Realistisches Frauenbild - epd medien

23.11.2025 15:32

Jenny ist das, was man früher einmal "vollschlank" nannte. In "Liebesbrief an Jenny" verliebt sich die lebenslustige Floristin in einen Fitness-Influencer - und der sich in sie. Endlich einmal eine Romantic Comedy mit einem normalen Frauenbild.

ZDF-Comedy "Liebesbrief an Jenny" mit Stefanie Reinsperger

Jenny (Stefanie Reinsperger) tanzt leidenschaftlich gern

epd Body Positivity. Ist das Konzept in Hinblick auf zu hohes Körpergewicht eigentlich immer noch angesagt? Oder haben inzwischen genug Leute darauf hingewiesen, dass man noch so "positiv" auf die eigenen Speckrollen gucken kann, Übergewicht davon - in körperlicher Hinsicht - aber nicht gesünder wird?

Das ZDF hat eine Romantic Comedy über eine mollige Hamburgerin gemacht, die nach einer Ess-Störungs-Odyssee weit darin gekommen ist, ihren Körper zu akzeptieren. Als Single führt sie zusammen mit guten Freunden nicht nur ein hippes Pflanzengeschäft, sondern auch ein erfüllt wirkendes Leben. Nachdem sich Jenny Stefanie Reinsperger) beim Salsa-Tanzen das Knie verletzt hat, verliebt sie sich während der Reha in den prominenten Fitness-Influencer Timo Neuwirth (Golo Euler). Und er sich unsterblich in sie. Unwahrscheinlich, aber "Gegensätze ziehen sich an"?

Idealisierte Körperbilder

Das Interessante an "Liebesbrief an Jenny" sind nicht die vielen vorhersehbaren didaktischen Einheiten über das ungesunde Streben nach dem Idealkörper (unter anderem lehrt Jenny als lebendes Beispiel an einer Schule Body Positivity), sondern die eigene Reaktion auf Sex-Szenen und andere Szenen, die eine nur spärlich bekleidete, beleibte Frau ins Bild rücken. Merke: Auch im Jahr 2025 ist es im deutschen Fernsehen noch sehr ungewohnt, eine Frau, die den gängigen Schönheitsidealen nicht entspricht, aber ähnlich viel wiegt wie ein beträchtlicher Teil der Zuschauerinnen, in solchen Szenen zu sehen. Eine "Dicke", im "Herzkino" des ZDF als "begehrenswert" inszeniert, irritiert. Seltsam, eigentlich weiß man doch aus dem Freibad (oder aus dem Spiegel), wie zu viele Kilos aussehen.

Inzwischen werden im Zusammenhang mit idealisierten Körperbildern vor allem die sozialen Medien verantwortlich gemacht. Dabei war es ja nicht etwa Instagram, das die für Normalos nicht erreichbaren und ungesunden Schlankheitsideale erfunden hat. Soziale Medien haben nur verstärkt, was nicht zuletzt Fernsehfilme viele Jahrzehnte lang als "schön" propagiert haben (und immer noch propagieren). Während die Werbung nun schon seit vielen Jahren mit pummeligen Körpercreme-Models oder auch Frauen mit Pigmentstörungen als "trotzdem schön" experimentiert, ist ein dickes "Love interest", das sich (fast) nackig macht, im "ZDF-Herzkino" immer noch eine Irritation.

Zu viel Kraftsport

Es wird also Zeit. Wobei ein "körperpositives" Ziel erst als erreicht gelten dürfte, wenn das Dicksein nicht mehr das Thema eines Films ist, sondern ein so nebensächlicher Umstand wie blonde Haare oder braune.

Während die von Reinsperger überzeugend verkörperte Jenny eher aus dem Alternativ-Milieu stammt, ist der weithin bekannte Fitness-Held Timo ein straigther Geldverdiener, der außer seinem muskulös-abgemagerten, aber alternden "Body" nichts zu kapitalisieren hat. Dass dieser äußerlich perfekte Körper von zu viel Kraftsport und Medikamenten viel stärker geschädigt ist, als der von Jenny und Timo mithin vor dem Ruin steht, ist die didaktische Einheit, die hier hoffentlich hängenbleibt.

Der humorvoll gemeinte Film spielt in einer Art Hamburg-Märchenland mit vielen schönen Stadt-Szenen, von der Hafencity bis St. Pauli, von der Alster bis zur Elbe, die die Tourismuswerbung freuen dürften. In diesem TV-Märchenland kommt man mit einem kleinen Meniskusschaden zur Reha in eine todschicke Villa mit Park in Blankenese. Ich lebe in Hamburg. Der Meniskus im rechten Knie ließ mich neulich auch humpeln. Komischerweise endete ich aber an einer Ausfallstraße zur "Krankengymnastik am Gerät", wo es kaum Termine für Berufstätige gab. Es wird wohl dabei bleiben: Was die Leute im Fernsehen gezeigt bekommen, weil sie es sehen wollen, ist meist "bigger than live". Und das bedeutet, was die Körperformen angeht, smaller.

infobox: "Liebesbrief an Jenny", Fernsehfilm, Regie: Christina Adler, Buch: Sophia Krapoth, Kamera: Martin Langer, Produktion: Pyjama Pictures (ZDF-Mediathek, seit 21.11.25, ZDF, 30.11.25, 20.15-21.45 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 23.11.2025 16:32 Letzte Änderung: 23.11.2025 16:33

Andrea Kaiser

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Fernsehfilm, Adler, Krapoth, Kaiser, NEU

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