Zigarre am Grab - epd medien

21.11.2025 09:10

"Kanzlei Liebling Kreuzberg" soll an den Erfolg der Kult-Serie mit Manfred Krug aus den 80er Jahren anknüpfen. Die neuen Filme mit Luise von Finckh als Lieblings Enkelin Lisa stehen aber auch für sich, meint Barbara Sichtermann.

ARD-Film "Kanzlei Liebling Kreuzberg - Bewährungsprobe"

Anwältin Lisa (Luise von Finckh) trägt im Büro auch mal Latzhose

epd Kultserien zu reanimieren - dazu gehört außer gutem Handwerk noch sehr viel Glück. "Liebling Kreuzberg" gewann die Herzen des Publikums in den 1980ern. Im vergangenen Jahr kam der erste Film einer Reihe heraus, in der die Liebling-Enkelin Lisa den Staffelstab übernimmt, und nun ist das zweite Werk da: "Die Bewährungsprobe".

Gemeint ist die Leistung von Anwältin Lisa Liebling nach der Übernahme der Kanzlei. Wir Zuschauer dürfen uns aber auch fragen, ob der Geist der inzwischen verstorbenen "Liebling"-Schöpfer Manfred Krug und Jurek Becker immer noch weht - in einer nicht nur in Kreuzberg so gänzlich veränderten Welt. Nein, es hat nicht wirklich geklappt, die Fortführung der alten Liebling-Konstellation: Gerechtigkeit gegen Rechtsverdreher und Menschlichkeit gegen Paragrafen funktioniert zwar, ist aber das moralische Gerüst vieler Anwaltsserien.

Guerilla-Marketing

Aber nun kommt die gute Nachricht: Die Filmreihe braucht diesen Bezug gar nicht. Sie lebt aus der Gegenwart, die Vorgeschichte verblasst zusehends. Das Personal der Kanzlei und die Konflikte, die sich aus den unterschiedlichen Rechtsauffassungen ergeben, stehen durchaus für sich. Doch diese Filmreihe hat sich im letzten Jahr an die Erfolgsserie aus den Achtzigern gekettet und muss wohl diese Kette weiter tragen. Diesmal erschöpfen sich die expliziten und ausführlichen Verweise fast auf die Anfangsszene, in der Lisa am Grab ihres Opas eine Zigarre raucht (es ist wohl die Marke, die der Alte bevorzugte) und ein paar Worte mit ihm wechselt. Aber nachdem diese Verbindung zum Altvorderen hergestellt worden ist, fängt der Film sehr munter im Diesseits an und bleibt auch dort.

Lisa (Luise von Finckh) hat die Partnerschaft in der Kanzlei vom Großvater geerbt, und sie denkt nicht daran, der vormaligen Leitung, Dr. Talia Jahnka (Gabriela Maria Schmeide), einer Wirtschaftsanwältin mit neoliberalen Ansichten, das Feld zu überlassen. Denn sie ist eben eine Mitfühlende, die auch pro bono arbeitet. Lisa radelt in Latzhose durch Kreuzberg, sie läuft auch in Latzhosen im Büro herum, während Jahnka Kostüm und strenge Miene trägt und es gar nicht mag, dass Lisa Guerilla-Marketing betreibt, sprich Abrisszettel an Ampelpfeiler klebt. Was sind denn das für Mandanten, die auf sowas reagieren! Es sind genau die Richtigen. Da kommt Kruste, ein Straßenmusiker, der - wie er findet - rechtswidrig seines Stammplatzes verwiesen wurde; da kommt Rana, die ihren Job in der Kita zu verlieren droht, weil ein Arzt einen Fehler machte.

Aber es erscheinen auch besser verdienende Mandanten, wie die Rechtsprofessorin Jacobi (Leslie Malton). Sie ist eine von den ganz Harten, Liebling hat immer gegen sie verloren. Sie sieht sich durch ein Video, ins Netz gestellt von einem Studenten, dem sie eine Empfehlung verweigerte, herabgewürdigt. Lisa und die Professorin gewinnen, das Video muss entfernt werden. Was aber nun rauskommt, ist, dass der Student gute Gründe hatte, Jacobi eins auszuwischen, denn diese Frau hat getan, was sie nicht durfte. Lisa erkennt einmal mehr, dass es sich lohnt, den Dingen auf den Grund zu gehen und dass es nicht reicht, dem Buchstaben des Gesetzes Genüge zu tun. Zum ersten Mal verliert die Zynikerin Jacobi gegen Liebling.

Leichthändige Inszenierung

Dass die Filmreihe auch ohne die Liebling-Referenz auskäme, diese Feststellung soll ein Kompliment für die Macher sein, für Andrej Sorin und sein Drehbuch, das verzwickte Fälle und feine Figurenzeichnung, Humor und sozialen Realismus prima vereint und für die Regie von Andreas Menck, der es verstanden hat, die Entwicklung der Hauptperson Lisa entlang der Erschütterungen einer Anwaltskanzlei in der Krise leichthändig zu inszenieren. Die schauspielerischen Leistungen sind allesamt beachtlich; es sei gestattet, das Spiel der Gabriela Maria Schmeide hervorzuheben, besonders ihre Wandlungsfähigkeit, ist sie doch bisher eher festgelegt auf das volkstümliche Rollenfach.

Mithin: Die Bewährungsprobe als Fortsetzung des Lieblings-Erfolgs aus den 80er Jahren hat dieser Film nicht bestanden - die Probe als gelungene Fernsehunterhaltung des Genres Anwaltsserie mit Substanz für die Prime Time aber schon. Man kann die Eingangsszene mit der Zigarre am Grab auch so interpretieren: Einmal machen wir es noch, hier beschwören wir den Alten noch mal mit aller übersinnlichen Kraft - und dann is' et jut, dann kommen wir dran.

infobox: Kanzlei Liebling Kreuzberg: Bewährungsprobe", Fernsehfilm, Regie: Andreas Menck, Buch: Andrej Sorin, Kamera: Julia Jalnasow, Produktion: Odeon Fiction (ARD/Degeto, 21.11.25, 20.15-21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek)



Zuerst veröffentlicht 21.11.2025 10:10

Barbara Sichtermann

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KARD, Ersten, Serie, Film, Liebling Kreuzberg, Sichtermann

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