Dubioses Großmaul - epd medien

24.11.2025 10:22

Stephan Timoshin ist mit 24 schon Millionär. Anfang 2024 wollte er auch noch jüngster Präsident eines Fußballvereins werden: bei Hertha BSC in Berlin. Der Dokumentarfilmer Klaus Stern hat Timoshin für seinen Film "Der Präsident" begleitet.

3sat-Dokumentation "Der Präsident" von Klaus Stern

Stepan Timoshin in seinem Berliner Sneaker-Shop

epd In Lettland geboren, als kleiner Junge mit seiner Familie nach Berlin ausgewandert - und dort bereits als Teenager mit dem An- und Verkauf von Sneakers zum Millionär geworden: Diese märchenhafte Aufsteiger-Geschichte hat dem Jung-Unternehmer und fleißig postenden Influencer Stepan Timoshin (24) in den vergangenen Jahren eine beachtliche Medienpräsenz eingebracht. Und auch den Dokumentarfilmer Klaus Stern auf den Plan gerufen.

Timoshin fällt als eitles Großmaul, der mit einem dubiosen Geschäftsmodell angeblich ein Vermögen gemacht hat, gewissermaßen in Sterns Beuteschema. Man denke nur an seine Filme über den "Versicherungsvertreter" Mehmet Göker. Der mehrfach ausgezeichnete Autor ist auf ambivalente Typen aus Wirtschaft und Politik spezialisiert und liefert regelmäßig aufschlussreiche Beobachtungen über Medien und Gesellschaft. Zuletzt gewährte er dem Publikum mit einem Film über die Firma Palantir ("Watching you") einen tiefen Einblick in die Welt der Geheimdienste.

Ich habe voll das schlechte Gewissen, dass ich viel Geld habe.

"Der Präsident", mit gut 36 Minuten ungewöhnlich kurz, begnügt sich mit einem vergleichsweise überschaubaren Kosmos, bestehend aus deutscher Start-up-Kultur und Hertha BSC. Timoshins Versuch, Präsident des Fußball-Zweitligisten in der Hauptstadt zu werden, ist die dramaturgische Klammer des Films. Er beginnt mit seinem Wahlkampf unter Hertha-Fans vor dem Olympiastadion und endet mit der Mitgliederversammlung im November 2024. Vielleicht wäre der Film länger geworden, wenn Timoshins Kandidatur nicht krachend gescheitert wäre. Nachdem der "Spiegel" wenige Tage zuvor einen Bericht über dessen Geschäftsgebaren veröffentlicht hatte, erhielt der Jung-Unternehmer nur 15 Stimmen, das waren 0,41 Prozent. Ein Debakel.

Doch der Fußball bleibt nur Randaspekt. Wie in Sterns anderen Filmen geht es insbesondere um das Talent seines Protagonisten, sich selbst zu inszenieren. Timoshin postet fleißig Tiktok-Videos, in denen er zum Beispiel behauptet: "Ich habe voll das schlechte Gewissen, dass ich viel Geld habe." Dabei fährt er mit einem weißen Rolls Royce, dessen Kühlerfigur automatisch bei abgestelltem Motor in der Versenkung verschwindet, bis vor die Tür einer Hamburger Unternehmensberatung. Und in Nizza feiert er eine Luxus-Hochzeit, deren Bilder dem Publikum bekannt vorkommen könnten.

ARD-Doku ist das Krasseste.

Denn an den Hochzeitsbildern ergötzte sich schon vor zwei Jahren eine ziemlich unkritische Dokumentation, die der SWR für die Reihe "Money Maker" im Ersten produziert hatte. Darin kamen neben Stepan Timoshin ausführlich auch seine Frau, seine Schwester und die Hochzeitsplanerin zu Wort. Der Film war eine kuriose Mischung aus Glamour, Promi-Klatsch und Wirtschaftsberichterstattung. Immerhin vermerkten die Autoren, dass das Geschäftsmodell des "Turnschuh-Millionärs" auf extrem hohen Preisen beruhte.

Timoshin war von den Dreharbeiten genervt, aber sein Team war begeistert, weil die Doku in Fernsehen und Mediathek angeblich insgesamt 7,8 Millionen Menschen erreichte. "ARD-Doku ist das Krasseste, was du im Personal Branding als Personenmarke haben kannst", sagt ein Mitarbeiter Timoshins in "Der Präsident". Hört, hört!

Eindrucksvolle Selbstsicherheit

Auch sonst baut Klaus Stern sein Timoshin-Porträt eher über Bande. Er zitiert dessen Internetvideos oder öffentliche Auftritte im Hertha-Wahlkampf. Beobachtet ihn bei Dreharbeiten mit einer anderen Journalistin. Schildert sein Auftreten bei der Unternehmensberatung. Die Selbstsicherheit des blassen, unscheinbar wirkenden jungen Mannes ist durchaus eindrucksvoll. Und viele Medien, vom SWR über die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" bis "Forbes", multiplizierten die tolle Selfmademan-Geschichte gerne.

Mittlerweile gibt es jedoch reichlich Zweifel. Stern spricht mit dem Journalisten Thilo Neumann, dem Autor des "Spiegel"-Artikels, und auch mit Jan-Lütje Thoden, einem ehemaligen Geschäftspartner, der von nicht bezahlten Rechnungen und völlig überzogenen Angaben Timoshins zu Mitarbeiterzahlen berichtet. Wenn Thoden allerdings Zweifel an Timoshins Aussagen über seine Krebserkrankung nährt, sollte der Betroffene Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen.

Völlig ausgeblendet bleibt außerdem, welche Rolle die Familie hinter dem Jung-Unternehmer spielt. Etwas ausführlicher hätte der Film also sein dürfen.

infobox: "Der Präsident", Dokumentarfilm, Regie, Buch und Produktion: Klaus Stern, Kamera: Florian Giefer, Johannes Guttenhöfer (3sat-Mediathek/ZDF seit 24.11.25, 3sat, 24.11.25, 22.25-23.05 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 24.11.2025 11:22

Thomas Gehringer

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), K3sat, Dokumentarfilm, Stern, Gehringer

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