Verpasste Chancen - epd medien

13.11.2025 09:10

Autorin Kerstin Klein ist für die ARD-Dokumentation "Trumps USA - United States of Angst" in den Surfer-Ort Huntington Beach gereist, wo selbst an Kaliforniens sonniger Küste das gesellschaftliche Klima kippt. Zwischen Wellenreitern, White-Supremacy-Märschen und wachsender Angst erkundet der Film, wie tief die Spaltung der USA reicht.

ARD-Dokumentation "Trumps USA - United States of Angst"

Surferin Vanessa macht sich als Latina Sorgen um die Zukunft von Trumps USA

epd "Es fühlt sich wirklich so an, als ob hier gerade was kippt", sagt Filmautorin und Presenterin Kerstin Klein am Anfang ihrer 45-minütigen Reportage aus dem Surfer-Ort Huntington Beach an der kalifornischen Küste in die Kamera. Das Gefühl, "als ob etwas kippt", äußert dann gleich auch ein für die weiß geprägte Umgebung ungewöhnliches Surfer-Paar - sie Latina, er schwarz. Worauf die "Weltspiegel"-Doku zum ersten Jahrestag der Wiederwahl Donald Trumps hinaus will, ist also klar. Und dafür findet der Film durchaus aussagekräftige Bilder und Beispiele.

Hauptsächlich erfreut er an den üblichen Surfer-Bildern. Dazwischen zeigen hochkant aufgenommene, also per Smartphone gefilmte und in Netzwerken geteilte Szenen einen bedrohlichen Marsch rassistischer "White Suprematists" durch den Ort und die Razzien der Einwanderungsbehörde ICE. Das Gefühl von Bedrohung und Angst hielt selbst an der kalifornischen Küste, dem popkulturellen Sehnsuchtsort seit Jahrzehnten, Einzug.

Enorm präsente Presenter-Autorin

"Ich denke nach, bevor ich rede", sagt die eingangs gezeigte Latina-Surferin auf die Frage, was sich verändert hat. Dass alles aus dem Kontext gerissen werden kann und oft wird, ist in den USA, wo freie Rede nominell zu den höchsten Werten zählt, offenbar allgemein bewusst.

Mit einer spanischsprachigen älteren Frau spricht Klein nur durch eine verschlossene Haustür, weil sie sich aus Angst vor Abschiebung "seit Monaten nicht mehr aus dem Haus" traue. Aber auch mit einer Pro-Trump-Stadträtin redet sie, die berichtet, dass ihr viermal die Autoscheiben zerschossen worden seien und man sie als "Nazi" beschimpft habe. Auch sie äußert Angst vor Gewalt, zumal seit der Ermordung des Trump-nahen Influencers Charlie Kirk. Wenn schließlich noch ein inzwischen skeptischer Trump-Wähler das ur-amerikanische, in Europa kritisch gesehene Recht auf Waffenbesitz mit dem Recht, "eine tyrannische Regierung stürzen" zu können, in Verbindung bringt, hat der Untertitel "United States of Angst" Berechtigung erlangt.

Was die Wirkung des Films abschwächt, ist der überdimensionierte Off- und auch On-Kommentar der enorm präsenten Presenter-Autorin. Immer wieder bekundet Klein, beide Seiten, Gegner und Unterstützer Trumps, ins Gespräch bringen zu wollen. Wenn konservative Surfer angeblich befürchten, es würde "ihrer Karriere schaden", wenn sie mit der ARD sprechen, erinnert das an die Zustände in China, wo Einheimische Kontakt mit ausländischen Reportern ebenfalls scheuen. Klein behauptet, die Verweigerung habe ihr "schlaflose Nächte" bereitet.

Brefremdliche Bildsprache

Muss eine deutsche Reporterin US-Amerikaner vernetzen? Das wirkt bevormundend. Einzelne Andeutungen, dass Kalifornier beider Seiten US-amerikanische Medien als unfair empfinden und ausländischen Reportern eher vertrauen, bleiben diffus. Wobei es ein durchaus interessanter Ansatz gewesen wäre, an einem konkreten Beispiel zu beleuchten, inwieweit Pressejournalisten oder doch eher Youtuber und andere Influencer die Lokalberichterstattung - um die es in weiten Teilen der USA bekanntlich nicht gut steht - prägen und zur Spaltung beitragen.

Auch die Bildsprache der "Weltspiegel"-Reportage befremdet. Zur Einleitung werden "in Hollywood-Qualität inszenierte" Trump-Posts gezeigt, mit denen der US-Präsident sein Land unter "Dauerbeschuss" nehme. Auch das wäre ein interessanter Ansatz. Schließlich tauchen die für Social-Media-Zwecke erstellten, gezielt polarisierenden Clips in der deutschen Politik-Berichterstattung selten bis nie auf. Leider nutzt der Film die Gelegenheit, es anders zu machen, nicht, sondern lässt sogleich mit Surferrock unterlegte, stakkatohaft montierte Kalifornien- und Surfer-Bilder folgen. So als wollte die "Weltspiegel"-Reportage selbst attraktive "Hollywood-Qualität" bieten. Eine andere Bildsprache zu finden, um die übermächtigen USA- und Kalifornien-Klischees, die offenkundig mit der Gegenwart nicht mehr viel zu tun haben, zu überwinden, wäre auch eine Chance gewesen, die dieser Film leider verpasst.

infobox: "Trumps USA - United States of Angst", Dokumentation, Regie und Buch: Kerstin Klein, Anna Leier, Kamera: James Stolz, Anna Leier (ARD/NDR, 3.11.25, 22.50-23.35 Uhr und in der ARD-Mediathek)



Zuerst veröffentlicht 13.11.2025 10:10

Christian Bartels

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik.(Fernsehen), USA, Bartels

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