doch gar nicht." Sie ist unbedingt für Experimente, die können aber auch misslingen. Und das ist hier leider der Fall.
infobox: "Theken-Cowboys", Fernsehfilm, Regie und Buch: Orlando Klaus, Alexander Wipprecht, Kamera: Michael Kotschi, Produktion: Bluelaserboys, Triple Pictures (ARD-Mediathek/HR seit 5.11.25, ARD, 5.11.25, 20.15-21.45 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 29.10.2025 11:20 Letzte Änderung: 29.10.2025 13:00
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KHR, Fernsehfilm, Klaus, Wipprecht, Sichtermann, NEU
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