Sind es die Hormone? - epd medien

16.11.2025 09:30

In "Frier und Fünfzig" spielt Annette Frier sich selbst - mit viel Selbstironie und Mut zur Peinlichkeit. Die Miniserie zeigt, wie schwer es Frauen in der Öffentlichkeit gemacht wird, älter zu werden, es geht um Würde und um Selbstbestimmung.

Comedy-Serie "Frier und Fünfzig" bei Joyn

In "Frier und Fünfzig - Am Ende meiner Tage" will Annette Frier eine Serie über Frauen in den Wechseljahren machen

epd Schon der Name sagt es, meint der Fan, dem Annette Frier auf dem Weg zu ihrer Agentin Tammi (Jasmin Shakeri) begegnet. ANNETTE, nahbar wie keine. Immer gut drauf. "Sie sind Annette Frier. Ich gucke alles, was Sie machen. Bei Ihnen weiß man immer, was kommt. So normal, so bodenständig!" Patent wie die Anwältin "Danni Lowinski", die Frier einst verkörperte.

Umso erstaunter ist Tammi über Annettes plötzliche Kratzbürstigkeit. Warum hat sie "Weisheit muss warten" abgesagt? Warum will sie jetzt plötzlich "was Neues" machen, romantische Komödien oder ein Weltkriegsdrama", ein "interkontinentales Fantasy-Epos mit Drachen, mit Elfen, mit mir" oder die Arte-Neuinszenierung von "Klytämnestra"? Vielleicht liegt es daran, dass die Produktion von "Weisheit muss warten" ihr einen Blumenstrauß geschickt hat, in dem zehn Botox-Behandlungsgutscheine stecken. Oder daran, dass in den nächsten Tagen ihr 50. Geburtstag ansteht und sie Falten selbst auf ihren Händen entdeckt. Oder es sind die Hormone.

Das klingt so sexy wie es ist.

Beziehungsweise deren Verlust. Haarausfall, Schweißausbrüche, gestörter Schlaf, Beckenbodenschwäche und schlimme Vergesslichkeit. Das klingt so sexy, wie es ist. Aber es steckt noch mehr hinter der Menopause. Den Wechseljahren. Wechsel wovon zu was? Von einer Frau zum nicht mehr reproduktionsfähigen Neutrum? Zum Wesen mit Kinnhaaren, verlangsamtem Stoffwechsel und - schlimmstes Tabu - Scheidentrockenheit? Sollte Annette Friers plötzliche Unlust, es allen Recht zu machen, dem Publikum, der Agentin, den Kolleginnen/Konkurrentinnen, der Tochter, dem Ehemann, ihrer Mutter, etwa mit Östrogenabbau zusammenhängen? Dem "Harmonie-Hormon", das Frauen nach Ansicht vieler dazu bringt, klaglos zu schultern, was Männer längst zum Streiken gebracht hätte?

Dass weibliches Älterwerden komisches Potenzial hat, wissen wir im deutschen Fernseh-Sprachraum spätestens seit Maren Kroymann. Mit "Kroymann - ist die noch gut?" hat die Comedienne jüngst zusammen mit vielen jüngeren Kolleginnen das Thema Altersdiskriminierung von Frauen im Fernsehen dramatisch-witzig zur Sprache gebracht. Annette Frier, seit langem Sketch-Mitstreiterin von Kroymann, knüpft mit ihrer neuen achtteiligen Serie "Frier und Fünfzig" einerseits daran an. Alltagsnah-absurd geschrieben, erinnert "Frier und Fünfzig" aber auch an "Pastewka" (früher ebenfalls Sat.1).

Alternde Spaßbrumme

Diese Komik, in der prominente Comedy-Figuren sich selbst in einem fiktionalisierten Alltag spielen, setzt auf groteske Überzeichnung. "Kroymann", "Pastewka" und "Frier und Fünfzig" haben das Spiel mit der Figur gemeinsam, die den gleichen Namen trägt wie die titelgebende Person. Annette Friers Grundidee in "Frier und Fünfzig" ist die, sich selbst als Schauspielerin neu zu erschaffen. In Sebastian Pufpaffs Sendung "TV-Total" muss sie erst einmal neben einer Influencerin mit makellosem Hautbild (gespielt von Julia Beautx) weiter die alternde Spaßbrumme geben.

