17.11.2025 09:15
ZDF-Krimikomödie "Dahlmanns letzte Bescherung"
epd Im prachtvollen Ambiente eines Schlosses versammeln sich Familie und enge Freunde eines bedeutenden Brettspiel-Unternehmers zu seinem 70. Geburtstag. Doch noch bevor das Familienoberhaupt seine Nachfolge verkünden und das rauschende Fest beginnen kann, geschieht ein Mord. Oh, pardon, eine Verwechslung! Dies ist der Plot des interaktiven ARD-Entertainment-Experiments "Tödliches Spiel - Das Live-Krimi-Dinner", das am 22. November ausgestrahlt werden soll.
Die Exposition des nicht interaktiven ZDF-Krimis "Dahlmanns letzte Bescherung" muss selbstverständlich lauten: Der erfolgreiche Unternehmer Alfons Dahlmann lädt seine Familie über die Weihnachtsfeiertage in seine Villa in den Bergen ein. Alfons verkündet den überraschten Anwesenden, dass er sich zum Jahresende aus der Firma zurückziehen und am nächsten Tag seine Nachfolge bekannt geben wird. Doch bevor er das Geheimnis lüften kann, wird Alfons tot aufgefunden. Soll noch mal einer sagen, die Öffentlich-Rechtlichen lieferten sich keinen publizistischen Wettbewerb ...
Als wäre das Agatha-Christie-hafte Szenario nicht schon abgehangen und austauschbar genug, fügt der vielfach ausgezeichnete Drehbuchautor Magnus Vattrodt noch ein paar klassische Versatzstücke hinzu. So zwingt ein Schneesturm alle Anwesenden respektive Tatverdächtigen zum Bleiben, die Ermittlungen übernimmt eine wackere Verkehrspolizistin (Noëmi Krausz), die mit ihrem einfältigen Kollegen (Dominic Marcus Singer) eigentlich nur einen Strafzettel wegen überhöhter Geschwindigkeit zustellen wollte. Erwartbar wächst sie über sich hinaus. Als märchenhafte Erzählerin aus dem Off meldet sich der Geist der früh verstorbenen ersten Frau des Wurstwaren-Magnaten Alfons (Thomas Thieme), eine körperlose Gastrolle für Adele Neuhauser.
Auf dem Parkplatz vor dem Anwesen treffen ein: Alfons' Tochter Therese (Anja Kling), ihres Zeichens Kriminalschriftstellerin, in Begleitung ihrer Partnerin Emma (Carol Schuler). Sohn Jochen (Jürgen Vogel) kommt in Trainingshose und Badeschlappen mit dem Überlandbus, vorzeitig aus dem Knast entlassen. Und der erfolgreiche Gegenentwurf fährt im Geländewagen vor: Der älteste Sohn und Geschäftsführer Leander (Heino Ferch), seine Frau Susa (Ulrike C. Tscharre) und Tochter Tabea (Maja Bons). Bereits vor Ort sind Viktoria Dahlmann (Margarita Broich), die ehemalige Sekretärin und aktuelle Gattin des Patriarchen, sowie dessen Koch und bester Freund Karl (Walter Kreye). Ach ja, zum allgemeinen Befremden hat Alfons außerdem noch den windigen Konkurrenzunternehmer Leonard Windemeyer (Christopher Schärf) hinzugebeten.
Dem deutsch-österreichischen All-Star-Cast zum Trotz bleiben alle Figuren auf Knallchargen-Niveau. Zu klar sind die Rollen verteilt, zu überzeichnet die Charaktere und der geweihbestückte Schauplatz des Geschehens, den Therese als "morbide und geschmacklos" bezeichnet. Nachdem Alfons alle in den Salon gebeten hat, um eine Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen, vertagt er die Verkündung seiner Entscheidung auf den nächsten Tag. Da aber findet das Polizeigespann Greta und Oliver nur noch seine Leiche mit einer Stichwunde im Rücken auf dem Boden seines Arbeitszimmers. Kripo-Kollegen sind nicht greifbar. "Was machen wir jetzt?", fragt der entgeisterte Oliver. "Unsere Arbeit, Oliver. Wir ermitteln", verfügt Greta. Es ist der Auftakt zu diversen Einzelverhören: "Wo waren Sie letzte Nacht?"
Komödiantische Höhepunkte gefällig? Als Leander sich beim Versuch, den Tresor seines Vaters an sich zu bringen, hastig verstecken muss, spießt er sich am Gehörn eines Rehbocks auf und blutet fortan verdächtig aus dem Rücken. Das schwarze Schaf Jochen trinkt sich mit Nichte Tabea in einen Whiskey- und MDMA-Rausch und setzt das in Leanders Geländewagen gelagerte Silvesterfeuerwerk in Brand. Und Tabea antwortet auf die vorwurfsvolle Frage, ob sie Weihnachten etwa bedröhnt habe verbringen wollen, mit erfrischender Selbstverständlichkeit: "Ja, wie denn sonst?" Als Running Gag räumt die permanent gedemütigte Viktoria ein Porträtfoto ihrer Vorgängerin immer wieder in eine Schublade, wo es aber niemals lange bleibt.
Rätsel geben auf: eine von innen eingeschlagene Fensterscheibe, verstreute Pillen, die nicht mehr da sind, ein zur Ablenkung ausgelöster Feueralarm. Schließlich führt ein von Alfons kurz vor seinem Tod erlegtes Wildschwein auf den Pfad der Lösung. Erstaunlich bieder bleibt die Inszenierung der jungen Regisseurin Isabel Braak, die immerhin vier Folgen der zweiten Staffel des irrwitzigen Netflix-Hits "Kleo" gedreht hat. Fürs ZDF schafft sie es sogar, die dysfunktionale Familie zum Happy-End mit "Oh Tannenbaum!" an der Weihnachtstafel zu versammeln. Wer möchte, kann vor dem Bildschirm mitsingen.
infobox: "Dahlmanns letzte Bescherung", Krimikomödie, Regie: Isabel Braak, Buch: Magnus Vattrodt, Kamera: Maximilian Hoever, Produktion: Studio Zentral, Graf Film (ZDF/Servus TV, ab 15.11.25 in der ZDF-Mediathek, ZDF, 22.12.25, 20.15-21.45 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 17.11.2025 10:15
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), Streaming, KZDF, Krimi, Braak, Vattrodt, Luley
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