06.11.2025 08:36
RTL-Fantasy-Serie "Die Nibelungen: Kampf der Königreiche"
epd Nicht Siegfried, der heroische Drachentöter, steht hier im Mittelpunkt, sondern seine Nemesis Hagen. "Die Nibelungen: Kampf der Königreiche", die RTL-Adaption des mittelalterlichen Sagenstoffs, folgt in diesem Punkt ihrer Vorlage, Wolfgang Hohlbeins 1986 erschienenem Roman "Hagen von Tronje". Der zeichnet den im kollektiven Bewusstsein als fieser Hinterrücks-Mörder Abgespeicherten als tragischen Loyalisten ("Für Burgund!"), der im Grunde nur seinen Prinzipien treu bleibt. Bei Siegfried dagegen betont er die Züge des selbstverliebten Rauf- und Trunkenbolds. Vor einem Jahr bereits in einer 135-minütigen Kinofassung zu sehen, ist die Bearbeitung von Cyrill Boss und Philipp Stennert nun als sechsteilige Miniserie bei RTL+ abrufbar.
Arg betulich ist der Einstieg geraten. Zwar stirbt Burgunder-König Dankrat ("Tatort"-Star Jörg Hartmann) nach 20 Filmminuten durch einen heimtückisch abgefeuerten Pfeil, was seinen überforderten ältesten Sohn Gunter (Dominic Marcus Singer) auf den Thron befördert und ein erster dramatischer Höhepunkt hätte sein können. Doch die Vorstellung des Wormser Hofstaats, bestehend aus Dankrats Gemahlin Ute (Jördis Triebel), dem treuen Waffenmeister Hagen (Gijs Naber) und den weiteren Königskindern Kriemhild (Lilja van der Zwaag), Gernot (Béla Gabor Lenz) und Giselher (Alessandro Schuster), wirkt statisch.
Die Schlüsselsequenz der ersten beiden Folgen ist erst in Folge zwei zu sehen, ist aber schon dem ersten Teil vorangestellt. Da platzt der als Gast am Hof weilende Siegfried von Xanten (Jannis Niewöhner) in Kriemhilds Gemach. "Ihr habt kein' Respekt, Ihr seid eine verlorene Seele", schleudert sie dem Eindringling entgegen. "Dann pass ich ja gut hierher", gibt der Recke zurück.
Bis die zwei sich näherkommen, dauert es. In Folge drei überrascht Siegfried die nackte Kriemhild im Badezuber, aber erst in Folge vier reiten die auf mysteriöse Weise voneinander Angezogenen in einen Zauberwald. Dort erzählt er ihr von seinem Kampf mit dem Ungeheuer, schärft ihre Sinne für die Fauna, und sie vereinigen sich zu esoterischen Klängen. Der grimmig dreinblickende Hagen, der Kriemhild im Stillen begehrt, drischt derweil daheim mit dem Schwert auf einen Fechtdummy ein. Schlachten gegen die Sachsen und Dänen werden geschlagen und dank Siegfrieds Unterstützung gewonnen. Die Anmutung aber bleibt konventionell, im Stil gehobenen Reenactments.
Fahrt nimmt die Handlung erst auf, als Gunter seine Idee in die Tat umsetzt, die nordische Walküre Brunhild (Rosalinde Mynster) zu ehelichen, um sie als Verbündete im Kampf gegen die hochgefährlichen Hunnen zu gewinnen. Hagen, dem ein "altes Wesen" von Siegfrieds früherer Liebe zu Brunhild erzählt hat, flüstert dem König ein, den Drachentöter als Reiseführer zu verpflichten - und ihm nur im Falle einer erfolgreichen Mission seine Schwester Kriemhild zur Frau zu geben. Als das Schiff in Richtung Isenland in See sticht, gewinnt die Mystik an Wucht, die Tableaus werden psychedelischer, durch die erzwungene Kooperation der Konkurrenten Siegfried und Hagen kommt emotionale Brisanz ins Spiel.
Wenn allerdings zwischendurch einige Männer den Tod im Wasser finden, weil sie dem Werben verführerischer Nixen erliegen, könnte die Szene auch Homers "Odyssee" entstammen. Nicht der einzige Hinweis darauf, dass es sich beim Nibelungenstoff längst um universelles Fantasy-Material handelt, um ein Produkt aus dem großen Sagen-Selbstbedienungsladen. Doch natürlich ist auch die Frage erlaubt, ob es schlimm ist, dass das von Richard Wagner monumental vertonte, von Fritz Lang stumm-expressionistisch verfilmte und von den Nazis instrumentalisierte vermeintliche germanische Nationalepos sich mittlerweile bruchlos in den "Herr der Ringe"-Kosmos einreiht.
Es kommen vor: Alben, Wassergeister, Nornen. Keine wesentliche Rolle spielen hingegen Siegfrieds Ausbildung zum Schmied, sein Schwert Balmung und der Nibelungenschatz. Wie schon Uli Edel in seinem Sat.1-Zweiteiler "Die Nibelungen" (2004) mischen Cyrill Boss und Philipp Stennert die bekannten Ingredienzen nach Gusto neu ab. Sie verzichten jedoch klugerweise auf eine artifizielle computergenerierte Darstellung des Drachenkampfes und setzen nur den im Blut gebadeten Siegfried bei einem Urschrei ins Bild.
"Kampf der Königreiche" - der Untertitel weckt überdies noch "Game of Thrones"-Assoziationen. Den Sog und die Schauwerte der global erfolgreichen HBO-Saga nach George R. R. Martin bietet die in Island und - zum größten Teil - in Tschechien gedrehte RTL+-Serie aufgrund des schleppenden Beginns nicht. Zumindest aber ist die Geschichte in sich schlüssig und entfaltet in der zweiten Hälfte die für das Genre unabdingbaren "Worldbuilding"-Qualitäten. Wie genau Siegfried in dieser Serie zu Tode kommt und wie Kriemhilds Rache ausfällt, soll natürlich nicht gespoilert werden.
infobox: "Die Nibelungen: Kampf der Königreiche", sechsteilige Fantasyserie, Regie: Cyrill Boss, Philipp Stennert, Buch: Cyrill Boss, Philipp Stennert, Doron Wisotzky, Kamera: Philip Peschlow, Produktion: Constantin Film, Wilma Film (RTL+, seit 6.11.25)
Zuerst veröffentlicht 06.11.2025 09:36
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KRTL, Fantasyserie, Stennert, Boss, Wisotzky, Luley
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