"Frier und Fünfzig" ist dann richtig gut, wenn Selbstironie ins Spiel kommt. Das Drama läuft parallel. Als Lauscherin an der Wand erfährt Frier, dass ihre vertraute Maskenbildnerin insgeheim über sie lästert: "Alte Fernsehfrauen, so derbe bitchy ..." Ehemann Sascha (Alexander Khuon) betrügt sie. Und dann solle sie auch noch die Mutter ihrer in der Tochterrolle besetzten (echten) Schwester Caroline spielen. Die im übrigen bei ihr einzieht, damit sich die beiden gemeinsam um Annettes Tochter Jola (Maria Matschke Engel) kümmern können, die schwanger ist von einem Unbekannten und sich die Seele aus dem Leib erbricht, vorzugsweise auf Annettes heimlich geliehene schönste Klamotten. Sascha wird noch einmal Vater, Annettes Mutter (Traute Hoess), die an einer dementen Persönlichkeitsstörung leidet, randaliert im Pflegeheim. Und in Wirklichkeit wird sie gar nicht 50, sondern schon 52. Was inzwischen eine Menge Leute wissen.

Wandelndes Klischee

Die Erzählstruktur von "Frier und Fünfzig" ist die einer langen Rückblende. Annette Frier erwacht mit verschmiertem Makeup, augenscheinlich nackt, bloß in eine Fahne gewickelt, aber mit einer Glitzerkopie des Freiheitsstatuen-Kopfputzes auf dem erinnerungslosen Hirn mitten im leeren Kölner Fußballstadion. An der Seitenlinie starrt eine Jugendmannschaft mit empörten Müttern. Frier verlässt die Stätte gemessenen Schrittes und hocherhobenen Kopfes.

Was geschah in den vier Wochen zuvor? Vier Wochen, in denen Friers bisheriges Leben kollabiert wie ihre Karriere. Sie tritt als wandelndes Klischee im Animalprintkleid auf, lässt andererseits keine Peinlichkeit aus, die Rolle der Frau in den Wechseljahren zu dekonstruieren. Beim Neu-Definieren helfen ihr eine ganze Reihe bekannter Frauen, die in der Öffentlichkeit nicht älter werden dürfen: Anna Schudt, Barbara Schöneberger, Cordula Stratmann, Bettina Lamprecht, und als männlicher Gast der Sänger Sasha, der selbst einiges zu Jugend-Rollenerwartungen sagen kann.

"Frier und Fünfzig" ist am besten, wenn aus dem Peinlichen witzige Funken geschlagen werden. Es geht um Würde und Selbstbestimmung. Um Frauen, die nicht mehr bluten und sich reproduzieren, deren Sexyness sich anders bemisst. Was zu zeigen wäre, aber selten gezeigt wird im Fernsehen. Wegen der "Sehgewohnheiten", in denen sich vorauseilend angenommene gesellschaftliche Rückständigkeit spiegelt, Denkfaulheit und Kreativitätsmangel. Das ZDF, erfährt Annette Frier bei ihrer Geburtstagsfeier, lehnt die Idee zu "Frier und Fünfzig" ab und macht lieber die dramatische Serie über den Hormonskandal in den 70ern mit Anna Schudt. Die ARD findet Annettes Pitch super, aber "besetzt lieber jünger": "Du kennst doch das Problem mit dem Publikum." Zu dem auch neun Millionen Frauen in den Wechseljahren zählen.

infobox: "Frier und Fünfzig", vierteilige Comedy-Serie mit Annette Frier, Regie: Felix Stienz, Buch: Sonja Schönemann, Tanja Sawitzki, Mandy Cankaya, Nina Jaud nach einer Idee von Annette Frier, Kamera: Brendan Uffelmann, Produktion: Good Humor, Brainpool (Joyn seit 10.11.25, Sat.1, 24.11.25, 22.20-23.25 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 16.11.2025 10:30

Heike Hupertz

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KJoyn, Serie, Frier, Stienz, Schönemann, Sawitzki, Cankaya, Jaud, Hupertz

zur Startseite von epd medien