01.12.2025 11:02
ARD-Krimidrama "Schattenmord: Unter Feinden"
epd "Du bist so lächerlich, 'ne kleine arabische Putzfrau, das bist du für die." So flucht der Clanboss Ali Sakka (Kida Khodr Ramadan), als ihn die junge Kriminalhauptkommissarin Nadirah Abaza (Sabrina Amali) bei einer Drogen-Razzia verhaftet. Die SEK-Aktion, die laut Insert "irgendwo in Deutschland" stattfand, ist ein Erfolg für die aufstrebende Beamtin. Sowohl ihr direkter Vorgesetzter (Max Urlacher) als auch der leitende Oberstaatsanwalt Frank Leuw (Dani Levy) heben bei der anschließenden Feier im Polizeirevier ihren Anteil an dem geglückten Zugriff hervor. "Aber freuen wir uns nicht zu früh", mahnt die Belobigte. Tatsächlich scheint es schon am nächsten Morgen, als sei Ali Sakka auch im Gefängnis noch gefährlich: Der jüdische Oberstaatsanwalt, der eben noch seinem Rabbiner erzählt hatte, er fühle sich verfolgt, wird erschossen in seinem Haus aufgefunden. Ein aus dem Knast heraus befohlener Racheakt?
Clan-Kriminalität mit arabischem Migrationshintergrund, dazu die "4 Blocks"-Schauspieler Kida Khodr Ramadan und Sabrina Amali - zunächst bewegt sich "Schattenmord: Unter Feinden" mit bewährtem Personal auf vertrautem Terrain. Dann jedoch legt der Degeto-Mittwochskrimi aus der Feder von "Made in Germany"-Co-Autorin Raquel Stern einen überraschenden Richtungswechsel hin: Nach 20 Filmminuten spielt Ali Sakka keine Rolle mehr. Die vermeintlich von ihm gedungenen Täter, die die Überwachungskamera beim Einbruch in Leuws Haus aufgenommen hat, kommen nicht in Frage.
Offenbar sollte es nur so aussehen, als stecke Sakka hinter dem Mord. Ins Zentrum rücken vielmehr der Rabbiner Samuel Rivkin (Garry Fischmann) und die Frage, ob Leuw womöglich noch an einem anderen brisanten Fall dran war. Über die Begleitung der siebentägigen Trauerfeierlichkeiten für den Juristen taucht der Film tief ein ins jüdische Milieu, das Bemühen um Authentizität ist dabei jederzeit spürbar. Auf diesem Feld allerdings haben jüngst "Die Zweiflers" ziemlich uneinholbar vorgelegt.
Für leidliche Krimispannung sorgt der Umstand, dass der engagierte Seelsorger zu Nadirah Abazas Unmut auf eigene Faust ermittelt. Noch vor den Beamten stößt Samuel auf eine Spur, die in die Stiftung einer rechtsgerichteten Unternehmerin (Alice Dwyer) führt - und ein rassistisches, antisemitisches Mordmotiv nahelegt. Die Kommissarin, ihr Kompagnon Erik Stoibel (Nikolaus Sternfeld) und eine IT-Expertin entdecken derweil Ungereimtheiten in ihrem Revier: Da wurde der bereits in die Asservatenkammer verbrachte Computer Leuws teils gelöscht und überschrieben, Polizeipistolen verschwinden aus der Waffenkammer. Und was hat es mit einem unaufgeklärten Fall aus dem Jahr 2022 auf sich, den ihre Kollegin Katharina Hauser (Anja Schneider), gerade mit Hitler-Bildern auf ihrem Handy auffällig geworden, als "Ehrenmord" zu den Akten legen wollte?
Mag der unvermittelte Plot-Schwenk noch dahingehen, so stört mit zunehmender Dauer das zur Schau getragene Sendungsbewusstsein des Films. Zu Beginn ist es noch subtil eingekleidet. Als Katharina Hauser auf der Feier zur Sakka-Verhaftung spottet, die Araberin Abaza und der Jude Leuw könnten vielleicht gemeinsam den Nahostkonflikt lösen, kontert der Staatsanwalt mit wohlgesetzten Worten: "Hübsche Idee, Kommissarin Hauser. Aber ich bin wirklich sehr, sehr skeptisch, dass man die Lösung der Nahostfrage in die Hände von zwei Deutschen legt." Später wird dann unverhohlen losdoziert: "Der Ausdruck Ehrenmord ist rassistisch", klärt Nadirah Abaza ihren Kollegen auf, "er verschleiert, dass laut BKA fast jeden zweiten Tag in Deutschland eine Frau von ihrem Mann oder Ex getötet wird. Das sind Femizide. Und nur ein Bruchteil davon sind sogenannte Ehrenmorde." Jenseits solcher auf der Zunge getragenen Botschaften dominieren abgegriffene Genre-Stanzen die Dialoge: Der Fall gehört Ihnen, enttäuschen Sie mich nicht, Genaueres wissen wir selbstverständlich erst nach der Obduktion, ohne meinen Anwalt sage ich gar nichts.
Während die gesamte Handlung seltsam unverortet bleibt, setzt Regisseur Damir Lukačević unscharf vorbeirasende Autolichter auf nächtlichen Straßen als visuelles Leitmotiv ein - mit welcher Intention, ist schwer dechiffrierbar. Und die finale Täter-Pointe erkauft sich "Schattenmord: Unter Feinden" durch eine Behauptung, schlüssig angelegt ist sie nicht. Dafür möchte Rabbiner Samuel zur weiteren Aufklärung über jüdisches Leben beitragen. "Stellen Sie mich als Polizeiseelsorger ein, in anderen Bundesländern gibt's das schon", schlägt er dem Kommissariatsleiter vor. Sie hätte da auch noch "ein paar Top-Imame", erlaubt sich Muslimin Nadirah zu ergänzen. Am Ende stehen sie und Samuel gemeinsam auf dem Kiesdach der Polizeistation, rühmen die Vorteile der Zusammenarbeit ("Vier Augen sehen mehr als zwei") und bieten sich das Du an. Das mutet dann fast wie ein Reihen-Pilotfilm à la "Die Kommissarin und der Rabbi" an - ist aber bestimmt auch nur angetäuscht.
infobox: "Schattenmord: Unter Feinden", Krimidrama, Regie: Damir Lukačević, Buch: Raquel Stern, Kamera: Jörg Widmer, Produktion: UFA Fiction (ARD/Degeto, ARD-Mediathek ab 1.12.25, ARD, 3.12.25, 20.15-21.45 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 01.12.2025 12:02
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KARD, Luley, Degeto, Krimi
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